On 17.05.2010 13:36, Olaf Simons wrote:
Nun, so sind es Gerüchte, das darüber nachgedacht
wurde, einen hauptamtlichen
Vorstandsvorsitz zu bilden. Und so ist es denn nichts als ein Irrtum
meinerseits, dass ich mir vorstellte, ein solcher würde dann eine Art Gehalt
beziehen - wogegen grundsätzlich nichts spräche, falls es denn transparent
geschähe, transsparenter als im gegenwärtigen Strukturrahmen.
Die Idee "hauptamtlicher Vorstand" war Teil der Betrachtungen der
letzten Arbeitsgruppe (dokumentiert unter
http://meta.wikimedia.org/wiki/AG_Verantwortungsstruktur#M.C3.A4ngelanalyse
als Punkt 2.1). Grundsätzlich sieht dieses Modell einen bezahlten
Vorstand und ein ehrenamtliches Kontrollgremium vor. Von den Funktionen
würde der Vorstand dann das tun, was der Geschäftsführer bisher tut
(einen Geschäftsführer würde es dann nicht mehr geben). Das
Kontrollgremium hätte die Aufgaben, die der Vorstand heute faktisch
erledigt. Der Irrtum liegt also nicht darin, dass es diese Idee gab (die
übrigens keineswegs tot ist), sondern dass soetwas irgendwie parallel
zum Geschäftsführer aufgebaut werden würde.
Um das mal zur Illustration konkret zu machen: unter dem neuen Modell
wäre Pavel (vielleicht mit einem Stellvertreter) der bezahlte Vorstand
und Alice, Jens, Jürgen, Maria, Harald, Michail, Ulli, Delphine und ich
das ehrenamtliche Kontrollgremium, gewählt von der MV. Pavel würde
dasselbe tun, was er jetzt auch tut. Wir neun würde dasselbe tun, was
wir auch jetzt tun.
Warum macht man soetwas, wenn es inhaltlich auf keine Änderung
hinausläuft? Weil der Gesetzgeber nun einmal vorschreibt, dass der
Vorstand eines Vereins die Geschäftsführung innehat, dafür die
Verantwortung trägt und entsprechend haftbar gemacht werden kann. Mit
dem neuen Modell wäre nicht nur eine Änderung der Bezeichnung sondern
auch eine Änderung der Haftungsfrage verbunden. Diese Änderung ist
vernünftig, weil jemand, der
Dein Irrtum ist also nicht der hauptamtliche Vorstand an sich, sondern
die Verquickung mit meinem Vorsitz oder gar eine Parallelbezahlung von
Vorstand und Geschäftsführung. Beides ist nicht gewollt. Wir Marcus
zutreffen anmerkte, stünde vor so einer Änderung eh die Entscheidung der
Mitglieder, sogar zweimal: einmal die Strukturänderung an sich und
einmal wie die Besetzung dann aussehen würde. Das ist Befürwortern wie
Kritikern dieses Modells im Vorstand bewusst.
Darüber sollte man denn nachdenken: wie man der
Bildung solcher misslichen
Stimmungen zuvor kommt - wir haben keine klare Debatte über die Ziele von
Wikimedia. Der Kompass 2020 ist genau diese Debatte nicht. Würde man die
Mitglieder fragen, ob sie es für selbstverständlich halten, dass der Verein über
Gehaltspositionen schweigt - würden sie das vermutlich überwiegend verneinen.
Das weiß ich nicht und wäre auch sehr vorsichtig, hier Vermutungen
anzustellen. Der Verein hat knapp 600 Mitglieder, viele von ihnen sind
weder dir noch mir bekannt. Ich vermute sogar, dass nicht wenige
Mitglieder gar keinem anderen Mitglied bekannt sind. Die Motivationen,
Mitglied im Verein zu werden, sind auf jeden Fall sehr unterschiedlich.
Hier von einer homogenen Gruppe auszugehen, die gerade bei so einem
kniffligen Thema einer Meinung wäre, erscheint mir sehr gewagt. Aber
vielleicht lohnt es sich tatsächlich, etwas mehr über die Mitglieder,
ihre Motivationen und ihre Erwartungen zu erfahren.
