Am Freitag, 23. Januar 2004 21:36 schrieb Arne Klempert:
Mich würde mal Euer Eindruck von der Diskussion auf Wikipedia-l interessieren.
Denn das, was ich mit meinen bescheidenen Englisch-Kenntnissen mitbekomme, verdirbt mir zunehmend die Lust am Thema Vereinsgründung - zumindest in der geplanten Form...
Wenn Du mich fragst, war das zu erwarten. Eigentlich hatte ich ja gehofft, dass eines der Uralt-Mitglieder wenigstens bei Jimbo mal vorgefühlt hätte, als die Diskussion zum Theme Vereinsgründung hier aufkam. Offenbar war das aber nicht der Fall, also müssen wir die Suppe erst jetzt auslöffeln.
Ich sehe die Sache nämlich nicht ganz so locker wie vielleicht Kurt und Magnus, vielleicht weil ich Jimmy auch etwas anderes einschätze. Persönlich muss ich leider sagen, dass mir seine Gutsherrenmentalität ziemlich auf den Sack geht ("I hereby declare Kurt..."). Das ist nicht unbedingt das, was ich mir unter einer internationalen Zusammenarbeit vorstelle. Und da liegt im Moment glaube ich das Hauptproblem:
Die Wikipedia ist Jimmys Baby. (Was ist eigentlich aus Larry Saenger geworden?). Das Baby will er auf keinen Fall hergeben, und im Moment hat er Angst, dass ihm die deutschen Nutzer aus der Hand bzw. aus der Kontrolle rutschen. Dagegen wehrt er sich jetzt mit Händen und Füßen sowie mit einem heftigen Spiel auf Zeit.
Dennoch denke ich, dass wir hier eine eigenständige Organisation brauchen, die nicht am Rockzipfel von einigen Amerikanern hängt, die sich im Grunde nicht wirklich für die einzelsprachlichen Wikipedias sondern nur für die "große internationale" interessieren. Ersteres zumindest konnte ich nämlich bei Jimmy bislang ehrlich gesagt nicht feststellen. Das äußert sich meiner Meinung auch darin, dass er uns offenbar nicht zutraut, die Dinge selbst zu organisieren, hier eine Tochterorganisation der Foundation aufzubauen und dann in die Foundation vernünftig einzugliedern.
Ich habe überhaupt nichts dagegen, einen Verein in eine Mutterorganisation (Foundation) einzubetten, an die bspw. Berichtspflichten oder ähnliches bestehen. Ich bin aber zumindest persönlich nicht bereit, Zeit und Geld in eine Organisation zu stecken, über der ein Diktator thront, mag er auch noch so benevolent sein, der mir nach Lust und Laune Leute oder Regeln auf's Auge drückt. Und so lange de facto(!) nicht alle von den Vereinsmitgliedern auch an der Wahl bspw. Jimmys zum Vorstand der Foundation beteiligt sein werden, mit dem selben Stimmrecht wie jeder andere auch, kann sich ein Verein keinesfalls unter das Dach der Foundation begeben und von ihr irgendwelche Regeln akzeptieren. Dann muss Jimmy hier eben die Arbeit für seine Foundation alleine und ohne uns machen sowie riskieren, dass wir unser eigenes Ding eben alleine und ohne ihn machen.
Letztlich läuft es für mich momentan auf drei Alternativen raus:
entweder wir warten bis Juni, und versuchen Jimmy im persönlichen Gespäch nochmal klar zu machen, was wir wollen, was für uns akzeptabel ist (uns unters Dach der Foundation zu begeben) und was nicht (Kontrolle durch die Foundation ohne sämtliche Instanzen der Foundation demokratisch mitlegitimieren zu können). Wir können Basisgruppe sein, aber auf keinen Fall eine weisungsgebunde Außenstelle der Foundation-Verwaltung.
oder wir scheißen auf seine derzeitige Haltung, gründen jetzt, nennen uns Wikimedia, und regeln dann (als Verein und nicht mehr als Mailinglistenteilnehmer) das Verhältnis zur Foundation, wenn Jimmy im Juni hier ist
oder wir beißen in den sauren Apfel, gründen jetzt, nennen uns nicht Wikimedia (und dann bitte auch nicht "Freunde der Wikimedia", dafür brauchen wir den Verein nicht) sondern z.B. nur "Die Wikipedisten - Deutsche Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e.V.", schreiben in die Satzung als Vereinszweck die "Förderung einer Enzyklopädie, die im Moment auf den Rechnern der Wikimedia Foundation betrieben wird", treten eigenständig auf, betrachten die Foundation bloss noch als nützliches Vehikel, das kostenlos Serverkapazität bereitstellt und das der Verein deshalb zur Nutzung empfiehlt, verichten darauf, auch nur einen Cent an die Foundation abzuführen und riskieren so nicht nur die Spaltung, sondern haben sie dann auch schon vollzogen.
