Erik Moeller wrote:
Also: Bitte alle Renaissance-Werke fotografieren, egal, was der Museumsdirektor davon hält. Lasst Euch von einem Obermufti wie Uli nicht einschüchtern.
Wir müssen hier drei Ebenen unterscheiden.
(1) Unser Ziel sollte es grundsätzlich sein, uns um Kooperationen und gegenseitigen Goodwill zwischen Content-Bewahrern und Interessen der Allgemeinheit (die in diesem Falle wir vertreten) zu bemühen. In vielen Fällen wird es ohne Konflikt möglich sein, die Genehmigung für die Nutzung des Content zu erhalten. Ich glaube, in diesem Punkt und dieser Priorisierung herrscht auch bei uns Konsens.
(2) Wenn Content-Bewahrer sich dagegen sperren, uns die Nutzung von gemeinfreien Werken, deren Urheberrecht abgelaufen ist, zu ermöglichen, haben wir zwei Handlungsalternativen: (a) Wir halten uns an geltendes Recht und Rechtsprechung, respektieren Hausrecht und Hausordnung, lassen uns auf keine Konflikte ein, gehen auf Nummer sicher (in etwa Ulis Position) - und werden vermutlich ab der übernächsten Novelle des Urheber-/ Patent-/ Marken-/ Wasauchimmer-"Rechts" sicherheitshalber gar keine Bilder oder Texte mehr veröffentlichen. (b) Wir setzen Eriks Vorschlag einer Guerrilla-Methode um und *suchen* bewusst (nicht versehentlich) den Konflikt; wir fotografieren Renaissance-Kunstwerke und veröffentlichen sie in der Wikipedia, vielleicht sogar in reprofähiger Qualität; wir verletzen Verwertungsrechte von Content-Bunkerern à la Corbis, die schon jetzt über 70 Millionen Bilder kommerziell vermarkten, darunter exklusiv die Kunstwerke einiger namhafter Museen. Wir machen damit die freie Enzyklopädie zu einem Kampfschauplatz gegen Kommerzialisierung von Kunstschätzen und riskieren mächtig Ärger, verteidigen aber eine gute und richtige Sache: Die Vorstellung, dass Kunst Gemeineigentum ist. Selbst im alten Rom gab es übrigens schon Gesetze, die das Privatisieren von (damals zeitgenössischen) Kunstwerken verboten. Hier gibt es m.E. bisher keinen Konsens, weder für Ulis noch für Eriks Position.
(3) Eine verschärfte Problematik liegt im Bereich zeitgenössischer Kunst, d.h. im Falle von Werken, deren Urheberrecht nicht abgelaufen ist. Ein Testballon ist das Bild vom verhüllten Reichtstag, das nicht der Panoramafreiheit unterliegt, m.E. aber auch den Künstlern keinen wirtschaftlichen Schaden zufügt.
Der Konflikt liegt darin, dass wir keinerlei aktuelle Kunst zeigen dürften, die auf dem aktuellen Kunstmarkt relevant ist, falls wir geltendes Recht uneingeschränkt respektieren. Das schliesst auch architektonisch interessante Neubauten aus (z.B. I. M. Pei-Bau in Berlin) sowie die Illustration mit Fotos aus anderen Ländern, die so etwas wie unsere Panoramafreiheit nicht kennen; wir dürften dann beispielsweise auch nahezu keine Fotos von öffentlichen Plätzen in Frankreich veröffentlichen. In diesen Bereich fällt übrigens auch das berüchtigte Großzitat, das für uns dann ebenfalls tabu sein muss.
Hier argumentieren, wenn ich sie richtig interpretiere, Uli und Erik übereinstimmend, dass wir hier die Nutzungsrechte und potentiellen kommerziellen Interessen der Künstler in vorauseilendem Gehorsam respektieren sollten; wir müssten dann eine gigantische Löschaktion starten und alle Bilder löschen, auf denen irgendwo ein Markenzeichen abgebildet ist, ein KFZ-Kennzeichen gut lesbar ist, eine Person im öffentlichen Strassenbild deutlich erkennbar ist, ein Designobjekt gezeigt wird (egal ob Lampe, Toaster oder Apple iMac, kann alles geschützt sein) usw.
Ich meine dagegen, dass es hier eine Grauzone des begründeten öffentlichen Interesses gibt, die es zu nutzen gilt; warum sollen für uns andere Regeln gelten als für die aktuelle Berichterstattung in den Medien? Allerdings müsste darüber auch Konsens erzielt werden.
Bitte trennt diese drei Ebenen in der Diskussion, sonst reden wir ständig aneinander vorbei.
MfG -asb