Hallo liebe Liste, insbesondere Geschäftsstelle/Vorstand,
heute Abend lese ich bei den Urheberrechtsfragen und bei Commons, dass die WMF per Office Action (habe ich jedenfalls so verstanden, wenn ich auch immer nur OA lese) die Bilder der Briefmarken mit Motiven von Loriot löschen lassen. Begründet wurde dies eher sparsam unter http://commons.wikimedia.org/wiki/User_talk:WMFOffice#File:DPAG_2011_55_Herr en_im_Bad.jpg
Mich interessiert auf dieser Liste insbesondere folgender dort gefallener Satz: The Wikimedia Foundation's legal department disagrees with you, as does Wikimedia Deutschland's. Gab es vor der OA eine Anfrage der WMF an WMDE und wurde das mit der Kanzlei des Vereins abgesprochen? Oder was kann man sich darunter vorstellen, was hinter dieser Aussage steckt?
Viele Grüße
Alex
Lieber Alexander Juhrich, liebe Liste,
nach der Löschung von vier Loriot-Briefmarken aufgrund einer Office Action am 8. November häufen sich hier die Anfragen. Die Prominenz des Namens bringt damit eine Diskussion wieder in Schwung, die bereits im September unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu...
geführt wurde. Im Endeffekt könnte der konkrete Fall durchaus Auswirkungen darauf haben, wie künftig mit Briefmarken innerhalb DE:WP umgegangen wird. Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, die Beweggründe für die Löschung etwas näher zu erläutern:
Die Löschung der Wohlfahrtsmarken mit den Loriot-Motiven „Das Frühstücksei“, „Herren im Bad“, „Auf der Rennbahn“ und „Der Sprechende Hund“ am 8.11.2011 war notwendig geworden, da eine Miterbin Loriots am Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen WMF erwirkt hatte, nachdem sie die Urheberrechte ihres Vaters vorsätzlich verletzt sah. Verbunden damit war die Androhung strafrechtlicher Konsequenzen gegen die Verantwortlichen von Foundation bzw. deutschem Chapter. Die EV ist mittlerweile einsehbar. [1] Unabhängig von der Frage, ob diese Verfügung zu Recht ergangen ist, ist das mit der Verfügung ergangene Verbot zu beachten. Alleine deswegen schon mussten die Briefmarken entfernt werden.
Nach eingehender Analyse durch unsere Kanzlei JBB sowie das Legal Department der WMF sahen alle Beteiligten keine andere Möglichkeit als die unverzügliche Löschung – vorbehaltlich einer umfassenden Klärung des Sachverhalts . Die Löschung erfolgte auf dem Wege der „Office Action“, diente also der akuten Schadensabwehr. [2]
Der „Office Action“ seitens der WMF ging ein schwieriger Abwägungsprozess voraus. Der wichtigste Grund für diese außergewöhnliche Maßnahme betrifft die Sorgfaltspflicht gegenüber Dritten: Ein Verbleib der Briefmarken-Abbildung auf Commons und WP hätte insbesondere bei Nachnutzern zu unkalkulierbaren Risiken geführt.
Die WMF hat naturgemäß keine dezidierte Position zur urheberrechtlichen Stellung von Briefmarken in Deutschland. Doch fühlt sie sich in ihrem Handeln zumindest auch an das geltende US-Copyright und insbesondere dessen Durchsetzungsmöglichkeiten im Zuge des „Digital Millenium Copyright Act“ gebunden. [3]
Der urheberrechtliche Status von Briefmarken wird zwischen Teilen der deutschen WP-Community und der herrschenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur vollkommen unterschiedlich bewertet. [4] [5] Im Kern geht es dabei um die Bewertung von Briefmarken als amtliche Werke, auf welche die Schutzzweckbestimmungen des UrhR keinerlei Anwendung fänden. [6]
Nach intensiver Beratung mit der von uns beauftragten Kanzlei JBB sind wir zur Ansicht gelangt, dass das einzige einschlägige Urteil, auf das sich auf die Gemeinfreiheits-These berufen kann (LG München, AZ 21 S 20861/86) leider keine ausreichende Handlungsgrundlage bietet. Zum einen datiert es vom 10.3.1987, erging also noch vor der Privatisierung der Deutschen Bundespost. Von daher ist eine wesentliche Voraussetzung der damaligen Entscheidung – nämlich die Aufnahme im “Amtsblatt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen” – mittlerweile obsolet. Die Deutsche Post AG als privates Logistikunternehmen ist nicht auf die Produktion amtlicher und damit gemeinfreier Werke verpflichtet, so sehr wir dies auch bedauern mögen.