Wenn Ihr mich persönlich fragt, würde ich (im Moment noch) Variante eins bevorzugen.
Uli
Das von Ivo vorgebrachte Argument der Sprachbarriere als Hinderungsgrund für eine Mitwirkung in der Foundation kann ich ich übrigens voll unterschreiben (Danke), auch wenn Jimbo es in seiner Antwort schlicht ignoriert hat.
Wer immer möchte, darf meine hier getätigten Äußerungen übrigens gerne auf Wikipedia-l wiedergeben. Es juckt mir zwar in den Fingern, das selbst zu tun - aber die Gefahr, damit weitere Missverständnisse zu produzieren, ist mir zu groß.
Viele Grüße Arne
Ulrich Fuchs wrote:
Ich sehe die Sache nämlich nicht ganz so locker wie vielleicht Kurt und Magnus, vielleicht weil ich Jimmy auch etwas anderes einschätze. Persönlich muss ich leider sagen, dass mir seine Gutsherrenmentalität ziemlich auf den Sack geht ("I hereby declare Kurt..."). Das ist nicht unbedingt das, was ich mir unter einer internationalen Zusammenarbeit vorstelle.
Solche Aktionen irritieren mich zugegebenermaßen auch immer wieder. Auch meine Nachfrage, wie denn die Stiftungssatzung zustande gekommen ist, hat er schlicht ignoriert.
(Was ist eigentlich aus Larry Saenger geworden?).
Der hat das Projekt vor zwei Jahren recht schnell verlassen, nachdem Jimbo kein Geld mehr für den Posten des "chief editor" ausgeben wollte. Vor ca. einem Jahr wollte er dann ein Sifter-Projekt koordinieren (separater Review unserer Artikel durch Experten (wie diese bestimmt werden sollten war noch nicht klar)). Verlief dann aber im Sande.
Letztlich läuft es für mich momentan auf drei Alternativen raus:
[...]
oder wir scheißen auf seine derzeitige Haltung, gründen jetzt, nennen uns Wikimedia, und regeln dann (als Verein und nicht mehr als Mailinglistenteilnehmer) das Verhältnis zur Foundation, wenn Jimmy im Juni hier ist
[...]
Wenn Ihr mich persönlich fragt, würde ich (im Moment noch) Variante eins bevorzugen.
Mein Favourit ist Nummer zwei, allerdings würde ich trotzdem nicht auf Jimbos Meinung scheißen, sondern weiterhin versuchen ihn zu überzeugen. Aber um auch mal Klartext zu sprechen: Wenn Jimbo uns die Benutzung des Namens Wiki(p/m)edia untersagt hielte ich das für eine Frechheit. Ihm dürfte klar sein, dass er damit einen Split riskiert, und falls nicht müssen wir es ihm klar machen.
Die Vereinsgründung ist eh keine besonders glamouröse Angelegenheit, die Unterzeichnung eines Vertrages auf der Wizards of OS im Sommer macht da doch viel mehr her. Da könnte man sogar die Presse zu einladen ...
Und Arne: Bitte leg Deine Sorgen bei Seite und außere Dich auf wikipedia-l, wir brauchen dort noch mehr besonnene aber deutliche Stimmen, die unsere Position klar machen.
Und an alle: Bitte kein lautes Nachdenken auf wikipedia-l, neue Vorschläge bitte zunächst auf dieser Liste zur Diskussion stellen. Ohne einheitliche Position kommen wir sonst nie zu Potte.
Kurt
Kurt:
Wenn Jimbo uns die Benutzung des Namens Wiki(p/m)edia untersagt hielte ich das für eine Frechheit. Ihm dürfte klar sein, dass er damit einen Split riskiert, und falls nicht müssen wir es ihm klar machen.
Das Risiko liegt bei einem Split eigentlich weniger bei Jimbo als bei den Autoren der deutschen WP. Ein Split bedeutet ja nicht, dass plötzlich alle Autoren zum abgespaltenen Projekt wechseln, das wahrscheinlich nicht einmal mehr Wikipedia heißen dürfte. Das würde bedeuten, dass die Energie der deutssprachigen Autoren auf zwei unterschiedliche Projekte gelenkt wird, so wie das z.Z. im spanischsprachigen Bereich der Fall ist, und das ist *wirklich* schlecht. Der große Vorteil der Wikipedia gegenüber z.B. dem WWW ist doch, dass man die Information nicht an vielen Stellen suchen muss, sondern es für jedes Thema *einen* Artikel gibt, in den man alle zusammengetragenen Fakten schreibt und sich dabei um einen Ausgleich aller relevanten Meinungen bemüht.
