On 07.07.2008, at 11:43, Arne Klempert wrote:
Ich weiß nicht, ob die Frage des Adressaten das eigentliche Problem ist. Bevor man sich einen Adressaten sucht, sollte doch zumindest mal die Kritik ausformuliert sein. Je konkreter und konstruktiver, desto besser. Ich persönlich zumindest habe immer noch keinen Durchblick, ob bzw. wo "die Community" denn nun genau das Problem sieht.
Lieber Arne,
wenn Dir das immer noch nicht klar ist, dann ist das wirklich ein Armutszeugnis … Ich verfolge die Diskussion auch nicht bis in jeden hinterletzten Winkel, aber selbst mir ist klar, daß es einige Punkte gibt, die recht viele Leute geäußert haben:
1. Anbahnung der Zusammenarbeit im Vorfeld und Informationspolitik des Vereins: Die Community wurde nicht befragt – das das bei der Größe der Community ein Problem ist, ist sonnenklar. Man hätte aber durchaus 10 aktive/verdiente/bekannte/ausgewürfelte/whatever Wikipedianer auch mal mit ins Boot holen und befragen können, was sie davon halten (Stichwort: Autorenbeirat). Sofort nach der Bekanntgabe der Sache gab es haufenweise Nachfragen und die wurden nur zögerlich beantwortet – man konnte sogar den Eindruck haben, daß Antworten von Vereinsseite nur sehr unwillig kamen und nur aufgrund des massiven Drucks durch einzelne Benutzer endlich gegeben wurden.
2. Vorbehalte gegen den Partner in der Zusammenarbeit: Brauche ich nicht weiter erläutern, das hatten wir hier schon ad nauseam.
3. Inhalt und Umfang der Bertelpedia: Da steht Wikipedia drauf, aber ist auch Wikipedia drin? Wenn sich WP nur über „Lemmata die gesucht werden“ definiert, dann Ja. Wenn sich WP über „ausführlicher und umfangreicher als jede andere Enzyklopädie“ definiert, dann eindeutig Nein. Es sei denn, daß Bertelsmann irgendeinen Trick gefunden hat wie man in 3 oder 5 gedruckten Zeilen die Textmenge von 3 oder 5 Din-A-4- Seiten noch lesbar unterbringen kann.
4. Rückfluss von Korrekturen in die WP: Da sind sämtliche Fragen offen. Das fängt an mit „wie stark wird überhaupt eingegriffen in den Text“ (die mittlerweile berühmt-berüchtigten Sätze von Frau Varnhorn: „Wir redigieren behutsam, verbessern und überprüfen und wir achten ganz besonders auf sensible Stichworte und Einträge, von denen man weiß, dass die Wikipedia hier Schwachstellen hat. Das sind vor allem Einträge mit politischem Hintergrund. Falsche Angaben finden sich v.a. dort, wo externe User ein ideologisches Interesse haben.“) und endet mit „wie können wir erkennen, daß Bertelsmannleute hinterher in den WP-Texten etwas ändern“.
5. Einhaltung der GFDL: Wenn Bertelsmann die WP-Texte auf 3 bis 5 Zeilen zusammenschnurren muß, wie werden dann die Hauptautoren ermittelt? Oder fällt das ganz weg, weil der Lexikontext am Ende mit dem ursprünglichen WP-Text sowieso nur noch das Lemma gemeinsam hat?
6. Pressearbeit: Da wurden im Namen der Community einige Aussagen gemacht, die in dieser Form von der Community nicht geteilt werden (z. B. man „fühle sich geschmeichelt“, daß der Konzern der WP in dieser Form Anerkennung entgegenbringe). Die Pressearbeit war ganz eindeutig darauf ausgerichtet den Deal in einem guten Licht erscheinen zu lassen und so zu tun, als stünde die Community geschlossen dahinter. Tatsächlich erfuhr die Community erst aus diversen Presseveröffentlichungen was sie angeblich darüber denkt.
7. Hier auch zu sehen: Der ganze Deal ist komplett undurchsichtig. Das sieht man schon an deinem schön politisch-ausweichend formulierten: „Ich weiß nicht, ob die Frage des Adressaten das eigentliche Problem ist. Bevor man sich einen Adressaten sucht, sollte doch zumindest mal die Kritik ausformuliert sein.“ Kritik richtet sich auch immer ein bisschen danach an wen man sie richtet, vollkommen korrekt. Nur waren die Details des Deals selbst nach Wochen auch nur schemenhaft bekannt. Und es ist ein riesengroßer Unterschied, ob uns so eine Sache von der WMF quasi vor die Nase gesetzt wird oder ob der deutsche Verein federführend alles eingefädelt und gemanagt hat. Bei dem kann man nämlich davon ausgehen, daß er das Wirken seines in der Öffentlichkeit nicht unumstrittenen Gesprächspartners in Deutschland kennt, ohne sprachliche Barrieren mit der Community kommunizieren kann und vor allem auch den deutschen Buchmarkt und die deutsche Öffentlichkeit einschätzen kann, wie die das Projekt aufnehmen werden. Offenbar hat der Verein federführend in dieser Sache gewirkt und daher ist er als Ansprechpartner durchaus zu Recht hier genannt. Ihr solltet nicht so tun, als müsse man erstmal die Schwere und Tiefe der Kritik ausloten, damit man sich danach einen Schuldigen suchen kann.
Gruß
Henriette