Hallo,
Ulrich Fuchs wrote:
Muss vor meiner Zeit gewesen sein. Nein, danke, auf den Dauernörgler hab ich keinen Bock, weiß Gott nicht - auf den Anführer im übrigen auch nicht, zu dem taug ich nun wirklich nicht. Bitte versteht meine Einsprüche (ich kann mir vorstellen, dass die manchmal nerven) auch nicht als Nörgelei.
*g* ja, manchmal nervt das ein bißchen.
Ich denke nur, dass es bei einem Projekt der zumindest potentiellen Größe, das die Wikipedia darstellt, sinnvoll ist, sich immer nicht nur Gedanken über den nächsten Artikel zu machen und da vorwärts zu kommen, sondern auch immer eine Meta-Diskussion zu führen.
An dieser Stelle ausnahmsweise mal ein Fullquote. Ich fände es schade, wenn die folgenden Passagen in den Archiven der Mailing-Liste in der Versenkung verschwinden. Magst du den Text auf eine passende Seite in der Wikipedia verfrachten? Irgendwo im Umfeld von [[Wikipedia:Unsere Antworten auf Kritik]], und verlinkt von den Presseseiten?
viele Grüße, elian
Denn das, was wir möglicherweise mit der Wikipedia gerade ins Rollen bringen, könnte in der Tat etwas Epochales werden. Etwas, das für die Art der wissenschaftlichen Textproduktion ähnlich wichtig wird wie der Buchdruck.
Die Wikipedia ist weltweit und in Deutschland mit Sicherheit das erste Projekt, dass tatsächlich offene Texte schafft - die Tatsache, dass wir im Grunde nicht einen Text importieren konnten (bis auf die paar mühsam anzupassenden Meyers-Texte), belegt das.
Etwas wie die Wikipedia war vorher nie da, das ist einzigartig, wirklich einmalig. Leute! Wir schreiben, wenn wir wollen, Geschichte.
Ich behaupte tatsächlich, dass der Start der deutschen Wikipedia möglicherweise einen Epochenwechsel eingeleitet hat für die Art und Weise, wie hierzulande wissenschaftliche Texte produziert werden können. Nicht unbedingt auf der Basis so offener Systeme, wie es die Wikipedia ist. Aber ich könnte mir in einer geschlosseneren, archiv-sichereren Variante durchaus eine Arbeitsplattform für Forscher vorstellen. Wenn - wie in der Wikipedia - Einzelbeiträge über Versionshistorien, Diskussionsverläufe über Diskussionsseiten etc. nachvollziehbar sind, so ist das ein grundlegender Unterschied zum Autorenkollektiv, und dann werden andere Arten möglich, wie Texte entstehen.
Die Produktion wissenschaftlicher Texte funktioniert im Moment nach dem, was ich "Delta-Produktion" nenne. Publikationen *verschieben* den Wissensstand. Der aktuelle Wissensstand in einem Fachgebiet ist die Summe der publizierten Verschiebungen. Gesamtsichten, aktuelle Stände, sind selten und heißen in der Regel "Lehrbuch". Systeme, die ähnlich der Wikipedia funktionierten, böten die Möglichkeit der Darstellung eines permanent fortgeschriebenen, allseits akzeptierten *aktuellen* Wissensstandes, bei dem die jeweiligen Deltas direkt eingepflegt werden könnten und - wenn Zweilfel entstehen - *direkt* und nachvollziehaber verteidigt werden könnten. Das könnte eine enorme Effizienzsteigerung in der Forschung bedeuten.
Man kann es nicht oft genug betonen: Wir machen mit der Wikipedia etwas, was vorher so noch nie da war, im Grunde sind wir für die Produktion von Texten das, was Linux/GNU für die EDV ist. Wikipedia ist ein Versuchslabor. Ein Experiment. Das Gelingen dieses Experimentes ist - Verzeihung, ich hab schon ne halbe Flasche Wein intus - wichtig für die Menschheitsentwicklung.
Und da sollte man sich schon Gedanken machen dürfen. Darüber, ob wir jetzt in diesem Versuchslabor beliebig rumrühren dürfen, oder ob wir uns lieber darauf konzentrieren, den *einen* Versuch Enzyklopädie *richtig* durchzuziehen und den Proof-of-concept liefern, dass das Prinzip der offenen Texte tatsächlich funktioniert. Beweisen, dass man nicht den klassischen Weg der Einzelpublikationen braucht, um den Wissensstand festzuhalten.
Ich setze mich dafür ein, dass wir die Chance nutzen, zu beweisen, dass es geht. Ich möchte nicht, dass wir uns auf den Posten zurückziehen zu sagen: "Das ist ein Wiki, das wird nie vollständig". "Das ist ein Wiki, das wird nie Akademiker anziehen". "Das ist ein Wiki, das wird nie wissenschaftlich". "Das ist ein Wiki, das kann sich nicht nur aufs Wesentliche Beschränken". "Das ist ein Wiki, dass nehmen wir mal nicht so ernst".
Doch.
Dieses Wiki kann. Wenn es will.
Wenn wir es schaffen, die Wikipedia wirklich ans Fliegen zu bringen, dann kann sie den Brockhaus, und die Britannica, und die Americana, und welche Enzyklopädie auch immer, dann kann sie die an die Wand drücken, weil sie immer besser sein wird. Weil sie aktueller sein wird. Weil sie vollständiger sein wird. Weil sie reputierlicher sein wird. Weil sie Autoren anziehen wird.
Wenn sie es will.
Und wenn die Wikipedia erstmal fliegt, dann werden auch andere Projekte ans Fliegen kommen. Dann werden sich als nächstes die Filmdatenbanken finden und die CD-Datenbanken. Dann werden die Wikibooks kommen. Dann werden Arbeitsplattformen kommen, die von Universitäten angeboten werden, und die Verlage werden anfangen, sich Sorgen zu machen.
Wenn Wikipedia fliegt, dann macht sie Revolution.
Aber wenn sie als sabberndes brabbelndes Wiki endet, weil sie zu viel auf einmal sein möchte und es allen und jeden Recht machen, dann können wir alle auch in Zukunft erstmal weiter Bücher kaufen gehen, wenn wir was wissen wollen.
Uli