Zum anderen wird die damalige Urteilsbegründung in der rechtswissenschaftlichen Literatur einhellig angezweifelt (s. die einschlägigen UrhR-Kommentare etwa von Schricker, Bullinger, Nordemann und Dreier/Schulze). Vor allem Schricker (GRUR 1991, 645, 651) bringt das zentrale Argument vor, dass Briefmarken trotz ihres Charakters als Zahlungsmethode nicht aufgrund eines „Interesses der Allgemeinheit“ veröffentlicht werden, da sie keine reinen „Informationsträger“ darstellten.
Angewandt auf den konkreten Fall Loriot geht es also auch um die Frage, ob die Knollennasen-Briefmarken getreu oder außerhalb ihres originären Verwendungszwecks (als Zahlungsmittel) abgebildet wurden. Man kann dabei durchaus zu der Einschätzung gelangen, dass sie im Kontext eines biographischen WP-Artikels eher den spezifischen Stil oder die Arbeitsweise des Künstlers Loriots veranschaulichen sollen. Daher kann man sich der Sichtweise der Klägerin, dass es sich bei einer gestalteten Sonderedition eines Künstlers prinzipiell um ein schutzfähiges Werk handelt, u.E. nicht von vorneherein verschließen. Nicht zuletzt wird diese Meinung auch von dem Gericht geteilt, das über den konkreten Fall zu befinden hatte, nämlich das Landgericht Berlin. Es hat die Qualifikation der Briefmarken als amtliches Werk ausdrücklich verneint. Dies geschah in Kenntnis der Entscheidung des Landgerichts München, die die Antragstellerin dem Gericht ausdrücklich zur Kenntnis brachte. Das Gericht hat mit der Entscheidung folglich die Auffassung des Landgerichts München verworfen. Ungeachtet dieses konkreten Falls ist ein Klärungsprozess innerhalb der deutschen Community zur grundsätzlichen Umgangsweise mit Abbildungen von Briefmarken wichtig und richtig. [7] [8] [9]
[1] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Decision_re_Loriot_Stamps.pdf [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Office_Action bzw. http://meta.wikimedia.org/wiki/OFFICE [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Millennium_Copyright_Act [4] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Stamps/Public_domain#Germany [5] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu... [6] http://www.rechtambild.de/2011/06/urheberrechtsschutz-von-briefmarken/ [7] http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Loriot#Briefmarken_gel.C3.B6scht [8] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Forum#Wohlfahrtsmarken_mit_Loriot-... [9] http://commons.wikimedia.org/wiki/User_talk:Philippe_%28WMF%29#File:DPAG_201...
Mit besten Grüßen
Jan
Hallo Jan,
vielen Dank für deine ausführliche Stellungnahme. Darauf vielleicht nur eine ganz kurze Frage:
Welche Möglichkeiten hat Wikimedia Deutschland, diese rechtliche Frage klären zu lassen und damit der Community in ihrem Diskussionsprozess zur Seite zu stehen?
Gruß, Achim
-------- Original-Nachricht --------
Datum: Wed, 16 Nov 2011 13:05:42 +0100 Von: Jan Engelmann jan.engelmann@wikimedia.de An: "Mailingliste des Wikimedia Deutschland e. V. / mailing list of Wikimedia Deutschland e. V." vereinde-l@lists.wikimedia.org Betreff: Re: [VereinDE-l] OA von WMF bzgl. Loriot-Briefmarken
Lieber Alexander Juhrich, liebe Liste,
nach der Löschung von vier Loriot-Briefmarken aufgrund einer Office Action am 8. November häufen sich hier die Anfragen. Die Prominenz des Namens bringt damit eine Diskussion wieder in Schwung, die bereits im September unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu...
geführt wurde. Im Endeffekt könnte der konkrete Fall durchaus Auswirkungen darauf haben, wie künftig mit Briefmarken innerhalb DE:WP umgegangen wird. Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, die Beweggründe für die Löschung etwas näher zu erläutern:
Die Löschung der Wohlfahrtsmarken mit den Loriot-Motiven „Das Frühstücksei“, „Herren im Bad“, „Auf der Rennbahn“ und „Der Sprechende Hund“ am 8.11.2011 war notwendig geworden, da eine Miterbin Loriots am Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen WMF erwirkt hatte, nachdem sie die Urheberrechte ihres Vaters vorsätzlich verletzt sah. Verbunden damit war die Androhung strafrechtlicher Konsequenzen gegen die Verantwortlichen von Foundation bzw. deutschem Chapter. Die EV ist mittlerweile einsehbar. [1] Unabhängig von der Frage, ob diese Verfügung zu Recht ergangen ist, ist das mit der Verfügung ergangene Verbot zu beachten. Alleine deswegen schon mussten die Briefmarken entfernt werden.
