Am 01.07.2008 um 13:53 schrieb Johann H. Addicks:
Vielleicht ist das "Fachleuchte als Wikipedia-Autoren Casten" bislang einem viel zu technokratischen Ansatz gefolgt.
Zumindest läuft es mehrheitlich unter dem Motto "Hauptsache die Leute verstehen was vom Fach. Das mit der kolloaborativen Arbeit kann jeder lernen und das mit der Community, da muss man nur wollen". Das Mentorenprogramm stemmt sich dagegen und leistet Hilfen. Es gibt nur viel zu viele Klienten, die Hilfe bedürften. Und diejenigen Fachleute, die mit dem Wikiprinzip nicht zurechtkommen, garantieren für stetig trübes Arbeitsklima.
Nur was tun mit denjenigen, die den Zugang zu den Arbeitsweisen und dem Stil der Community nicht finden? Wie gut muss ein Autor sein, damit er sich fortgesetzt danebenbenehmen darf?
Umgekehrt ist es bedauerlich, dass die Erkenntnis "Benutzer ist fachlich gut, passt aber nicht zur Wikipedia" zu oft nur über den Weg der Konfrontation und Eskalation zur einem Abschluss gebracht werden kann.
Das Problem ist in meinen Augen der unvermeidliche "clash of civilizations", der zustande kommt, wenn Fachleute und Laien in der egalitären Wikipedia aufeinander treffen. Fachleute (und da besonders Akademiker) betrachten sich oft auch als Autoritäten und sind hierarchische Strukturen gewohnt. In der Wikipedia müssen sie nicht nur mit einer egalitären Struktur zurecht kommen, sondern auch für Laien schreiben, mit denen sie zugleich Kontakt haben, denn auch jeder Wikipedianer ist auf den meisten Gebieten Laie. Für viele Fachleute hat das in Deutschland auch heute noch einen gewisse Hautgout - bei Akademikern sowieso, aber auch bei "handfesteren" Berufen kommt das vor. Laien überschätzen im Gegenzug gerne mal ihre Kompetenz und schon hat man das schönste Theater. Dazu kommt noch der "Internet-Faktor": Die damit verbundene nur schriftliche, aber ziemlich spontane Kommunikation, die ja noch ziemlich neu ist, erzeugt immer wieder Unbedachtheiten und Missverständnisse. Und schließlich haben sich in der Wikipedia über die Jahre spezielle Sitten eingebürgert, die einem Neuling durchaus fremd sein dürften.
Ich weiß auch nicht, wie man diesen "Kulturschock" dämpfen kann und verhindern, dass er Autoren vergrault oder zu Problemfällen werden lässt. Jedem Neuen kann man ja nicht einen Mentor zur Seite stellen, schon gar keinen maßgeschneiderten. Spontan fällt mir ein, dass ein paar persönliche Berichte über Erfahrungen mit der Wikipedia helfen könnten - es hat ja hier jeder "Lehrjahre" durchgemacht. Als Angebot neben den "Ersten Schritten" usw. für einen Einblick in Kultur und Psyche der Wikipedia.
Gruß, Rainer