Am Montag, 26. Januar 2004 15:44 schrieb Magnus Manske:
Das wirklich Bedenkliche an der ganzen Situation ist
nicht, dass Jimbo
noch ein paar Tage/Wochen/Monate länger "in charge" ist, sondern das
Misstrauen, das ihm hier entgegen gebracht wird. Er hat die wikipedia
ermöglicht, und bis heute keinen Grund zum Zweifel an seinen Motiven
geboten. Er hat die Wikimedia Foundation gegründet, damit langfristig
*nicht* alles an seiner Person/Firma hängt. Der Prozess, die "Macht" auf
mehr Schultern zu verteilen, läuft doch schon längst. Mehr Demokratie zu
fordern hieße Eulen nach Athen tragen. Auf "Mitbestimmung für alle,
sofort!" zu drängen, klingt in diesem Zusammenhang fatal nach "dann
fällt vielleicht für mich auch noch 'nen Stück vom Kuchen ab". Mit
dubiosen Anspielungen unbegründete Furcht vor schlechten Entscheidungen
Anderer zu schüren ist eher eines selbsternannten Generals von der
"Volksbefreiung" in Afrika würdig, der auch gern mal Boss spielen möchte.
Ich würde mich mal als einen regen Teilnehmer an der deutschsprachigen
Wikipedia bezeichnen, und als einen eifrigen Leser der Mailinglisten. Ich
weiß ja nicht, was eventuell hinter dieser öffentlichen Schiene abgeht. Fakt
ist aber, dass offenbar sehr viele erst über die Vereinsdiskussion erfahren
haben, was in den Bylaws steht. Dass wir erst nachfragen mussten, ob den die
Bylaws in Kraft sind. Dass sie in Kraft gesetzt wurden, ohne das mal zu
besprechen - so wie wirs mit der Vereinsdiskussion von Anfang an gemacht
haben. Fakt ist, dass die Bylaws NICHT demokratisch verfasst sind - mit einer
solchen Regelung würdest Du in Deutschland keinen gemeinnützigen e.V.
zustande kriegen und bei einer Stiftung hättest Du längst die Gesetzeshüter
am Hals, wenn Du so schlampig mit Deiner Verpflichtung umgehst, innerhalb von
90 Tagen zumindest mal zwei Beiräte wählen zu lassen. Fakt ist, dass sich
Jimmy de facto als Diktator benimmt - in Fragen, über deren TRagweite er
offensichtlich keine Ahnung hat: Dass er Kurt mal eben so zum "Vice President
Europe" der Stiftung ernennt, zeigt erstens, dass er die eigenen Bylaws nicht
kennt - von einem Vicepräsident ist da nicht die Rede, dass er sich zweitens
einen Dreck drum kümmert, die 1000 deutschsprachigen Benutzer mal zu fragen
ob sie mit Kurt klarkämen (klar tun wir das, aber übergangen wollen wir nicht
werden) und dass er damit drittens Kurt in eine höchst fatale juristische
Lage gebracht hat: Der ist nämlich auf einmal hier in Deutschland juristisch
absolut verantwortlich(!!!!) für den Serverbetrieb! (Notabene, Kurt, an
Deiner Stelle würde ich mir überlegen, ob ich nicht laut auf der Mailingliste
dieser Berufung widersprechen würde).
Der Prozess, die Macht auf mehr Schultern zu verteilen, läuft NICHT. Wo? Das
was ich sehe, ist, dass die Macht auf weniger Schultern zementiert worden
ist. Dass eine Autokratie per Bylaws zementiert worden ist. Dass das offenbar
nur so wenige wundert (ich hätte eigentlich einen Aufschrei erwartet),
wundert wiederum mich. Dass der Name "Wikimedia", der durch Bälle-zuwerfen
von vielen Leuten auf einer Mailingliste entstand, nun auf einmal als "Marke"
der Foundation einkassiert wird, und dass das niemand hinterfragt. Ich sehe,
dass man nicht will, dass wir eine lokale Vertretung gründen, die nicht der
absoluten Konztrolle Jimmys untersteht. ("I will not tolerate", man beachte
das I). Ich weiß nicht, wo da irgendwas läuft, die Macht auf mehr Schultern
zu verteilen. Vielleicht bin ich ja blind, aber dann klär mich bitte mal auf.
Ja, ich dränge auf Mitbestimmung sofort. Wann denn sonst??? Deine
Unterstellungen bitte ich im übrigen zu unterlassen: ich hab genug zu tun,
mir mit meiner EDV-Beratung meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich bin
nicht scharf auf einen Vereinsposten. Aber ich will mithelfen, dass das
Projekt wächst. Und das geht nicht, wenn ich nur sagen darf: "Sorry, ich bin
nicht das Projekt, ich bin nur Unterstützer, für alles, was das Projekt
angeht, wenden Sie sich bitte an den Halbgott Jimmy Wales". Ich will
mitreden, wenns darum geht, wer das sagen hat und wie Gelder verteilt werden.
Ich wehre mich dagegen, dass Jimmy besser wüsste, was dem Projekt gut tut, als
die Mehrheit der Teilnehmer. Man muss einen "dictator" für einen
Serverbetrieb haben - man braucht ihn sicher nicht, um ein Projekt, das
inhärent auf Kooperation aufbaut, auf Spur zu halten. Das können engagierte
Teilnehmer besser.
Uli