Nach eingehender Analyse durch unsere Kanzlei JBB sowie das Legal Department der WMF sahen alle Beteiligten keine andere Möglichkeit als die unverzügliche Löschung – vorbehaltlich einer umfassenden Klärung des Sachverhalts . Die Löschung erfolgte auf dem Wege der „Office Action“, diente also der akuten Schadensabwehr. [2]
Der „Office Action“ seitens der WMF ging ein schwieriger Abwägungsprozess voraus. Der wichtigste Grund für diese außergewöhnliche Maßnahme betrifft die Sorgfaltspflicht gegenüber Dritten: Ein Verbleib der Briefmarken-Abbildung auf Commons und WP hätte insbesondere bei Nachnutzern zu unkalkulierbaren Risiken geführt.
Die WMF hat naturgemäß keine dezidierte Position zur urheberrechtlichen Stellung von Briefmarken in Deutschland. Doch fühlt sie sich in ihrem Handeln zumindest auch an das geltende US-Copyright und insbesondere dessen Durchsetzungsmöglichkeiten im Zuge des „Digital Millenium Copyright Act“ gebunden. [3]
Der urheberrechtliche Status von Briefmarken wird zwischen Teilen der deutschen WP-Community und der herrschenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur vollkommen unterschiedlich bewertet. [4] [5] Im Kern geht es dabei um die Bewertung von Briefmarken als amtliche Werke, auf welche die Schutzzweckbestimmungen des UrhR keinerlei Anwendung fänden. [6]
Nach intensiver Beratung mit der von uns beauftragten Kanzlei JBB sind wir zur Ansicht gelangt, dass das einzige einschlägige Urteil, auf das sich auf die Gemeinfreiheits-These berufen kann (LG München, AZ 21 S 20861/86) leider keine ausreichende Handlungsgrundlage bietet. Zum einen datiert es vom 10.3.1987, erging also noch vor der Privatisierung der Deutschen Bundespost. Von daher ist eine wesentliche Voraussetzung der damaligen Entscheidung – nämlich die Aufnahme im “Amtsblatt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen” – mittlerweile obsolet. Die Deutsche Post AG als privates Logistikunternehmen ist nicht auf die Produktion amtlicher und damit gemeinfreier Werke verpflichtet, so sehr wir dies auch bedauern mögen.
Zum anderen wird die damalige Urteilsbegründung in der rechtswissenschaftlichen Literatur einhellig angezweifelt (s. die einschlägigen UrhR-Kommentare etwa von Schricker, Bullinger, Nordemann und Dreier/Schulze). Vor allem Schricker (GRUR 1991, 645, 651) bringt das zentrale Argument vor, dass Briefmarken trotz ihres Charakters als Zahlungsmethode nicht aufgrund eines „Interesses der Allgemeinheit“ veröffentlicht werden, da sie keine reinen „Informationsträger“ darstellten.
