Hallo,
hier nun der eben im thread "Qualitätsmerkmale des MSM" angekündigte Text. - Ich möchte nur eine der Antworten noch vorab kommentieren, um Missverständnisse bzw. unnütze Diskussionen a priori zu vermeiden. Die letzte Antwort in Sachen "Rechtelage" könnte man als MS-artiges FUD-Gebahren in Richtung Linux deuten. Ich möchte dazu klar sagen: Es geht überhaupt nicht darum, dass wir Directmedia oder Anwender der Directmedia-CD in irgend einer Weise ans Zeug flicken wollen, sondern nur darum, dass wir für uns entschieden haben, dieses Risiko nicht eingehen zu wollen.
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ich schreibe gerade über wikipedia und bin vor allem von der Dynamik des Projektes beeindruckt. Können Sie mir sagen:
- wie viele bezahlte Leute für die Brockhaus-Redaktion arbeiten?
Das ist eine fünfstellige Anzahl von Personen. Wissenschaftler, Autoren, Fachexpertenund andere mehr. Die genaue Zahl ist nicht so leicht ermittelbar, u.a. deshalb, weil zum Teil ein Name für mehrere Personen steht. Denken Sie z.B. an einen Universitätsprofessor, der einen Enyzklopädieartikel über sein Fachgebiet schreibt, und dabei auch Arbeiten seiner Assistenten und Hilfswissenschaftler verwertet. - Übrigens hat auch Brockhaus darüber hinaus eine riesige Anzahl von Freiwilligen, die die Qualität sichern und verbessern helfen. Sie glauben gar nicht, wieviele Zuschriften mit Hinweisen oder Vorschlägen wir von unseren Benutzern kriegen. Nur dass die eben nicht direkt in die Artikel wandern, sondern vorher von einer erfahrenen Redaktion geprüft werden.
- ob sich Wikipedia jetzt schon in irgendeiner Form bei Ihnen
bemerkbar macht?
Im Moment in allererster Linie dadurch, dass es viele Anfragen von Journalisten dazu gibt. Insgesamt trägt das Wikipediaprojekt dazu bei, das Thema "Lexikon" und "Allgemeinwissen von A-Z" einmal mehr zur allgemeinen Aufmerksamkeit zu bringen, und das ist gut so. Und natürlich beobachten wir die Entwicklung genau, u.a. weil sie eine gute Gelegenheit bietet, Gewohnheiten und Erwartungen von Menschen bei der Suche nach und Rezeption von Sachwissen zu beobachten.
- trauen Sie Wikipedia zu, verlässliche Inhalte zu schaffen?
Auf jeden Fall, denn Wikipedia ist diesbezüglich nicht anders als das Internet insgesamt: Man kann darin ganz hervorragende Dinge finden. Man kann aber - ebenfalls wie im Internet - genauso gut haarsträubenden Unsinn finden. Je nachdem an welcher Stelle die so genannten "Edit-Wars" gerade toben, wechseln in ein und demselben Artikel Extrem-Meinungen im Minutenrhythmus; was man zu sehen bekommt, hängt dann von der Uhrzeit des Aufrufs ab. Zwar kann man sich dann die Gestehungshistorie des Artikels anschauen, aber das ist dann schon vergleichsweise mühsam. Vor allem aber gilt: Um zu beurteilen, welche der Aussagen nun stimmen und welche nicht, braucht man eigentlich Fachkenntnisse - und das in eben dem Gebiet, welches man gerade nachschlägt, d.h. in welchem man sich offenbar gerade erst kundig machen möchte. Und schließlich kann die Wikipedia nicht formal und inhaltlich ausgewogen sein - welche Themen wie und in welchem Umfang und Form behandelt sind, hängt von der Verfügbarkeit von Freiwilligen ab.
- Wie sie sich in Zukunft auf die Konkurrenz des kostenlosen
Internetangebotes und die Spottbilligen CDs und DVDs einstellen wollen.
Spottbillige CDs und DVDs gibt's auf den Grabbeltischen schon seit vielen Jahren. Da haben wir uns durchaus sehr gut drauf eingestellt. Durch konsequenten Ausbau der Qualität unserer Produkte drängen wir den Marktanteil dieser Billigscheiben seit Jahren immer weiter zurück. - Das kostenlose Internetangebot der Wikipedia möchte ich eigentlich nicht als Konkurrenz zum Brockhaus verstehen, und diese Sicht äußern auch prominente Wikipedia-Aktivisten auf der Mailingliste der Wikipedia selbst. Viele Beobachter warten z.B. gespannt auf den Moment, in welchem das Wikipediaprojekt genauso viele Artikel wie der Brockhaus aufweist. Ich selber warte eher auf den Tag, an dem sie zehnmal mehr Datenbankeinträge hat: Dann wird besser sichtbar sein, dass diese Erbsenzählerei nichts aussagt. Die Wikipedia ist ein Projekt, charakterisiert durch das Anliegen, möglichst viele Informationen zu sammeln bis hin zu Artikeln wie solche über vergleichsweise unwichtige Romangestalten (http://de.wikipedia.org/wiki/Intschu-tschuna). Der Brockhaus hingegen ist ein Produkt, dessen Wert u.a. darin besteht, das wirklich wichtige Wissen geprüft und in konsistenter Form zu präsentieren - und auf Artikel wie solche über Winnetous Vater zu verzichten.
- Wird es eine Art Kooperation oder Übernahme der freien Wiki-Inhalte
geben?
Zunächst: Die Wikipedia-Inhalte sind nicht einfach "frei", sondern stehen unter der GFDL (Gnu Free Document License). Diese Lizenz entstammt dem angelsächsischen Raum mit seiner gänzlich anderen Urheberrechtstradition und diente ursprünglich der Verbreitung von Software-Dokumentationstexten. Die Anwendung dieser Lizenz, die Voraussetzung für jegliche Weiterverwertung der Wikipediatexte ist, wäre rechtlich gesehen mindestens ein Vabanquespiel. Eine erste kommerzielle Ausgabe der deutschen Wikipedia auf CD-ROM, die 2004 erschien, verstieß wahrscheinlich bereits gegen Regelungen dieser Lizenz. Neben solchem juristischen Glatteis sind es aber in erster Linie die inhaltlichen und konzeptionellen Unterschiede, die verhindern, dass man einfach die Artikel der Wikipedia in den Brockhaus einstellen könnte. Nichtsdestoweniger: Wir haben die Wikipedia-Macher als engagierte Community kennengelernt, die eine Leistung erbracht hat, der man auf jeden Fall Respekt zollen muss. Mit solchen Menschen führen wir gerne den Dialog - auch darüber, welche Formen von Zusammenarbeit möglich und sinnvoll sind. Bei all dem wird aber der Brockhaus der Brockhaus bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Kreissig - Geschäftsführer -
Brockhaus Duden Neue Medien GmbH Dudenstr. 6 68167 Mannheim