Achim Raschka erhebt gravierende Vorwürfe gegen die Leitung von Wikimedia Deutschland e.V. und hat einen Nachnutzer von Wikipedia-Inhalten auf DVD mittels eines Anwalts zu einer Unterlassungserklärung gezwungen.
Dies wirft Fragen auf, die auch auf der Seite http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Historiograf/GNU_FDL_Highway_to_Hell_-... thematisiert werden.
Zur Frage, wer Ansprüche bei Verletzungen der GNU FDL geltend machen kann, äußert sich das Rechtsgutachten: http://meta.wikimedia.org/wiki/Rechtsfragen_M%C3%A4rz_2005#VI._Anspr.C3.BCch...
Wikimedia Deutschland e.V. kann demnach gegen Verletzer nur vorgehen, wenn ein Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte diese dem Verein überträgt.
Unberücksichtigt bleibt die Frage, wer Inhaber des Datenbankschutzrechts an der Wikipedia als Ganzes ist (§§ 87a ff. UrhG). Die Antwort ist strittig, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer_Diskussion:Southpark#Pflegestandard
Bei der Wikipedia handelt es sich meines Erachtens um eine geschützte Datenbank, wobei als Inhaber des Schutzrechtes meines Erachtens derjenige anzusehen ist, der die zehntausende Einzelbeiträge der Öffentlichkeit mit erheblichem finanziellem Aufwand zugänglich macht: die Wikimedia Foundation (WMF). Es spricht einiges dafür, dass die WMF auch als "Publisher" im Sinne der GNU FDL fungiert.
Man mag argumentieren, dass ein Wiki keine geschützte Datenbank darstellt. Das erscheint mir nicht schlüssig.
Man mag argumentieren, dass die WMF als Inhaber des Schutzrechtes stillschweigend auf die Ausübung des bestehenden Datenbankschutzrechtes verzichtet. Das kann man vertreten, näher liegt freilich die Annahme, dass jegliche Nutzung der Inhalte der Wikipedia , soweit das Urheberrecht tangiert ist (das markenrechtlich geschützte Logo ist bekanntlich nicht frei!) gemäß der GNU FDL erfolgt und das Datenbankschutzrecht ist ja ein Leistungsschutzrecht im Rahmen des Urheberrechtsgesetzes.
Warum lassen WMF und Wikimedia Deutschland e.V. ihre Autoren im Regen stehen?
WMF könnte als Inhaber des Datenbankschutzrechtes vor einem Gericht eines EU-Landes die Einhaltung der GNU FDL durchaus durchsetzen. Generell neigt die WMF jedoch dazu, sich aus solchen Angelegenheiten herauszuhalten.
Wikimedia Deutschland e.V. könnte sich natürlich die Ausübung der Rechte des Datenbankinhabers für den deutschsprachigen Teil der Wikipedia von der WMF übertragen lassen.
Höchst brisante Haftungsfragen (siehe zuletzt Hacker Tron, auch in zweiter Instanz war Wikimedia Deutschland e.V. erfolgreich) lassen die Verantwortlichen des Vereins die Linie verfolgen, die Verantwortung für die Beiträge der Wikipedia soweit als möglich den Autoren zuzuschieben. Man sieht sich als eine Art "Forenbetreiber", der nicht eigene Inhalte erstellt, sondern Möglichkeiten bietet, fremde Inhalte einzustellen. Der Verein wird als reines Geldsammel-Instrument dargestellt, der keinerlei inhaltliche Einwirkungsmöglichkeiten hat.
Ob sich diese Abstinenz in weiteren Gerichtsverfahren auszahlt, sei dahingestellt. Ich hatte per Mail den Benutzer Berlin Jurist gebeten, ob er mir den Aufsatz "Zur Rechtsnatur von Wikipedia" mir zur Verfügung stellen könnte:
http://bibliotheksrecht.blog.de/2006/04/27/zur_rechtsnatur_von_wikipedia~759...
