Ulrich-
- entweder die Foundation ist die juristische Entität, in der sich die
Community organisiert - dann sollte sie entsprechend bottom-up demokratisch organisiert und legitimiert sein
- oder die Foundation ist eine Stiftung des Gründers Jimmy, die die
zukünftige Verwirklichung seiner gemeinnützigen Ideen sichern soll - dann darf sie völlig zu recht autokratisch organisiert sein. Aber dann darf sie nicht die Community vertreten.
Juristisch darf sie das sehr wohl, das geschieht auch bei zahlreichen anderen Community-Projekten, die autokratisch geführt sind. Ob das wünschenswert ist, ist in der Tat eine andere Frage. Ein Übergang zu unserem Wunschziel einer demokratischen Organisation kann aber auch graduell stattfinden und muss nicht über Nacht geschehen.
Jimbo ist kein Demokrat, das steht außer Zweifel. Seine politischen Wurzeln liegen im Objektivismus bzw. Libertarismus, also der Ablehnung staatlicher Autorität zum Wohle einer total freien Marktwirtschaft (das gleiche gilt übrigens für Wikipedia-Mitgründer Larry Sanger). Der Libertarismus wurde und wird in den USA als Gegenideologie zum Sozialismus gefördert und erfreut sich deshalb unter Intellektuellen großer Beliebtheit.
Nur mit Mühe habe ich Jimbo in der Anfangsphase des Projekts überzeugen können, so etwas wie Abstimmungen überhaupt zuzulassen. Als ich nach Gründung der Wikimedia-Stiftung vorschlug, auch an EU & Co. zwecks Fördermitteln heranzutreten, lehnte er dies aus moralischen Gründen ab. Mittlerweile haben wir zahlreiche Abstimmungen hinter uns, und ich bin sicher, auch die Ablehnung von öffentlichen Geldern wird sich irgendwann umkehren, schließlich dreht sich gerade beim Libertarismus alles ums Geld.
Bei all dem darf man nicht vergessen, dass Jimbo bei den meisten Entscheidungen keine Rolle spielt. Zu Zeiten Larrys war das anders, aber selbst er konnte sich in die Verhältnisse der nichtenglischen Wikipedias kaum einmischen.
Nichtsdestotrotz stimme ich zu, dass demokratische Reformen notwendig sind. Die Wahlen für den Stiftungsvorstand sind ja ein erster Schritt in diese Richtung. Dass dabei zwei Sitze bereits durch weitgehend unbekannte Bomis-Mitarbeiter besetzt sind, finde ich bedauerlich, ist aber ein Zugeständnis an die Tatsache, dass Bomis unter Jimmys Führung Tausende von Dollar in Wikipedia gesteckt hat, inkl. einem Monatsgehalt an Larry Sanger bis März 2002. In einem Newsweek-Interview war sogar von 500.000 Dollar die Rede, was wohl durchaus hinkommt, wenn man Wikipedia und Nupedia zusammenrechnet.
Bei solchen Geldsummen können wir sehr, sehr froh sein, dass das Projekt nicht von Anfang an völlig kommerzialisiert und proprietarisiert wurde. Jetzt also gleich "Revolution" zu schreien (der alberne Vergleich mit 1789 kam von Dir) finde ich reichlich unpassend.
Statt dessen können wir uns gerne auf eine einfache Forderung einigen: Spätestens nach dem ersten Jahr muss mindestens die Hälfte des Vorstands aus der Community gewählt werden. Das erscheint mir realistischer.
MfG EMÖ