Eine Abspaltung würde ich nur riskieren, wenn es einen sehr wichtigen Grund dafür gibt. Nur dann kann man auch die Mehrheit der Autoren davon überzeugen, zu wechseln. Ein schlechtes Beispiel ist auch da wieder die spanische enciclopedia libre, die - wenn ich das recht verstanden habe - sich nur deshalb abgespalten hat, weil über Werbung diskutiert wurde. Nun gibt es keine Werbung und dafür zwei spanische freie Online-Enzyklopädien.
An der Vereinsdiskussion habe ich mich bisher nicht beteiligt, weil ich sowieso kein Mitglied werden möchte. (Ich fühle mich in jeder Gruppe mit mehr als 2 Personen irgendwie unwohl, es sei denn, ich kann als feiger Anon mein Geschwafel absondern. :-) Trotzdem jetzt mal mein Senf dazu: Warum gründet ihr nicht wie geplant den Verein im Februar und unter einem Namen, der Wiki(p|m)edia nicht enthält. (Das ist gar nicht unbedingt notwendig. Die FSF enthält schließlich auch nicht "GNU" in ihrem Namen, obwohl "GNU" bekannter ist.) Die Satzung sollte gemeinnützigkeitskompatibel sein, die Anerkennung der Gemeinnützigkeit aber noch nicht beantragt werden, weil das, wenn ich das richtig sehe, Geld kostet. Spenden werden bis zum Sommer noch nicht über den Verein gesammelt, vielleicht auch keine Mitgliedsbeiträge (es gibt ja eigentlich auch keine Ausgaben, oder?). Im Sommer verhandeln Vertreter des Vereins mit Jimbo, und dann gibt drei Optionen:
1. Es ergibt sich eine offizielle Beziehung zwischen der Wikimedia-Stiftung und dem Verein. Der Verein beantragt die Gemeinnützigkeit, sammelt Spenden und führt sie z.T. an die Stiftung ab. Evtl. ändert der Verein seinen Namen, so dass Wiki(p|m)edia darin vorkommt.
2. Die Stiftung gründet eine Niederlassung, beantragt selbst Gemeinnützigkeit und der Verein löst sich auf bzw. geht in der Niederlassung auf.
3. Die Stiftung gründet eine Niederlassung. Diese und der Verein beantragen beide Gemeinnützigkeit und sammeln nebeneinander Spenden.
Selbst Punkt 3 würde nicht zwangsläufig einen Split bedeuten. Nur müsste für die doppelte Beantragung der Gemeinnützigkeit mehr Geld ausgegeben werden, und organisatorisch wäre alles umständlicher (aber Jimbo würde sicherlich Leute hier finden, die den Job für die Niederlassung übernehmen würden, oder nicht? ;-)
Dadurch, dass Jimbo zum Warten bis zum Sommer aufgefordert hat, hat er doch deutlich gemacht, dass er auf die Spenden aus Deutschland momentan nicht angewiesen ist, und das ist ja auch richtig, wenn man bedenkt, wieviel Anfang des Monats zusammengekommen ist. Also sehe ich kein Problem darin, erst im Sommer mit dem Spendensammeln zu beginnen. Alle anderen Vereinszwecke lassen sich doch auch ohne den Gemeinnützigkeitsstatus erreichen und liefern keinen Ansatz zum Streit mit Jimbo.
Es dürfte doch auch möglich sein, schon bei der Gründungsversammlung zu beschließen, dass im Sommer von einem Vorstandsmitglied die Gemeinnützigkeit beantragt wird, falls der Verein sich nicht vorher auflöst. Nur im Fall der Auflösung wäre dann eine weitere Versammlung im Sommer notwendig (Punkt 2).
Interessant ist auch noch die Ankündigung auf der technischen Liste, dass Jimbo eine Vereinbarung mit einer europäischen Institution (http://www.egs.edu/) zum Betrieb eines Proxys getroffen hat. Leider hat er keine näheren Einzelheiten bekannt gegeben und auch vorher niemanden dazu befragt. Er hatte aber mal allgemein davon gesprochen, dass ihm europäische Angebote vorlägen, die Wikipedia in Europa zu hosten.
Von EGS hab ich bislang noch nie etwas gehört, aber einige von deren Mitgliedern kommen einem ja wenigstens bekannt vor (z.B. Slavoj Zizek, woher kenne ich den bloß ...)
El