At 13:03 09.01.05 +0100, Daniel Arnold wrote:
Am Sonntag, 9. Januar 2005 12:12 schrieb Katharina Bleuer:
Solche technischen Zusätze sind aber doch viel bequemer als soziale Lösungen für soziale Probleme. Letztere haben nämlich den grossen Nachteil, dass sie ein gewisses Engagement verlangen - insbesondere ein committment für die Wikipedia, aber auch ein Eingehen auf die anderen Schreiberlinge. Wieviel einfacher ist es doch für uns Soziopathen, uns hinter technischen Lösungen zu verstecken. Das erspart es uns nämlich, die anderen Autor/innen als Menschen sehen zu müssen, die noch lernen müssen und - sehe und staune
- in den meisten Fällen tatsächlich lernbereit sind!
Genau auf diesen Einwand habe ich gewartet. Ich habe in der Vergangenheit in der Wikipedia selber mich sehr bemüht Konflikte auf soziale Art und Weise zu lösen und habe zugesehen, wie es andere machen.
Das Problem ist: a) Wir alle machen Fehler und sind keine Engel auch wenn ein paar unverbesserliche Leute das verlangen und dann denken sie könnten sich alles erlauben, wenn bspw. ein Admin mal einfach mit seiner Geduld am Ende war oder nen schlechten Tag erwischt hat.
Das ist richtig. Dazu kann ich nur eines sagen: Man verliert sehr viel weniger schnell die Nerven, wenn man von den Kollegen Rückendeckung bekommt statt betretenes sich-nicht-einmischen-wollen bzw. Schüsse in den Rücken. Man verliert auch sehr viel weniger schnell die Nerven, wenn man sich nicht völlig allein auf weiter Flur fühlt.
b) Im Internet lassen sich bestimmte Problem per se nicht durch soziale Interaktion lösen, weil über Internet kein persönliche Kommunikation von Auge zu Auge passiert. Persönlich ließen sich manche dieser Probleme sicher schnell lösen, aber wir sind nunmal ein Internetprojekt.
Das ist ein weit verbreiteter Fehlschluss. Erstens ist Wikipedia nicht "das Internet". Zweitens ist eine Internetcommunity ''immer'' und in jedem Fall ein *soziales* System. Eines mit seinen eigenen, mediumbasierten Besonderheiten - wie auch der Kaninchenzüchterverein seine eigenen Besonderheiten hat - aber es ist hundertprozentig ein soziales System. Was Wikipedia von anderen sozialen Systemen unterscheidet, ist die Offenheit einerseits und die Unverbindlichkeit andererseits, die beide durch das Kommunikationsmedium bedingt sind. Auf diese beiden Punkte (es gibt noch andere, aber diese scheinen mir die Wichtigsten) muss man bei der Suche nach funktionierenden Lösungen für die anstehenden Probleme Rücksicht nehmen, aber die Lösungen können IMO nur sozialer Natur sein.
c) Jede mit irgendwelchen durchdrehenden Vandalen vertane Minute von der so notwendigen Artikelarbeit abgeht.
Das ist richtig. Es wäre schön, wenn was diesen Punkt betrifft, die Admins tatsächlich die "geschlossene Front" bilden würden, die uns manchmal von solchen Individuen vorgeworfen wird. Dann könnte man die dadurch entstehenden Probleme nämlich schnell und effizient beseitigen.
d) soziale Interaktion wesentlich besser funktioniert, wenn sie nicht überbetont und überbelastet wird wie es momentan der Fall ist.
Sie wird weder überbetont noch überbelastet. Sie könnte wunderbar funktionieren, wenn man Prioritäten setzen würde, statt sich in irrelevanten Nebenschauplätzen aufzureiben. Dazu gehören insbesondere die unfruchtbaren und extrem energiefressenden Streitereien zwischen Admins und/oder "opinion leaders".
Dann existieren noch Probleme innerhalb der motivierten Schreiber:
Die eine Fraktion will alles behalten und alles sozial lösen. Die andere Fraktion radikal "aufräumen" und eine starke Hierarchie aufbauen.
Die dritte Fraktion will radikal aufräumen und Problem sozial lösen. Die vierte Fraktion will eine starke Hierarchie und überhaupt nicht aufräumen. Die fünfte Fraktion sieht keine Probleme. Die sechste Fraktion will alles schleifen lassen. Es gibt etwa 5 Millionen Grautöne. Wie gesagt: Das einzige was wir wirklich tun können ist, uns auf die gemeinsamen Ziele zu einigen - und uns immer wieder an diese zu erinnern - und dann jede/r auf seine/ihre Art darauf hinarbeiten. Es gibt Millionen von Wegen, die nach Rom führen und jeder ist richtig.
Diesen Streit können wir uns nicht leisten! Wir sollten alle anerkennen, dass keiner (!) in diesem Fall von seinem Standpunkt abweicht, dieser Streit sich also noch in alle Ewigkeit fortziehen könnte und letztlich nichts als unnötigen Ärger verursacht und wohl letztlich zu einem Fork der Wikipedia führen würde.
Es wird immer wieder Forks geben. Daran stirbt die Wikipedia nicht. Konflikte wird es in einem sozialen System immer geben. Sie sind nötig. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Und wenn man sie mit Respekt für den Anderen, auf argumentativer Ebene und ohne persönlich - auch ohne Behauptungen über was Andere "immmer tun" usw. - zu werden ausdiskutiert, können auch Tausende von Menschen mit unterschiedlichen Ansichten über das "wie" auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten.
Genau aus diesem Grund habe ich gesagt: Hey wir müssen endlich zu Potte kommen und uns hier zusammenraufen und die bestmöglich, aber nicht perfekte Lösung für alle schaffen, die das wichtigste Prinzip, die Offenheit von Wikipedia (die uns zum Erfolg geführt hat) nicht aufgibt. Und das was ich immer und immer wieder vorschlug ist so eine Lösung, nicht perfekt aber das beste was wir kriegen können ohne einen Fork. (Eben weil diese Lösung nichts wirklich verhindert also per se offen ist, die Leute bei der Hand nimmt und man hoffentlich dann beim Diskutieren mit anderen nicht immer und immer wieder mit den einfachsten Dingen anfangen muss, sondern mit denselben Leuten gleich auf einem höheren Level anfangen kann oder zumindest doch mit einer größeren Menge von Leuten, alle wird man damit nie erreichen.)
Wie ich in einem ganz anderen Zusammenhang bereits gesagt habe: Wir brauchen keine neuen Lösungen. Wir müssen nur endlich mal damit anfangen, die vorhandenen Möglichkeiten, Lösungen und Werkzeuge effizient und konsequent zu nutzen.
Die andere Idee mit den verschiedenen namensräumen ist im Grunde auch ein solcher Versuch und ich finde es mehr als nur kontraproduktiv wenn manche (nicht du) sie mit Sarkasmus, Spott und ätzender unsachlicher Kritik schlecht machen wollen.
Ich halte die Idee weder für produktiv noch für sinnvoll.
Grüsse, Kat