Bodo Wiska wrote:
Magnus, die Argumente für eine presserechtlich und moralisch glaubwürdige Betriebsorganisation (ein Projekt ist es nicht, da nicht zeitlich begrenzt), kann doch aus Deiner Sicht nicht gierig und unqualifiziert wirken, wenn wir dabei auf Konsens achten, diplomatische Formulierungen wählen und darauf aufmerksam machen, Argumente zu sammeln die letztlich dazu führen sollen das erreichte effektiver zu fördern!
Falls es nicht klar geworden ist: Ich habe /absolut kein Problem/ mit einem "Freunde der Wikipedia e.V.". Vielleicht würde ich sogar selbst Mitglied werden. Und ich begrüße alle Bemühungen, eine offizielle deutsche Wikimedia-Sektion einzurichten, /solange dies von der der wikimedia foundation aus/ betrieben wird. Was ich kritisiere, ist der unbeholfene, überhastete, und durchaus gierig wirkende Versuch von ein paar Leuten, sich selbst als Vertreter der wikimedia foundation in Deutschland hinzustellen, bei Jimbo den sofortigen Transfer entsprechender AUtorität zu fordern und dann über bie bösen Amis zu heulen, wenn sie den Lutscher nicht pronto kriegen.
So wie Du das beschreibst, liest sich das als ob es hier darum ginge leckeren Kuchen zu verteilen. Dabei hätten die Leute, die sich im Verein organisieren wollen es sicher einfacher sich auf ihre Admin-Arbeit (der Begriff ist immer noch ungünstig gewählt) zu konzentrieren und ihre Zeit nicht damit zu verbringen zu erklären warum es von Vorteil ist ein Teil des Betriebes zu sein, den man ernährt und nicht ein Wasserträger für fremde Dörfer (die Metapher brachte ich bereits).
Um bei den Metaphern zu bleiben: Das Internet ist das "globale Dorf", in dem wir alle Tür an Tür existieren. Wenn wir also Wasserträger sind, dann für dieses eine Dorf. Alle, die an der Wikipedia mitwirken, arbeiten (letztendlich) für die wikimedia foundation. Amis, Deutsche, Japaner, alle. Ob es nun eine deutsche/japanische/etc. Subsektion der foundation gibt, spielt doch nun wirklich keine Rolle, wenn ich einen Artikel bearbeite. Und das ist doch schließlich, wozu wir hier sind, oder? Wer hier ist, nur um was zu verwalten, der sollte sich lieber als Kandidat für die Leitung der Bundesanstalt für Arbeit bewerben ;-)
Abgesehen davon, Magnus, vermisse ich bei Deinem Posting substanzielle Argumente dafür, dass Leute die ihre Zeit und ihr Geld einbringen sich dabei auch gleichzeitig wie kleine Kinder benehmen *müssen*, wenn sie für ein Gleichgewicht von Verantwortung und Mitbestimmung kämpfen. Dass so ein Kampf wie gesagt mit der notwendigen Vorsicht verbalisiert werden sollte, hast Du doch sicher auch gelesen, oder? Ich vermisse bei Deiner Gefühlsäußerung etwas die Nutzwerte einer international nichtbeteiligten nationalen Organisation.
Szenario: Ich bin ein deutscher Internet-Surfer, der (zufällig) auf die Wikipedia gestossen ist. Ich finde das alles ganz toll, und möchte helfen. Ich kann Artikel schreiben und verbessern. Ich kann aber auch spenden. "Freunde der Wikipedia e.V." bietet mir eine Möglichkeit, bequem auf einem deutschen Konto zu spenden, mit dem Wissen, dass mein Geld auch das Projekt erreicht, und nicht von einem bürokratischen Wasserkopf für Mitgliedstreffen im Adlon oder Beraterverträge verheizt wird. Denn das gesamte Geld (evtl. abzüglich eines kleinen Betrages, um den Verein am Laufen zu halten, sprich: Briefmaken etc;-) geht an die wikimedia foundation. Szenario: Ich arbeite für eine Zeitung/Zeitschrift und möchte einen Artikel über Wikipedia schreiben. Der Link zu "Freunde der Wikipedia e.V." gibt mir eine Kontaktstelle. Nutzwert genug? Sonst fallen mir bestimmt noch ein paar ein...
