P. Birken hett schreven:
Die Dinge, die bei uns inhaltlich sehr hohe Prioritaet
haben, sind die
Foerderung von freiem Wissen und der deutschsprachigen Wikipedia. Das
gut zu machen erfordert bereits enorme finanzielle und personelle
Ressourcen. Dahinter kommt dann die Foerderung weiterer Projekte, hier
sind bisher eigentlich nur die deutschsprachige WikiSource und die
deutschsprachige WikiBooks zu nennen. Die Foerderung von
regionalsprachlichen Projekten hat also bis auf die nicht zu
unterschaetzende Tatsache, dass die auf der Suchmaske von
http://www.wikipedia.de auftauchen, nicht stattgefunden.
Freies Wissen stellen wir jedenfalls auch bereit.
Neben der Priorisierung gibt es einen zweiten Grund:
diese Projekte
befinden sich in sehr unterschiedlichen Stadien, die meisten sind
nicht im eigentlichen Sinne aktiv, es gibt keine richtige Community.
Wie definierst du "richtige Community"? nds und als haben definitiv
aktive Communitys. Die Dänen fallen auch in den Bereich des Vereins. Ist
deren Community aktiv genug? Auch dsb und hsb sind laut den Letzten
Änderungen recht aktiv. Das der Anteil an Bot-Interferenz bei kleineren
Projekten steigt, ist eine normale Funktion der Projektgröße. Es sind in
beiden Projekten jedenfalls aktive Muttersprachler beteiligt. Bei stq
verschweigst du, dass die beiden Bots nicht allein aktiv sind. Es sind
auch echte Benutzer aktiv. Zwar habe ich in den letzten Änderungen der
letzten Tage keinen Muttersprachler gefunden, aber zumindest stq-4.
Es ist doch offensichtlich, dass kleinere (insbesondere handelt es sich
auch um Sprachen, die seit Jahrhunderten kulturell bedrängt werden und
bis heute keine nachhaltige Kulturförderung durch den Staat erhalten)
Sprachen nicht die gleichen Benutzerzahlen mobilisieren können, wie eine
Sprache, die aus 100 Millionen Sprechern schöpfen kann.
Ein riesiges Wiki wie de hat Eigendynamik und kann aus eigener Kraft
neue Reserven mobilisieren. _Gerade deshalb_ ist es sinnvoll, nicht
diejenigen zu fördern, die sowieso schon gut funktionieren, sondern
diejenigen zu unterstützen, die noch zusätzlichen Anschub benötigen.
Im Moment schubst ihr das achtjährige Mädchen auf der Schaukel an und
freut euch ganz stolz: "Guck mal, wie hoch sie schaukelt, wir machen
schon fast 'nen Überschlag!" und auf der Schaukel nebenan sitzt das
dreijährige Mädchen, das das mit dem Schwungholen irgendwie noch nicht
so drauf hat, und quält sich ab. Und kommt doch nicht in Schwung.
Vielleicht solltet ihr das traurig guckende kleine Mädchen mal
anschubsen? Das große kann schaukeln, dem wird höchstens schlecht, wenn
es noch höher hinaus geht.
Um es mal bildlich zu zeichnen.
Gerade der Start ist doch die Zeit, in der man fördern muss. Wenn du ein
Unternehmen gründest, dann musst du am Anfang erstmal Geld reinbuttern,
damit es in die Gänge kommt (damit das Start-Up up-startet). Wenn du
Förderung von bereits erbrachten Leistungen abhängig machst, dann ist
dein Start-Up zum Scheitern verurteilt.
Schliesslich moechte ich noch fuer mich sprechen, was
eine gewisse
Skepsis gegenueber diesen Projekten angeht, die ich auch bei anderen
beobachte: Ich persoenlich halte Dialektwikipedias fuer fragwuerdig
und habe den Eindruck, dass die Bereitstellung von Wissen in
Dialektform reine Spielerei ist: Die Leute koennen alle Hochdeutsch
lesen, wer tatsaechlich was wissen will, nutzt eh die deutschsprachige
WP. Dieses Argument gilt auch fuer die Projekte in
Minderheitensprachen, wobei es hier natuerlich viel staerker um
Sprach- und Kulturpflege bzw. sogar Erhalt geht. Nur, eine Wikipedia
auf saterfriesisch mit etwa 2.000 Sprechern ist von ihrem Nutzen nur
unwesentlich ueber der der Wikipedia auf Volapuek mit 15 Sprechern:
Niemals wird da eine Community entstehen, ein Wiki erscheint mir das
falsche Werkzeug.
http://stq.wikipedia.org/wiki/Spezial:Letzte_%C3%84nderungen gibt mir
Recht: Da sagen sich Siebot und Allergobot gute Nacht.
Insofern: Ich bin nicht dafuer, dass der Verein diese Projekte in
groesserem Masse unterstuetzt
Du plädierst dafür, den Schwachen nichts zu geben,
und stattdessen
lieber nur die Starken, die die auch eine Zukunft haben, zu fördern. Das
ist astreiner Kulturdarwinismus.
