Hallo,
am Thu, 22 Apr 2004 02:49:43 +0200 schrieb Agon S. Buchholz:
ich bitte um Kommentare zu den derzeitigen Namenskonventionen bezüglich Abkürzungen und Akronymen.
Da bisher hauptsächlich Zustimmung kam, will ich (Benutzer:Perrak) mal ein paar abweichende Gedanken zu Protokoll geben.
Zunächst zur Präzisierung des Problems:
Es dürfte Konsens sein, dass auf jeden Fall bei bekannten Abkürzungen sinnvollerweise sowohl ein Artikel in abgekürzter als auch einer in ausgeschriebener Form existiert, wobei einer der beiden (bzw. alle bis auf einen, wenn es mehr als zwei sinnvolle Schreibweisen/Abkürzungen gibt) als Redirect auf den eigentlichen Artikel zeigt.
Im Artikel selbst sollte das Stichwort sowohl ausgeschrieben als auch abgekürzt prominent in der Einleitung genannt werden.
Fraglich ist also nur, welcher der Artikel sinnvollerweise der mit Inhalt sein soll, und welcher der Redirect.
Meiner Meinung nach sollte bei gebräuchlichen Abkürzungen der abgekürzte Name den eigentlichen Artikel enthalten (NATO, D.O.N.A.L.D., DNA, HTML, Laser, ...), die ausgeschriebene Variante den Redirect.
Begründung: In den wenigsten Fällen wird einer dieser Begriffe in anderen Artikeln ausgeschrieben. Eine Verlinkung der Abkürzung als [[NATO]] ist einfacher und "natürlicher" als als [[North Atlantic Treaty Organization|NATO]], außerdem ist die exakte Auflösung möglicherweise gar nicht bekannt (schreibt man Organisation oder Organization?). Auch wenn jemand den Begriff ins Suchfeld eingibt, wird wohl eher die abgekürzte Version eingegeben, schon aus Faulheit, aber auch, weil Tippfehler damit unwahrscheinlicher werden.
Ist der Hauptartikel nun der ausgeschriebene, bekommt man immer die hässlichen Hinweise auf die Weiterleitung. Die sind sehr praktisch, um die WLS als solche zu identifizieren, sollten mMn für User aber nur in Ausnahmefällen sichtbar werden.
Außerdem hatte ich das Konzept der Weiterleitungsseite (btw auch das der BKS) so vertanden, dass die optimalerweise verwaist ist. Das ist bei Abkürzungen als Hauptartikel relativ leicht erreichbar, bei ausgeschriebenen nur mit großem Aufwand, wenn der Begriff einigermaßen häufig auftaucht.
Problem:
- In letzter Zeit häufen sich Forderungen von Benutzern, Einträge von
Artikeln unter ihrer Abkürzung als Stichwort beizubehalten.
Das sehe ich nicht als Problem, das klingt vernünftig.
- die Duldung in einzelnen Fällen führt zu Gleichbehandlungsforderungen,
die mittlerweile ausufern ("diese und jene Abkürzung existiert, mein Artikel soll deshalb auch unter der Abküzung verzeichnet werden", "ich bin Fachsprachler, ich weiss gar nicht, was diese Abkürzung bedeutet, wir nennen das immer so" -- argl...).
Wieso argl? Wenn selbst Fachsprachler den Begriff nur unter der Abkürzung kennen, wer sollte denn den ausgeschriebenen Namen suchen? Desoxyribonukleinsäure? DNA (oder DNS) ist handlicher, kein Mensch spricht das Wort je komplett aus, und geschrieben sehe ich das auch seltenst. Wo liegt der Vorteil in einem ausgeschriebenen Artikelnamen?
- Die weiche Empfehlung, den Artikel unter dem "gebräuchlicheren" Namen
einzutragen, führt zu ständigen und völlig unnötigen Diskussionen, was wann für wen unter Voraussetzungen denn nun "gebräuchlich" ist. Niemand kann das intersubjektiv entscheiden; für den einen ist "HTML" gebräuchlich, für Tante Gerti ist es eine fremde Fachsprache;
Klar. Aber Tante Gerti kennt den Begriff HTML bzw. hat zumindest mal davon gelesen, aber mit Hypertext Markup Language kann sie sicher nichts anfangen. Sie kann ja schließlich kein englisch. Dass HTML davon die Akü ist, liest sie dann im Artikel.
- In Extremfällen führt das zu völlig absurden Begriffsklärungen nach
dem Schema "ABC (blah)", "ABC (blubb)", obwohl der ausgeschriebene Name die Zusätze "blah" und "blub" ersetzen könnte.
Die Begriffsklärung ist trotzdem notwendig, da ABC nicht gleichzeitig Redirect auf ABC (blah) und ABC (blubb) sein kann. Allerdings ist ''immer'' eine BKS nach Modell I notwendig, selbst wenn es nur zwei Aküs gibt und sich eine BKS nach Modell II anbieten würde. Also eher ein Argument ''für'' abgekürzte Artikelnamen.
- Die Langform ist für Nicht-Fachsprachler i.d.R. aussagekräftiger als
ein bloßes Buchstabenkürzel.
