Vor genau einem Jahr kam es zum ersten dokumentierten Kontakt zwischen Wikipedianern und Mitarbeitern des Verlages Bibliographisches Institut F.A. Brockhaus. Ein Wikipedianer hatte eine Liste mit Begriffen auf seine Nutzerseite gestellt, die einen Teil des Inhaltsverzeichnisses eines kleineren Brockhaus-Bandes bildeten. Extrem kurze Zeit später traf eine freundliche und bestimmte Mail eines leitenden Angestellten von Brockhaus ein, der die Löschung der Liste forderte. Es sei Zeichen des Wohlwollens gewesen, nicht gleich zu Anwälten zu rennen. Außerdem sei es mit den Lexika ja wie mit den Kugelschreibern. Es gebe kostenlose Plastikschreiber auf der Messe und teure im Laden und beide Märkte vertrügen sich. Die Liste wurde schnell gelöscht und man verfasste kollaborativ eine Antwort an Brockhaus. Freundlich. Außerdem verbunden mit einer Einladung, sich doch auf der WOS03 zu treffen. Erwähnter Mitarbeiter konnte selbst nicht, schickte aber ein Mitglied seines Teams dorthin. In den nächsten Wochen wurde ein Treffen im Brockhaus-HQ in Mannheim vorbereitet, das dann auch irgendwann stattfand. Zwischenzeitlich waren wir über 100.000 Artikel geklettert und bei heise waren einige nette Artikel über Wikipedia erschienen.
Das Treffen in Mannheim war insofern ein Erfolg, als dass wir uns dort ein wenig umsehen konnten, man uns einige spannende Dinge zeigte und letztlich über einige Dinge reden konnte. Missverständnisse wurden nur bedingt ausgeräumt, die kulturelle Kluft war trotz einiger Symboliken sehr deutlich.
In den nächsten Monaten gab es immer wieder einzelne Dialoge. Unvergesslich ist der Satz beim ersten Mannheimer Treffen aus dem Brockhaus-Lager “Wir haben im letzten Jahr jeden relevanten Vergleich zwischen deutschsprachigen Lexika auf CD-ROM/DVD gewonnen”. Ein Jahr später können wir das in etwa auch sagen. Wikipedia zog - bezogen auf die Artikelqualität - Brockhaus und Encarta im ct-Test und im ZEIT-Vergleich ab. Die methodischen Schwächen des Tests sind jetzt mal zu ignorieren, wenn sie zu Gunsten von Brockhaus ausfallen, stört es auch niemanden.
In der Summe haben sich die meisten schönen Ansätze mit Brockhaus zerschlagen. Der Rückzieher kam dabei grundsätzlich aus Mannheim und in vielen Fällen trotz einer positiven vorherigen Aussage. Der Rückzug aus einem substanziellen Dialog ist dabei koordiniert.
Zu den möglichen Ursachen (z.B. “Wikipedia war süß, solange es nur als Hobby von aussen angesehen wurde”) lässt sich wenig mit Bestimmtheit sagen. Tiefenpsychologisch kommt man zu den Traumata, die sich der Verlag im Internet geholt hat und die das Ausmaß des Scheiterns vielleicht noch krasser offenbaren, als es die eigenen Bilanzen tun.
Ein Teil der Anspannung aus Mannheim konzentriert sich um die 21. Auflage der Enzyklopädie. Für den Verlag bedeutet dieses Projekt einiges und die personellen und letztlich auch die finanziellen Aufwendungen scheinen recht hoch zu sein. Die vage Hoffnung, daß man dort ab Herbst 2006 wieder Vernunft angenommen hat, ist sicherlich kein besonderer Trost.
Solange der Verlag seine sorgsam aufgebauten Marketingflunkereien als branchenübliche Methoden deklariert, wird eh jeder Dialog problematisch sein. Ob es nun das Vertrauen in Texte, die Leistungsfähigkeit der Texte, die Prioritätensetzung, die verfügbare (Wo-)menpower ist. Ob es sich um die eigene Firmengeschichte handelt oder auch sonst etwas, das der Verlag in den letzten Jahren durch das Zerrspiegellabyrinth geschickt hat. Die Theorie, wonach ein Wechsel der policy erst mit einem Wechsel der Personen möglich ist, darf ruhig widerlegt werden.
Ich freue mich über jemanden, der ein positiveres Bild davon zeichnen kann. Wenn jemand Namen vermisst, so hatte das Methode.