Ungeachtet dessen stellt sich aber die Frage, inwiefern die Tatsache,
dass es viele Mitglieder gibt, die die Gehälter der Mitarbeiter wissen
wollen, maßgeblich dafür sein sollte, ob sie sie auch erfahren. Wie ich
schon in einer anderen Mail schrieb, geht es bei dieses Frage, wie bei
allen eigentlich, um Abwägungen von Interessen und Erwartungen. Wir
müssen uns als Mitglieder des Vereins auch bewusst sein, dass unsere
Wünsche Konsequenzen haben, insbesondere welche von der nicht-erwarteten
Sorte. Gäbe es beispielsweise bei allen Gehältern vollständige
Offenheit, hätte es zweifelsohne Einfluss auf den Pool an Bewerbern, die
sich bei uns auf offene Stellen melden. Ebenfalls hätte es Einfluss auf
Beförderungen, weil bei jeder Gehaltserhöhung ganz automatisch
öffentlicher Rechtfertigungsdruck entstehen würde. Dass sich ein
Geschäftsführer ab einer gewissen Größe für sein Gehalt öffentlich
rechtfertigen müsste, könnte ich noch verstehen. Das dann aber für alle
Mitarbeiter zu machen, ist nicht mehr verhältnismäßig und macht uns als
Arbeitgeber auch nicht attraktiver.
Es geht um Nebenwirkungen wie diese, die oft schlicht nicht bedacht
werden. Irgendetwas zu fordern ist immer einfach, die Folgen zu
durchdenken nicht mehr.
Ich denke auch nicht, dass die Vereinsmitglieder - um
aus dem Hochglanzprospekt
zu zitieren, der vor der Wahl ausging - sich als "Stake-holder" verstehen, und
dass sie einen Verein suchen, der einer Art Aktiengesellschaft vergleichbar
funktioniert. Ich möchte wetten, dass der Mehrheit der Mitglieder bei Worten wie
Bonus-Zahlungen, über die der Vorstand entscheidet, ausgesprochen mulmig zumute
ist. Ich möchte auch wetten, dass die Briefwähler nicht ahnen, dass irgend so
ein System besteht. Ich sah jedenfalls Verwirrung und Erstaunen über die
Eröffnungen in der Mitgliederversammlung - und einen Vorstand, der gar njicht
verstand, was da so irritierend sein sollte.
Also ich habe bei den Mitgliedern nicht unbedingt Verwirrung gesehen,
als ich den Teil meines Berichts vortrug. Fragen dazu gab es auch nicht,
von Debbies Frage nach der Gehaltshöhe abgesehen. Davon abgesehen sehe
ich keine Fakten, die darauf hindeuten würden, dass (1) Bonuszahlungen
grundsätzlich von den Teilnehmern der MV abgelehnt werden würden, noch
dass (2) die Teilnehmer an der MV repräsentativ für die
Gesamtmitgliederschaft des Vereins sind.
Ich denke, wir sollten genau darüber diskutieren, als
was Wikimedia sich
versteht. Diese Diskussion wird notwendig als eine Diskussion eben solcher
Fragen wie transparenter Handhabung von Positionen, Gehältern und Etats geführt
werden. Sie wird nicht im Rahmen der Kompass-2020-Debatte mit ihren wohlfeilen
Thesen zu Wissen in der Welt von Übermorgen stattfinden können. Ganz konkret
sollte der Verein sich irgendwann der Meinungsbildung und internen Abstimmung
über konkurrierende Strukturmodelle stellen. Das momentane Modell hat sich in
einem sehr intransparenten Prozess entwickelt. Die ursprünglichen
Ausschreibungen auf die Position des Geschäftsführes ließen mich nicht erwarten,
wie dies mittlerweile gehandhabt wird.
Die Ergebnisse der AG Verantwortungsstruktur nebst offener Diskussion
und außerordentlicher Mitgliederversammlung werden das Forum sein, wo
diese Diskussion stattfinden kann und wird. Im Vorfeld dessen ist
natürlich jeder eingeladen, seine eigenen Gedanken dazu zu
veröffentlichen und auch konkrete Vorschläge zu machen, wie er sich
seinen Verein vorstellt. Voraussetzung dafür ist natürlich der Wille,
tatsächlich irgendwo hin zu wollen, der bei dir aber sicher vorhanden
ist. Also, wie stellst du dir den Verein zukünftig vor?
Beste Grüße
Sebastian Moleski
Erster Vorsitzender
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