Meinst Du das ernst? Das halte ich für unzutreffend. Vielleicht, wenn jemand über die Zufalsfunktion den Artikel anwählt, oder im alphabetischen Verzeichnis. Aber im ersten Falle steht die Auflösung der Akü in der ersten Zeile, und der zweite Fall wird eher verwendet, wenn man nach etwas sucht, von dem man den Namen schon kennt, und ist in der Wikipedia eher atypisch.
- Die Langform dient der sprachlichen Exaktheit
Die Langform und die Kurzform stehen beide im Artikel. Es geht hier nur darum, welcher der beiden Artikel den Text, und welcher den Redirect enthält. Das hat nichts mit sprachlicher Exaktheit, sondern mit Benutzerfreundlichkeit zu tun.
- Wikipedia will sicherlich kein Akronym- oder Abkürzungsverzeichnis sein.
Warum nicht? Akronymauflösungen, die nur Wörterbucheinträge wären, sicher nicht, aber was sinnvolle Artikel betrifft, die sollten sicher auch unter dem Akronym auffindbar sein.
- Das Zulassen von Abkürzungen forciert Wörterbucheinträge a la Lemma:
"EDP", Artikeltext: "Electronic Data Processing <Artikelende>".
Das fordern nach ausgeschriebenen Namen führt dann dazu, dass unter der Abkürzung ein Redirect auf die ausgeschriebene Form entsteht. Der eigentliche Artikel wird nicht geschrieben, aber der Link ist nicht mehr rot. Oder gibt es eine technische Möglichkeit, die verhindert, dass jemand eine Akü verlinkt?
- Die Konsistenz leidet massiv; mal findet man einen Begriff unter
seiner Abkürzung, den nächsten unter einer ausgeschriebenen Form;
Na und? Wenn beides die gebräuchliche Form ist, ist das auch konsistent.
potenziell werden Doppeleinträge in beiden Varianten angelegt.
Das Risiko ist bei ausgeschriebenen Varianten genauso gegeben. Da kommen allerdings noch ein halbes Dutzend Falschschreibartikel dazu. Was ist besser:
DNA DNS
oder
Desoxyribonukleinsäure Desoxiribonukleinsäure Desoxyribonucleinsäure Desoxyribonukleinacid Desoxyribo-Nuclein Acid ...
- Ausgeschriebene Artikelnamen schaden nicht, wenn abgekürzte Varianten
korrekt auf den Artikel zeigen.
Und umgekehrt.
- Ich mag es nicht, wenn Begriffe immer sinnentleerter werden, weil
immer weniger Leute wissen, was UNESCO eigentlich bedeutet oder erzählen, dass ihr Efftehpeh "kaputt" ist (zugegeben nur meine persönliche Meinung und nichts sonst).
Geht mir auch so. Dazu hilft aber der ausgeschriebene Artikelname nichts, dazu muss die Auflösung im Artikel stehen. Was sie auf jeden Fall sollte.
Ausnahmen, die ich für sinnvoll halte, sind:
- Unstrittig und allgemeinsprachlich etablierte Eigennamen wie Laser
oder Edeka (Indikator: Kleinschreibung)
Warum da dann plötzlich? Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation zu diskriminieren finde ich nicht nett. Gerade hier passt Dein Argument, dass die ausgeschriebene Version schon die halbe Erklärung ist (zumindest für des englischen Kundige).
- Produkt- und Markennamen, z.B. "KMFDM" oder "J.B.O.", wenn das der
Name ist, der auf dem Produkt oder dem Plattencover steht.
Warum? Gerade bei Produkten ist die ausgeschriebene Version durch die Werbung öfters präsent als bei Fachbegriffen.
Optionale Erweiterung:
- Nach der Einführung von Unicode könnte man unter dem bisherigen Lemma
"KGB" den Artikel "Komitet Gosudarstvennoi Bezopasnosti" (in russischer Schrift) finden, unter dem bisherigen Lemma "Yongle Dadian" würde man die gleichnamige Enzyklopädie in chinesischer Schrift finden...
Autsch. Die Wikipedia sollte in erster Linie für deutsch sprechende Leute anwendbar sein. Und auch nach Unicode-Einführung sollte man an Leute denken, die ältere Browserversionen nutzen.
[Abkürzungsliste]
Hier möge jeder überlegen, welche dieser Begriffe ihr -- oder Tante Gertrud -- auch nur systematisch zuordnen könnte(t) und ob eine
Wozu sollte man? Man landet typischerweise bei einem Artikel, weil man einen Link klickt, dann ist der Zusammenhang klar, oder weil man ihn ins Suchfeld eingegeben hat - und dann weiß man entweder (ungefähr), was man sucht, oder man sucht gerade nach der Auflösung einer unbekannten Abkürzung.
konsistente Handhabung im o.g. Sinne nicht sinnvoller für eine Universalenzyklopädie wäre (wir sind kein Fachlexikon).
Vor allem sind wir kein gedrucktes Lexikon, sondern ein elektronisches.
(Technische Anmerkung: Mit einem Bot sollten sich doppelte Redirects nach der Verschiebung relativ rasch korrigieren lassen)
Arbeit bleibt es trotzdem.
Ups, etwas lang geworden. Ich versciebe mal die wichtigsten Absätze nach oben. Herzlichen Dank an alle, die bis hier Geduld mit mir hatten ;-)
Perrak aka Gerhard
Gruß, Gerhard