Hallo Philipp,
auch von mir: Danke für die vielen wahren Worte!
Du hast das Wort "Bürokratie" zwar vermieden, weil es recht negativ besetzt ist, aber ich zitiere mal aus der Wikipedia zu Max Webers Bürokratiebegriff:
Im Gegensatz zur traditionalen und charismatischen Herrschaft verhindert die Bürokratie Bevorzugung oder Benachteiligung Einzelner in Form von willkürlichen Entscheidungen, weil sich alle an die gleichen und rational begründeten Spielregeln, bzw. Gesetze (eine gesetzte Ordnung) halten müssen. Der Bürokratiebegriff Webers ist somit ein positiver.
Und ich stimme Dir voll zu, dass die Transparenz von Entscheidungen für den Betroffenen von grundlegender Wichtigkeit ist, und dass wir hier und bei der Gleichbehandlung derzeit unsere größten Schwächen haben.
Allerdings glaube ich, dass die konsequentere Niederschrift tradierter Vorgehensweisen uns nur begrenzt weiterhelfen wird. So gibt es meiner Einschätzung nach bei der Löschprüfung, und noch mehr bei den Benutzersperrungen, noch immer keinen etablierten Konsens. (Ist bspw. eine Benutzersperrung eine Sanktion, eine Erziehungsmethode oder doch nur ein rein pragmatischer Eingriff? Diese Unterscheidung bestimmt, welche Zeitskala bei einer Sperrung überhaupt herangezogen wird.) Nichtsdestotrotz ist es sicher sinnvoll, durch die schriftliche Festlegung von Regeln in diesen Bereichen einen Konsens - nach sicherlich vielen Wochen der Diskussion - herbeizuführen; hat ja in anderen Bereichen auch geklappt.
Soviel zur Gleichbehandlung. Dass Entscheidungen hierdurch schon transparenter werden glaube ich allerdings nicht. In sehr vielen Fällen wird der betroffene Nutzer überhaupt nicht wissen, auf welcher Grundlage eine Entscheidung gefällt worden ist und wo diese nachzulesen wäre. Im direkten Gespräch lässt sich vieles aufklären. Wenn man den Leuten am Rechner zeigt, dass z.B. die Begründung eines Reverts in der Versionsgeschichte nachgelesen werden kann, wie viel Hinschmalz in die Ausarbeitung der Relevanzkriterien geflossen ist und wo über die Löschung ihres Artikels diskutiert worden ist, so wird die getroffene Entscheidung meist akzeptiert - und manchmal sogar verstanden ;-)
Mal exemplarisch ein konkreter Fall, der mir kürzlich untergekommen ist: Ein Dozent hat mit seinem Kurs im Lauf eines Semesters einen langen Artikel zu einem pädagogischen Thema erstellt. Am Ende des Semesters wurde der Artikel in die Wikipedia eingestellt. Er kassierte einen Löschantrag und wurde später gelöscht. Einer der Studenten, der sich während eines Wikipedia-Vortrags von mir zu Wort meldete und den Fall schilderte, sagte, man hätte damals nur mitbekommen, dass der Artikel plötzlich verschwunden sei. Von der Löschdiskussion hatte er (und wohl auch die übrigen Teilnehmer) nichts mitbekommen. Als ich dann die Löschdiskussion und auch den gelöschten Artikels selbst zeigen konnte wurde klar, dass der Text viel zu essayistisch abgefasst worden war. Nach ein paar weiteren Erläuterungen hatte ich das Gefühl, dass die Entscheidung von den meisten Anwesenden für richtig befunden wurde.
Aber dieses An-die-Hand-nehmen wird in der Wikipedia derzeit zu wenig geleistet - zum einen, weil die Ressourcen dafür fehlen, zum anderen aber auch, weil es einfach nicht üblich ist.
Viele kleinere Hürden, wie etwa der ständige Gebrauch der WP:Irgendwas-Abkürzungen ohne eine Verlinkung, sind weitere Knüppel zwischen den Beinen neuer Autoren. Zum Problem der gewachsenen Einstiegshürden hatte ich heute auch schon was geschrieben: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Kurier#R.C3.BCckgang_bei_n...
Viele Grüße Kurt