Ulrich Fuchs wrote:
Bullshit. EB kritisiert, daß wikipedia zu viele Informationen hat.
Nein, das tut sie nicht. Sie kritisiert, dass die Gewichtung nicht stimmt,
ich unterbreche hier schon einmal. Nehmen wir das Beispiel "Enzyklopädie der Neuzeit" (diese Kollegen habe ich richtig liebgewonnen). Band 1 erscheint Mai 2005. Wenn ich mir jetzt also deren Inhalte anschaue, kann ich natürlich kritisieren, daß deren Gewichtung nicht stimmt, da ist viel zu viel A und viel zu wenig Z.
Wikipedia beruft sich darauf (und sollte es eine ganze Weile noch tun), daß wir im Aufbau begriffen sind. Insofern ist jede Kritik zur Lemmagewichtung erwünscht und auch zur Frage, ob man an dieser "Wenn X 20 Zeilen bekommt, dann muß aber Y auch mindestens 20 Zeilen bekommen" - so wurde es uns in Mannheim erklärt -Logik endlich den Hals umdrehen kann. In dem Moment, wenn jemand schreit "ha, wir sind fertig", dann heisst es sicherlich Feuer Frei für solche Argumente.
Die EB kritisiert aber, wenn man diesen Punkt zum gegenwärtigen Zeitpunkt als lächerlich abwischt, nur, daß unsere Inhalte zur Trash der Zeitgeschichte, also Coronation Street zu breit sind. Das lässt sich darauf reduzieren, daß sie die Menge kritisieren. Soviel Vereinfachung muss sein. Vor allem ist dies ein Hebel zur Verächtlichmachung der Jungs, denn der Einwurf ist kein anderes als ein "look, something shiny over there". In dem Moment, in dem sie einmal Helmut Birne mit Helmut Birne vergleichen und nicht Gemüse, kommen wir der Sache ein wenig näher.
Das Gewichtungsargument wird akut, wenn wir in den Print gehen wollen oder wenn wir mehr Text haben, als auf eine DVD passt. Such dir aus, was eher kommt.
dass ein überproportional starker Anteil der Wikipedia und vor allem der Arbeit, die in Wikipedia reingesteckt wird, eben nicht "allgemeines Wissen" sondern "aktuelle Nachrichten" sind, und da hat sie recht.
Im Prozess? Natürlich. Im Effekt? Sicher nicht.
Natürlich wurden die Artikel zu den Bundesbankpräsidenten angelegt, als Welteke auf Seite 1 stand. So what.
Wir sind gut darin, aktuelle Informationen aus dem Internet zusammen zu klauben, wenn ein Thema in aller Munde ist. Wir sind aber miserabel darin, Informationen schon zu *haben*, wenn ein Thema medial aktuell wird bzw. wenn man etwas zu einem nicht gerade brandaktuellen Thema sucht - und das wäre eigentlich unsere Aufgabe.
Das ist kein entweder/oder. Du tust damit den Leuten arg unrecht, die etwa Nauru so erschließen, wie es bisher kaum in de-Land stattfand. Wenn beim nächsten Mal Nauru wieder gefragt ist, wird offensichtlich, daß dein Einwand da nicht greift.
Im Übrigen bin ich gespannt, ob etwa durch eine saubere Schnittstelle zwischen Wikinews und Wikipedia etwa die Voraussicht auf künftig relevante Artikel besser wird. Ich habe vor einigen Monaten ja mal die Glaskugel gestartet, um genau hier ein wenig anzusetzen.
Abgesehen ist es aus der Außenperspektive Egal, ob wir um T+5 Minuten oder um T+2 Stunden Informationen haben, damit hängen wir den großen Lag der Leute ab, die erst nach einer Weile anfangen zu suchen.
Die EB-Leute stellen fest, dass der Focus der Wikipedia verschoben ist gegenüber dem, worauf eine Enzyklopädie normalerweise den Focus haben sollte: auf (relativ) zeitlosen, grundlegenden Begriffen, wenn auch notgedrungen aus der Sicht der jeweiligen Zeit.
Auch hier haben wir eine Lösung parat. PD-Quellen. Die EB1911 und entsprechende Meyers/Brockhaus sind hierbei eine Möglichkeit, zeitlose Dinge einzupflegen. Im Einzelfall reicht der Aufwand, ein "zeitloses" Lemma aufzupolieren von 0 bis Neuschreiben, aber das weisst du auch.
Unsere Artikel zu solch zentralen Begriffen wie [[Wissenschaft]], [[Kultur]], [[Krieg]] undundund sind noch immer so miserabel wie vor drei Jahren - keine Änderung in Sicht.
Genau hier zeigt sich etwas am Horizont. 1000 Begriffe, die jede wikipedia haben sollte könnte ein Hebel genau dafür sein. Denn hier kann die Wikipedia es sich erlauben, einen vom deutsch-christlich-jüdisch-abendländischen-white-anglo-saxon-protestant losgelösten Begriff zu erklären. Da sich Brockhaus eine Nationalenzyklopädie nennt, stoßen die hier systembedingt an Grenzen.
Natürlich ist das kein Allheilmittel, aber dennoch wäre es einmal nett, irgendeine Organisationsstruktur (Projekt, Qo, Irgendwas) zu haben, die halt einmal elementare Arbeit leistet. Auch wenn diese Arbeit wohl nur von wenigen gewürdigt würde.
Mathias