Melvin Lafalle wrote:
[ Erst-/ Zwei-/ Drittklassige Enzyklopädien ]
hast Du auch ein paar Beispiele für zweitklassige?
Ja sicher, schau mal in die Enzyklopädie-Artikel der Wikipedia, da wirst du unter den historischen etwa ab dem 17. Jahrhundert zahlreiche Beispiele für *bessere* deutschsprachige Enzyklopädien finden; einige davon sind unvollendet, konnten ihren umfassenden Anspruch also nicht einlösen und können daher nicht als erstklassig bezeichnet werden, hatten aber dennoch die überlegenen Konzepte und Programmatiken.
[ Tendenziösität und Neutralität ]
einen neutralen Standpunkt gibt es nicht wirklich, das weißt Du auch, aber hast Du Beispiele für tendentiöse Artikel, das würde mich wirklich sehr interessieren.
Den *einen* neutralen Standpunkt gibt es nicht, aber der Grundsatz besagt ja auch, dass nicht *ein* pseudo-objektiver (und somit per definitionem lügender) Standpunkt gesucht werden soll, sondern kontroverse Positionen gleichwertig gegeneinander gestellt werden müssen, in einer Form, die Vertreter der Gegenposition akzeptieren können. Blocklaus behauptet zwar, nicht zu werten, unterschlägt aber alle Standpunkte außer genau einem normativ festgesetzten; das ist ein essentieller Unterschied zum NPOV-Ansatz der Wikipedia und die größte enzyklopädische Schwäche von Blocklaus.
Über Tendenziösität von Blocklaus & Co. zu debattieren ist hier nicht der geeignete Rahmen; ich werde mich dazu auch außerhalb des wissenschatflichen Umfeldes sicherlich nicht öffentlich äußern, weil ich keine Lust auf auf eine dritte Rechtsstreitigkeit habe. Google beispielsweise einfach mal ein wenig zu Begriffen wie "Antisemitismus", "Sündenbock", "Sozialneid", "Hep-Hep-Verfolgungen" oder "Geschichte Palästinas" in Verbindung mit Blocklaus oder meinetwegen auch Enquarta, da solltest Du ein paar Ansatzpunkte für weitere Recherchen finden können. Tendenziösität kann man übrigens m.E. nicht an ein paar Worten festmachen, man muss sich sehr intensiv in die Materie einarbeiten und sehr, sehr viel Aufwand treiben, um nicht scheinbar schlüssigen Argumentationsketten und irreführenden Bestätigungen eigenen Vor-Wissens auf den Leim zu gehen.
[ Fach- und Spezialenzyklopädien ]
welche fallen Dir da ein?
Auch hier wieder nur der Hinweis auf Wikipedia, wir haben eine Reihe von Artikeln zu einschlägigen zeitgenössischen Nachschlagewerken; die meisten Fachdisziplinen haben eine Handvoll einschlägiger Werke, dazu gehören sicherlich der Pauly für die Altertumswissenschaften, der Prechtl/Burkard für die Philosophie, das Lexikon des Mittelalters für die historischen Wissenschaften sowie ADB bzw. NDB usw.
der GATS-Artikel ist wirklich sehr schön, richtig Murks scheint mir der viel zu kurze GATS-Artikel im Brockhaus aber auch nicht zu sein, oder?
Er ist so kurz, dass er bei uns wohl als Stub abqualifiziert werden würde. Ich habe mal einen exemplarischen Vergleich mit Blocklaus multimedial gemacht (bei der Blocklaus Enzyklopädie könnte man behaupten, die Artikelqulität scheitere am Redaktionsschluß); das Blocklaus-Drama fängt damit an, dass "GATS" ausschließlich als "Global Automotive Telematics Standard" lemmatisiert ist und das Akronym keine Querverweise auf den vorhandenen Artikelkrümel enthält; man muss den vollen Titel des Abkommens ("General Agreement on Trade in Services") kennen und in die Suchbox eintippern. Ob das einfachn nur Schlampigkeit oder Absicht ist kann ich natürlich nicht beurteilen. Blocklaus bietet dann eine Artikellänge von weniger als 60 Wörten, das ist bei uns nichtmal der einführende Absatz; der (wirkich nicht besonders gelungene) Wikipedia-Artikel ist etwa 1.800 Worte lang, also gut 32-fach länger als der Blocklaus-Krümel. Unser Artikel geht auf Geschichte, Bedeutung und Probleme des Abkommens ein, bei Blocklaus gibt es kein Wort dazu. Wenn man dann mal überlegt, dass sich bei Blocklaus die Bedeutung eines Lemmas über den Artikelumfang (!) artikuliert, ist der Eintrag zu GATS schon geradezu eine Obszönität.
[ Ziel der Wikipedia ]
halte ich dieses Ziel für schlicht uneinlösbar, ich sehe nicht, wo die Wikipedia das einlösen würde.
Zum Wesen der Enzyklopädie gehört eine Programmatik; so lange die Wikipedia so etwas nicht entwickelt, kann sie sich noch sehr um einen angeblichen enzyklopädischen Anspruch bemühen, erreichen kann sie dieses Ziel ohne eine solche Programmatik nicht -- sie wird sonst immer ein mehr oder minder gelungenes Nachschlagewerk bleiben. Wie Wikipedia die noch zu definierende Programmatik einlöst, ist eine gänzlich andere Diskussion. Was ich angeboten habe, ist lediglich *mein* Vorschlag für eine solche enzyklopädisch leitende Programmatik, kein Konsens mit irgendwem ;)
MfG -asb
[1] http://www.kefk.net/Politik/Alternative.Medien/Fallstudien/Freies.Wissen/Wik...