Alexander Klimke wrote:
M. Schuster hat das Problem angesprochen inwieweit deutsche Gerichte für Handlungen im Internet zuständig sind [...] Deutsche Gerichte sind zuständig, unabhängig davon, was für ein Staatsbürger die Handlung von wo auch immer aus vornimmt (gilt so für das Strafrecht und dort in genau dieser Form auch nur für bestimmte Deliktsformen, verschafft aber einen Eindruck davon, dass nach deutschem Recht mehr Zuständigkeiten bestehen, als man so zunächst vermuten würde).
Ich stecke gerade in einem Prozess (vorgeblich unwahre Tatsachenbehauptung im Web über den Fotohändler "Photo Dose", die zu einer Abmahnung, dann zum Mahn- und schließlich zum Streitverfahren führte), wo im kleinen Maßstab über die Zuständigkeit der Gerichte verhandelt wird.
Nach Auffassung der Klägerin aus Bremen ist der Gerichtsstand Bremen, da "der Beklagte die entsprechenden inkriminierenden Behauptungen im Internet getätigt" hat; da "das Internet auch in Bremen abzurufen ist, ist der Gerichsstand der unerlaubten Handlung hier in Bremen gegeben". Wir widersprechen dieser Auffassung natürlich (ich wohne in Berlin); unabhängig vom konkreten Sachverhalt und eventuell greifenden Dispensregelungen halte ich das zumindest für eine eklatante Verdrehung der Regelungen der §§ 5 MDStV und 4 TDG.
Würde sich die Klägerin mit dieser Auffassung durchsetzen und wäre eine Übertragung des Sachverhalts auf die Wikipedia juristisch vertretbar (was ich nicht beurteilen kann), könnte man gegen den Inhalt jeder beliebigen Seite der Wikipedia in jedem beliebigen Land der Welt zivilrechtliche Klage führen, in dem das Internet "abgerufen" werden kann. Der Sitz der Foundation in Florida als Betreiber wäre somit vollkommen obsolet, wenn ich die Konsequenzen richtig verstehe.
Wenn man die Analogie dann weiter verfolgt, wäre praktisch jede Tatsachenbehauptung, egal ob aus einer externen Quelle zitiert bzw. paraphrasiert oder originär von einem Wikipedianer verfasst, abmahn- und vor allem auch streifähig. Wenn das Schule machen sollte, könnte ein Projekt wie die Wikipedia allein durch eine Klageflut beschädigt werden, da bereits in meinem Fall ein Gegenstandswert von 250.000 Euro deklariert wurde. So lange es bei zivilrechtlichen Einzelfällen bleibt, ist das wohl noch handhabbar, in größerem Maßstab wäre eine Prozesslawine über streitgegenständliche Tatsachenbehauptungen (von denen die Wikipedia wohl zumindest einige Millionen bereithält) weder personell noch finanziell überstehbar.
Nur gut, dass Einzeller und Moose gegen die möglicherweise tatsachenwidrige Darstellung ihres Ökosystems mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht klagen werden ;)
MfG -asb