Oder meinst Du wirklich, dass, wenn wir nun gar nichts machen, in ein paar Monaten alles anders ist als es JETZT in USA festgeschrieben wird? Ist das nicht ein wenig naiv? Ohne dass man sich mitteilt merkt doch dort kein Mensch, dass es Probleme geben kann mit einer abgekoppelten nationalen Organisationsstruktur. Mein Szenario mit Japan ist doch nur ein Beispiel, warum es wichtig sein kann Selbstbestimmung zu etablieren.
Ich glaube, es wäre eher naiv, auf die Schnelle eine deutsche Sektion durchzudrücken (gesetzt den Fall, das wäre hinzukriegen), und dann auf Friede Freude Eierkuchen zu hoffen. Ein loses Konglomerat aus National-Wikipedias wird enden wie die UN: Viel Gerede, aber keine Einigung auf irgend etwas Bedeutsames, und am Ende kocht jeder sein eigenes Süppchen. Viel sinnvoller ist es, wenn Entscheidungen auf dem "wikimedia board" (oder so), bestehend aus Vertretern der einzelnen Sprachen, gemeinsam getroffen und dann gemeinsam umgesetzt werden.
Gut finde ich, dass jetzt langsam mal eine echte Diskussion zustande kommt. Je fundierter wir uns formulieren, desto besser kann man die Emotionen aus dem Prozess heraushalten, finde ich.
Letztendlich läuft es darauf hinaus, ob wir Jimbo vertrauen, uns freiwillig ein angemessenes Mitspracherecht an der Wikimedia-Gruppe zu geben. Ich persönlich habe daran nicht den geringsten Zweifel. Er hat seit der Wikipedia-Gründung alle Fäden in der Hand, hat seine Macht aber zu keinem Zeitpunkt missbraucht. Er hat allen Beteiligten jede Freiheit bei der Verwaltung des Projekts gelassen, von essentiellen Teilen (z.B. NPOV) mal abgesehen. Er hat unglaubliche Mengen Zeit, Geld und Energie in die Wikipedia investiert. Jetzt hat er beschlossen, die Macht (zumindest teilweise) an Beteiligte abzutreten. Dabei achtet er aber darauf, nicht überstürzt zu handeln und "die Familie" zusammenzuhalten. Mir persönlich ist das irgendwie lieber als "macht doch, was ihr wollt".
Grade seh' ich eine mail von Jimbo auf wikipedia-l. Zitat: "We are a single unified international project. There are policies which are global, and the Foundation will defend those policies.". Darum geht es. Das Ziel für Wikipedia war und ist, eine freie Enzyklopädie zu werden. In allen Sprachen. Damit sich an diesem Ziel nichts ändert, muss die Kontrolle über grundsätzliche Fragen an *einem* Ort liegen. Das Gremium, welches über diese Fragen entscheidet, ist dann natürlich multinational/multilingual. Aber es kann nicht sein, dass die deutsche Wikimedia die Freiheit hätte, de.wikipedia zu einer Witzesammlung umzubauen. Übertrieben, zugegeben, aber was, wenn wir z.B. langfristig entscheiden, den NPOV /ein wenig/ zu verbiegen? Der Widerstand gegen solche "Anpassungen" wäre in einer autarken Sprach-Gruppe um einiges geringer als in einer internationalen. Kleine Änderungen in der "Lokalpolitik" einzelner Sprachen könnten das Projekt insgesamt stark verzerren oder, mit der Zeit, auseinanderreissen. Wie leicht so was passiert, kann man am Beispiel der spanischen Gruppe sehen, die sogar einen fork in Kauf genommen haben.
Ich hoffe, meine Position ist etwas klarer geworden.
Magnus
P.S.: Und ich nenn' Wikipedia doch "Projekt"! ;-)