Um es mal plakativ auszudrücken (und die sehr wertzuweisende
Rollenverteilung erwähne ich mal lieber gleich selbst, bevor sie mir
vorgeworfen wird ;-) ): Scheiß auf die Pandas, die Ratten haben sich nun
mal bei der Anpassung an ihre Umwelt erfolgreicher gezeigt! Für die
Rattenfütterung!
(Vielleicht sollte der Verein einen Infostand vor Bao Baos Gehege im
Berliner Zoo finanzieren, an dem die Rentner, die mit ihren Enkeln den
fetten Panda beglotzen, aufgeklärt werden, dass sie auf's falsche Pferd
setzen. Vielleicht bringt der Infostand sogar Plus, wenn wir am Stand
Brotkrumen in Tüten verkaufen und nebenan die Gullydeckel aufschieben,
so dass die Zoobesucher die erfolgreichen Ratten füttern können!)
Wissen gedeiht immer noch am besten in der Vielfalt und nicht in der
Monokultur.
Und wo ich oben schon Chinas Kuschelbär so gemein mitspiele, auch gleich
noch einen auf die Mütze für Chinas Kuschelethnie: Warum wehren sich
eigentlich alle gegen Chinas Hanisierung der Tibeter? Es gibt bloß 6
Millionen Tibeter. Das sind höchstens knapp mehr als es Plattdeutsche
gibt (heute, früher waren es mal 20 Millionen, zu 'ner Zeit als die
Tibeter vermutlich kaum 2 Millionen Köpfe zählten). Die Tibeter müssten
doch froh sein, wenn die Chinesen Zivilisation ins Himalaya bringen und
die chinesische Sprache. Mit Tibetisch werden die Tibeter jedenfalls
international nicht weit kommen. Aber mit Chinesisch steht ihnen ein
Milliarden-Menschen-Markt offen. Man muss doch auch mal die Chancen sehen!
wer tatsaechlich was wissen will, nutzt eh die
deutschsprachige WP.
Purer POV. Die Leute benutzen die Quellen, in denen sie Infos
kriegen.
Wenn ein plattdeutscher oder obersorbischer Artikel besser ist und der
Leser die entsprechende Sprache beherrscht, werden sie den
plattdeutschen oder obersorbischen Artikel bevorzugen. Natürlich gibt es
gewisse vor-bevorzugende Faktoren, die de begünstigen. Zum Beispiel,
dass der Leser die reine _Möglichkeit_ des Bezugs äquivalenter
Informationen in plattdeutscher Sprache gar nicht in Erwägung zieht, da
ihm all seine Erfahrung sagt, dass dies erfahrungsgemäß eben so ist.
Aber es ist ja eben Ziel des ganzen Zirkus, Ziel der Wikimedia
Foundation, Wissensvermittlungsmonopole aufzubrechen. Wahlfreiheit zu
schaffen. Was 400 Jahre lang undenkbar war, Wissen auf Plattdeutsch zu
vermitteln (mein Lieblings-Plattdeutschfeind, Ludolf Wienbarg, beklagte
vor 150 Jahren, dass Plattdeutsch als Sprache ja so verschieden war vom
Hochdeutschen sei, dass den Schülern in der rein hochdeutschen Schule
kaum vernünftig Wissen zu vermitteln sei. Seine Lösung? Schulbücher in
der Muttersprache der Schüler? Nee, Ausrotten, die Sprache.
Kulturdarwinist eben.), wird jetzt wieder möglich. Und das müssen die
Leute eben zu wissen bekommen.
Man denke an die Katalanen. Meine Lieblingssprache aufgrund ihrer
historischen Parallelen zum Plattdeutschen. Deutlich von der
Nationalsprache unterscheidbare, aber dennoch verwandte Sprache (wie
nds), Blüte bis zum 16. Jahrhundert (wie nds), dramatischer Niedergang
bis ins 19. Jahrhundert (wie nds), literarisches Wiederaufleben in der
Romantik des 19. Jahrhunderts (wie nds), kaum öffentliche Anerkennung
bis ins 20. Jahrhundert. Dann scheiden sich die Wege. Während
Katalanisch mit den 60er und 70er Jahren sehr rapide an Prestige gewinnt
und inzugedessen auch in alle Domänen der Bildung Einzug hält, beginnt
der Anerkennungsprozess des Plattdeutschen erst in den 90er Jahren.
Hätte es Wikipedia in den 60er Jahren schon gegeben, hätte man diese
Diskussionen, die ich heute um das Plattdeutsche führe, auch um das
Katalanische geführt. "Wer tatächlich was wissen will, der nutzt eh die
spanischen Nachschlagewerke." etc. Aber Wikipedia kam erst im 21.
Jahrhundert und Katalanisch war die erste Sprache nach dem Englischen,
für die eine Wikipedia eingerichtet wurde. Was heute wahr ist, muss
morgen also nicht mehr wahr sein.
Alle kleineren Projekte im Arbeitsbereich des Vereins mögen eben klein
sein, aber klein bedeutet nicht, dass sie nicht doch erfolgreich und
nützlich sein können. Man muss sie eben nur fördern und nicht zur
Erfolg- und Nutzlosgikeit vorverurteilen.
Marcus Buck