Keine Antwort! Falls mir jemand eine Kopie zusendet, wäre ich dankbar.
Will man Wikepedia (bzw. korrekter WMF) als bloßen Host-Provider, der nicht für "eigene Inhalte" haftet sehen, macht es sich natürlich schlecht, wenn man auf der anderen Seite Autoren schützend zur Seite tritt, wenn deren in der GNU FDL verbürgte Rechte mit Füßen getreten werden.
Ich habe aber erhebliche Zweifel, ob mit den bisher vorliegenden Interpretationen die komplexe Interaktion zwischen dem Rechtsträger WMF und der Commity, die doch so etwas wie eine redaktionelle Einheitlichkeit produziert, wirklich angemessen juristisch beschrieben wird.
Die GNU FDL orientiert sich an den Mustern traditioneller Verlagsprodukte. Von daher ist es keineswegs zwingend, dass ein Richter die Wikipedia juristisch als etwas völlig Neuartiges einordnet und alle Haftungserleichterungen bejaht, die uns angenehm sind.
Man mag es akzeptieren, wenn der Verein sich nicht hinter seine Autoren stellt, wenn die GNU FDL eklatant verletzt wird. Eine andere Qualität hätte es, wenn der Verein einen Hochlader, der im Vertrauen auf unsere Policies ein Bild hochlädt, das wir als unproblematisch ansehen, im Regen stehen ließe (Stichworte: Schöpfungshöhe wider Erwarten doch erreicht, Reproduktionsfotografie doch geschützt, Foto von fremdem Eigentum).
Die Untätigkeit des Vereins in Sachen GNU FDL befugt von daher jeden Autor, sich in angemessener Weise gegen Verletzungen seiner Rechte zu wehren.
Es ist Achim Raschka zugutezuhalten, dass eine Komplett-DVD eine andere Qualität hat als ein Online-Klon, dem man über Wikipedia:Weiternutzung/Mängel bekommen kann.
Es ist Nachnutzern (u.a. Directmedia) umgekehrt zugutezuhalten, dass es völlig unklar ist, wie eine korrekte Nutzung im Rahmen der GNU FDL aussieht. Die WMF hält sich aus diesem Bereich völlig heraus, abgesehen von einem mehr als fragwürdigen (und juristisch eingestandenermaßen nicht bindenden) Gentlemen Agreement und wäscht ihre Hände in Unschuld. Das ist schlicht und einfach nicht fair.
Das genannte Rechtsgutachten hat fahrlässigerweise das Droit de non-paternité ins Spiel gebracht. Wenn man das auch zu beachten hätte, wozu die Präambel der GNU FDL die entsprechenden Rechtsanwälte angeregt haben mag, dann gute Nacht. Dann hätte man in stundenlanger Arbeit für einen Artikel, den man übernimmt, anhand der Diffs genau die Autoren festzustellen, die einen urheberrechtlich relevanten Beitrag geleistet haben. Die Autoren, deren Beiträge später wieder entfernt oder überschrieben wurden, könnten sich ja dagegen wehren, als Mitautoren genannt zu werden.
Das sind zugegebenermaßen Spitzfindigkeiten. Was mir wirkliche Sorgen bereitet ist die Frage, was passiert, wenn ein deutsches Gericht etwa auf Antrag eines Verbraucherverbands der WMF verbietet, die GNU FDL als AGB zu verwenden. Dazu würde es genügen, wenn eine einzelne Klausel als unwirksam erklärt würde, da ja stets die komplette GNU FDL beigegeben werden muss. Dieser Fall wäre womöglich der absolute Ober-GAU mit der Konsequenz, dass die WMF den Schreibzugriff für deutsche Editoren zu sperren hätte. Wir könnten auf gut deutsch gesagt einpacken. (Siehe dazu meine genannte GNU FDL-Seite ziemlich weit unten).
Klaus Graf