Der BV Phono meldete heute in einer Pressemeldung (wieder einmal), eine Verlängerung der Schutzfristen für Musikaufnahmen sei erforderlich.
Damit keine Mißverständnisse entstehen: Hier geht es nicht um den Ablauf von Urheberrechten, sondern wohl ausschließlich um *Leistungsschutzrechte*, also beispielsweise solche Leistungen, die nach Par. 2 UrhG keine persönlichen geistigen Schöpfungen sind und nicht die notwendige Schöpfungshöhe eines Werkes erreichen. Leistungsschutz und Urheberschutz verfolgen zumindest teilweise unterschiedliche Zielsetzungen. Typische Vetreter, denen Leistungsschutzrechte zustehen können, sind beispielsweise "Tonträgerhersteller, Sendeanstalten, Lichtbildner und Filmhersteller" (Homann 2001: 123).
Der BV Phono drückt aber auf die Tränendrüse ("die armen Künstler"), was aber ziemlicher Unsinn sein dürfte; Leistungsschutzrechte, die bei uns nach 50 Jahren ablaufen, betreffen nur Kinder-Künstler, die den Rest ihres Lebens nichts mehr getan haben. Außerdem mogelt die Pressemitteilung jetzt plötzlich den Begriff "Urheberrechte" in die Mitteilung (und die laufen, wie wir alle wissen, erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers ab):
"Bereits heute müssen viele Künstler zusehen, wie ihre frühen Musikaufnahmen den Urheberrechtsschutz verlieren. Sie sollten aber das ganze Leben gerechte Vergütungen aus ihren Musikeinnahmen beziehen können", erklärt Gerd Gebhardt, Vorsitzender der deutschen Phonoverbände. "Es ist unverständlich, dass diese Musikaufnahmen in Europa weniger geschützt werden als in vielen anderen Ländern der Welt. Auch die Musikunternehmen brauchen deswegen eine Verlängerung der Schutzfristen für Musikaufnahmen von 50 auf 95 Jahre."
Kurzfassung: Die Plattenfirmen möchten ihre Leistungsschutzrechte faktisch verdoppeln. Wie gesagt, dies alles hat nicht mit den Urheberrechten zu tun, die unabhängig davon existieren.
"Während innerhalb der EU eine Schutzdauer von 50 Jahren für die Leistungsschutzrechte an Musikaufnahmen gilt, weist das Urheberrecht in zahlreichen anderen Staaten bereits eine deutlich längere Schutzfrist auf. So gewähren u.a. die USA (95/120 Jahre), Mexiko (75 Jahre), Australien, Chile, Brasilien, Peru, die Türkei (je 70 Jahre) und Indien (60 Jahre) bereits einen deutlich längeren Schutz. Weltweit ist die Notwendigkeit erkannt worden, die Schutzfristen zu verlängern. [...]"
Beispiel: Die 498 Aufnahmen von [[Enrico Caruso]] (gest. 1921) sind durch Leistungschutzrechte geschützt, Caruso hat aber keine Urheberrechte an den Aufnahmen, da er nur Interpret ist (ausübende Künstler erhalten daher auch Vergütungen über die GVL und nicht über die GEMA wie die Urheber). Die Leistungsschutzrechte für Carusos fiktive letzte Aufnahme liefen 1921+50 (also 1971) ab; bei einer Verlängerung der Leistungsschutzrechte auf 95 Jahre würden die Leistungsschutzrechte an den Aufnahmen ausgeweitet werden auf das Jahr 2016. Die Plattenfirma würde in diesem fiktiven Beispiel also nicht nur 50 Jahre nach Tod des Interpreten profitieren, sondern 95 Jahre. Neben den Plattenfirmen profitieren von diesen Leistungsschutzrechten allenfalls noch Carusos drei Kinder, Rodolfo und Enrico sowie die Millionärstochter Gloria von dieser Ausweitung der Leistungsschutzrechte.
Eine Ausweitung der Leistungsschutzrechte würde zahlreiche Wikimedia-Projekte tangieren, so beispielsweise unmittelbar die Commons, Wikisource und Wikiquote. Betreffen würde dies vermutlich auch Nachdrucke und Digitalisate von gemeinfreien Werken.
MfG -asb
Agon S. Buchholz schrieb:
Der BV Phono meldete heute in einer Pressemeldung (wieder einmal), eine Verlängerung der Schutzfristen für Musikaufnahmen sei erforderlich.
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Der BV Phono drückt aber auf die Tränendrüse ("die armen Künstler"), was aber ziemlicher Unsinn sein dürfte; Leistungsschutzrechte, die bei uns nach 50 Jahren ablaufen, betreffen nur Kinder-Künstler, die den Rest ihres Lebens nichts mehr getan haben. Außerdem mogelt die Pressemitteilung jetzt plötzlich den Begriff "Urheberrechte" in die Mitteilung (und die laufen, wie wir alle wissen, erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers ab):
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Kurzfassung: Die Plattenfirmen möchten ihre Leistungsschutzrechte faktisch verdoppeln. Wie gesagt, dies alles hat nicht mit den Urheberrechten zu tun, die unabhängig davon existieren.
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Eine Ausweitung der Leistungsschutzrechte würde zahlreiche Wikimedia-Projekte tangieren, so beispielsweise unmittelbar die Commons, Wikisource und Wikiquote. Betreffen würde dies vermutlich auch Nachdrucke und Digitalisate von gemeinfreien Werken.
Wikimedia e.V. könnte ja auch mal eine (richtigstellende) Pressemitteilung herausgeben. Möglicherweise können sich andere Initativen auch beteiligen. Formulierungsvorschläge und weitere Ideen für Lobbyarbeit für Freie Inhalte sind gerne gesehen!
Gruß, Jakob