Angewandt auf den konkreten Fall Loriot geht es also auch um die Frage, ob die Knollennasen-Briefmarken getreu oder außerhalb ihres originären Verwendungszwecks (als Zahlungsmittel) abgebildet wurden. Man kann dabei durchaus zu der Einschätzung gelangen, dass sie im Kontext eines biographischen WP-Artikels eher den spezifischen Stil oder die Arbeitsweise des Künstlers Loriots veranschaulichen sollen. Daher kann man sich der Sichtweise der Klägerin, dass es sich bei einer gestalteten Sonderedition eines Künstlers prinzipiell um ein schutzfähiges Werk handelt, u.E. nicht von vorneherein verschließen. Nicht zuletzt wird diese Meinung auch von dem Gericht geteilt, das über den konkreten Fall zu befinden hatte, nämlich das Landgericht Berlin. Es hat die Qualifikation der Briefmarken als amtliches Werk ausdrücklich verneint. Dies geschah in Kenntnis der Entscheidung des Landgerichts München, die die Antragstellerin dem Gericht ausdrücklich zur Kenntnis brachte. Das Gericht hat mit der Entscheidung folglich die Auffassung des Landgerichts München verworfen. Ungeachtet dieses konkreten Falls ist ein Klärungsprozess innerhalb der deutschen Community zur grundsätzlichen Umgangsweise mit Abbildungen von Briefmarken wichtig und richtig. [7] [8] [9]
[1] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Decision_re_Loriot_Stamps.pdf [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Office_Action bzw. http://meta.wikimedia.org/wiki/OFFICE [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Millennium_Copyright_Act [4] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Stamps/Public_domain#Germany [5] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu... [6] http://www.rechtambild.de/2011/06/urheberrechtsschutz-von-briefmarken/ [7] http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Loriot#Briefmarken_gel.C3.B6scht [8] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Forum#Wohlfahrtsmarken_mit_Loriot-... [9] http://commons.wikimedia.org/wiki/User_talk:Philippe_%28WMF%29#File:DPAG_201...
Mit besten Grüßen
Jan
-- Jan Engelmann Leiter Politik & Gesellschaft
Wikimedia Deutschland e.V. Eisenacher Straße 2 10777 Berlin
Telefon 030 - 219 158 26-0 www.wikimedia.de
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VereinDE-l mailing list VereinDE-l@lists.wikimedia.org https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/vereinde-l
Lieber Achim, ganz kurz zurück: Noch prüfen wir diverse Möglichkeiten, wie weiter zu verfahren wäre. Neben juristischen Optionen wäre womöglich auch die Direktansprache an die DPAG bzw. BMF geeignet, hier einen Wechsel in der Lizenzierungspraxis von künstlerischen Abbildungen für Postwertmarken herbeizuführen. Gruß, Jan Am 16.11.2011 15:38 schrieb "Achim Raschka" achim_raschka@gmx.de:
Hallo Jan,
vielen Dank für deine ausführliche Stellungnahme. Darauf vielleicht nur eine ganz kurze Frage:
Welche Möglichkeiten hat Wikimedia Deutschland, diese rechtliche Frage klären zu lassen und damit der Community in ihrem Diskussionsprozess zur Seite zu stehen?
Gruß, Achim
-------- Original-Nachricht --------
Datum: Wed, 16 Nov 2011 13:05:42 +0100 Von: Jan Engelmann jan.engelmann@wikimedia.de An: "Mailingliste des Wikimedia Deutschland e. V. / mailing list of
Wikimedia Deutschland e. V." vereinde-l@lists.wikimedia.org
Betreff: Re: [VereinDE-l] OA von WMF bzgl. Loriot-Briefmarken
Lieber Alexander Juhrich, liebe Liste,
nach der Löschung von vier Loriot-Briefmarken aufgrund einer Office Action am 8. November häufen sich hier die Anfragen. Die Prominenz des Namens bringt damit eine Diskussion wieder in Schwung, die bereits im September unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu...
geführt wurde. Im Endeffekt könnte der konkrete Fall durchaus Auswirkungen darauf haben, wie künftig mit Briefmarken innerhalb DE:WP umgegangen wird. Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, die Beweggründe für die Löschung etwas näher zu erläutern:
Die Löschung der Wohlfahrtsmarken mit den Loriot-Motiven „Das Frühstücksei“, „Herren im Bad“, „Auf der Rennbahn“ und „Der Sprechende Hund“ am 8.11.2011 war notwendig geworden, da eine Miterbin Loriots am Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen WMF erwirkt hatte, nachdem sie die Urheberrechte ihres Vaters vorsätzlich verletzt sah. Verbunden damit war die Androhung strafrechtlicher Konsequenzen gegen die Verantwortlichen von Foundation bzw. deutschem Chapter. Die EV ist mittlerweile einsehbar. [1] Unabhängig von der Frage, ob diese Verfügung zu Recht ergangen ist, ist das mit der Verfügung ergangene Verbot zu beachten. Alleine deswegen schon mussten die Briefmarken entfernt werden.
