On 27.11.2009, at 21:29, Bjoern Hoehrmann wrote:
Hi,
zunächst mal Dank für die Diskussion und die ausführlichen Darstellungen deiner Gedanken – ich finde solche „Außenperspektiven" (auch wenn Du schon ein semi-innerer Äußerer ;)) bist – immer hochinteressant!
- Reinhard Kraasch wrote:
Insofern: Wikipedia einladender und benutzerfreundlicher zu machen, da bin ich im Prinzip dabei, faktisch sehe aber große Probleme, sowohl bei der Mentalität der "Insassen" als auch bei den Erwartungen der Aussenstehenden - die sich über weite Teile eben nicht mit den Projektzielen von Wikipedia decken. Die meisten Neulinge wollen gar nicht "an einer Enzyklopädie mitarbeiten", sondern wollen sich selber, ihre Firma, ihren Insektenzüchterverein darstellen - "Enzyklopädie" kommt in dieser Gedankenwelt gar nicht vor.
Dass Artikel nur von weitgehend unabhängigen eingestellt und bearbeitet werden sollten war auch mein Eindruck, bis ich mich die letzten Wochen näher eingearbeitet habe. Wirklich stehen tut das aber scheinbar nicht im "Metabereich", vor allem habe ich auch keine Erklärung warum es die Regel gibt gefunden (ohne jetzt erneut gezielt gesucht zu haben), und eher das Gegenteil scheint mir das Fall zu sein.
Doch, doch: Die Regel steht sogar sehr ausführlich im Metabereich und dort ist auch erklärt, warum es sie gibt; man muß sie nur finden – typisches Problem. Und um sie zu finden – _noch_ typischeres Problem – muß man die Terminologie der Wikipedia beherrschen. In WP heißt das nämlich Selbstdarstellung. Wobei hier interessanterweise [[Wikipedia:Selbstdarstellung]] auf
* http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Selbstdarstellung#Eigendarstellung
linkt, weil die [[Wikipedia:Selbstdarstellung]] ein Redirect auf [[Wikipedia:Interessenkonflikt]] ist.
Ich kann mich auch noch genau erinnern, was der Anlaß war diese Regeln ganz explizit für den Hilfe-Namensraum zu entwickeln (auch wenn das wieder nach „Opa erzählt vom Krieg“ klingt): Wir hatten vor Jahren (kann 2005 gewesen) einen Autor der Artikel über seine Kinderbücher angelegt hatte, die dann allesamt – weil weder Buch noch Autor sonderlich bekannt waren – auf den Löschkandidaten landeten. Dort hat der Autor dann den für ihn kapitalen Fehler gemacht vehement gegen die Löschung zu protestieren und hat ewig lange und extrem bös geführte Diskussionen ausgelöst. Nach drei Wochen hat er sich selbst gegoogelt und herrlich prominent verlinkt alle Kommentare der Löschdiskussion gefunden, die ihm und seinen Büchern absolute Bedeutungslosigkeit und Irrelevanz bescheinigten. Fand er verständlicherweise nicht so toll und hat dann verlangt, daß wir die Google-Links löschen.
Ich glaub an der Stelle ist auch uns zum ersten Mal so richtig bewußt geworden, daß die Neuautoren zwar so ungefähr wissen was Wikipedia ist („das Internet-Lexikon in das jeder alles reinschreiben kann“), nicht aber welche Auswirkungen sowas haben kann („Wikipedia-Einträge werden prominent verlinkt und Beiträge sind auch nach Jahren u. U. noch problemlos zu finden – und zwar _alle_; nicht nur die schönen Artikel“).
Interessanterweise hat es trotz der sehr ausführlichen Berichterstattung über WP die Information darüber, daß wir deutliche qualitative Ansprüche an einen Artikel und an unsere Autoren haben und zwar mitnichten jeder alles in eine Enzyklopädie schreiben kann, dennoch aber grundsätzlich erstmal jeder eingeladen ist selber beizutragen, nie so richtig ins Bewußtsein der Massen geschafft. Dafür wird Wikipedia jetzt wohl als eine Art Produkt wahrgenommen und es ist enorm schwer den Leuten zu erklären, daß wir keine Redaktion, keinen Chef, keinen Ressortleiter oder sonst irgendeine Instanz haben die wahlweise für inhaltliche Korrektheit sorgt, die Admins rausschmeisst, „mal durchgreift“ oder irgendjemandem zu seinem guten Recht verhilft. Wir haben mehrfach pro Woche in der Geschäftsstelle Anrufe oder Briefe von Leuten, die uns bitten eine Verbesserung in einem Artikel vorzunehmen (das Support-Team kann ebenfalls ein Lied davon singen) und die fallen aus allen Wolken wenn man ihnen erklärt, daß sie das auch selber machen können (meist gehts dabei um marginale Änderungen und nicht den großen Wurf). Was übrigens ganz klar nicht ein Fehler mangelnder oder schlechter Pressearbeit ist (fragt mal Catrin, was die täglich an Aufklärungsarbeit zu grundlegenden Informationen leistet!), sondern … ja, ich weiß nicht … vielleicht ein Problem, daß sich kaum jemand vorstellen kann das der vielbeschworene „Schwarm“ keine Chefs braucht und das ein Projekt auch dann funktionieren kann, wenn man den Beiträgern weitestgehend freie Hand läßt.
/ … /
Wenn es einen Konsens darüber gibt, dass neue Artikel von "befangenen" Autoren aus psychologischen und qualitativen Gründen Tabu sind, sollte es nicht weiter schwierig sein, Neuautoren mit Darstellung von Gründen in der Erstellungsmaske und anderswo davon zu überzeugen, von ihrem Vorhaben, so unschön die Demotivation auch sein mag, Abstand zu nehmen, beziehungsweise das an konkret benannten anderen Orten zu realisieren.
Das ist tatsächlich irre schwer! 1. setzt Du damit ein relativ großes Reflexionsvermögen voraus (wer gibt schon gern vor sich selber zu, daß er nicht neutral ist?), 2. hast Du ratzfatz die Diskussion „wieso sind _die_ drin und nicht ich??“ und 3. wollen die Vereine, Firmen etc. eben nicht „an konkret benannten anderen Orten“ stehen, sondern genau da wo alle stehen: In der Wikipedia. Wobei die Wikipedia wohl weitestgehend als ein tolles Webverzeichis wahrgenommen wird, nicht aber als Enzyklopädie (was daran liegen kann, daß unsere eigene Definition von Enzyklopädie offenbar so vielfältig ist wie die Anzahl der Mitarbeiter ;)
Gruß
Henriette