Nach eingehender Analyse durch unsere Kanzlei JBB sowie das Legal Department der WMF sahen alle Beteiligten keine andere Möglichkeit als die unverzügliche Löschung – vorbehaltlich einer umfassenden Klärung des Sachverhalts . Die Löschung erfolgte auf dem Wege der „Office Action“, diente also der akuten Schadensabwehr. [2]
Der „Office Action“ seitens der WMF ging ein schwieriger Abwägungsprozess voraus. Der wichtigste Grund für diese außergewöhnliche Maßnahme betrifft die Sorgfaltspflicht gegenüber Dritten: Ein Verbleib der Briefmarken-Abbildung auf Commons und WP hätte insbesondere bei Nachnutzern zu unkalkulierbaren Risiken geführt.
Die WMF hat naturgemäß keine dezidierte Position zur urheberrechtlichen Stellung von Briefmarken in Deutschland. Doch fühlt sie sich in ihrem Handeln zumindest auch an das geltende US-Copyright und insbesondere dessen Durchsetzungsmöglichkeiten im Zuge des „Digital Millenium Copyright Act“ gebunden. [3]
Der urheberrechtliche Status von Briefmarken wird zwischen Teilen der deutschen WP-Community und der herrschenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur vollkommen unterschiedlich bewertet. [4] [5] Im Kern geht es dabei um die Bewertung von Briefmarken als amtliche Werke, auf welche die Schutzzweckbestimmungen des UrhR keinerlei Anwendung fänden. [6]
Nach intensiver Beratung mit der von uns beauftragten Kanzlei JBB sind wir zur Ansicht gelangt, dass das einzige einschlägige Urteil, auf das sich auf die Gemeinfreiheits-These berufen kann (LG München, AZ 21 S 20861/86) leider keine ausreichende Handlungsgrundlage bietet. Zum einen datiert es vom 10.3.1987, erging also noch vor der Privatisierung der Deutschen Bundespost. Von daher ist eine wesentliche Voraussetzung der damaligen Entscheidung – nämlich die Aufnahme im “Amtsblatt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen” – mittlerweile obsolet. Die Deutsche Post AG als privates Logistikunternehmen ist nicht auf die Produktion amtlicher und damit gemeinfreier Werke verpflichtet, so sehr wir dies auch bedauern mögen.
Zum anderen wird die damalige Urteilsbegründung in der rechtswissenschaftlichen Literatur einhellig angezweifelt (s. die einschlägigen UrhR-Kommentare etwa von Schricker, Bullinger, Nordemann und Dreier/Schulze). Vor allem Schricker (GRUR 1991, 645, 651) bringt das zentrale Argument vor, dass Briefmarken trotz ihres Charakters als Zahlungsmethode nicht aufgrund eines „Interesses der Allgemeinheit“ veröffentlicht werden, da sie keine reinen „Informationsträger“ darstellten.
Angewandt auf den konkreten Fall Loriot geht es also auch um die Frage, ob die Knollennasen-Briefmarken getreu oder außerhalb ihres originären Verwendungszwecks (als Zahlungsmittel) abgebildet wurden. Man kann dabei durchaus zu der Einschätzung gelangen, dass sie im Kontext eines biographischen WP-Artikels eher den spezifischen Stil oder die Arbeitsweise des Künstlers Loriots veranschaulichen sollen. Daher kann man sich der Sichtweise der Klägerin, dass es sich bei einer gestalteten Sonderedition eines Künstlers prinzipiell um ein schutzfähiges Werk handelt, u.E. nicht von vorneherein verschließen. Nicht zuletzt wird diese Meinung auch von dem Gericht geteilt, das über den konkreten Fall zu befinden hatte, nämlich das Landgericht Berlin. Es hat die Qualifikation der Briefmarken als amtliches Werk ausdrücklich verneint. Dies geschah in Kenntnis der Entscheidung des Landgerichts München, die die Antragstellerin dem Gericht ausdrücklich zur Kenntnis brachte. Das Gericht hat mit der Entscheidung folglich die Auffassung des Landgerichts München verworfen. Ungeachtet dieses konkreten Falls ist ein Klärungsprozess innerhalb der deutschen Community zur grundsätzlichen Umgangsweise mit Abbildungen von Briefmarken wichtig und richtig. [7] [8] [9]
[1] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Decision_re_Loriot_Stamps.pdf [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Office_Action bzw. http://meta.wikimedia.org/wiki/OFFICE [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Millennium_Copyright_Act [4]
http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Stamps/Public_domain#Germany
[5]
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu...
[6]
http://www.rechtambild.de/2011/06/urheberrechtsschutz-von-briefmarken/
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Loriot#Briefmarken_gel.C3.B6scht [8]
http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Forum#Wohlfahrtsmarken_mit_Loriot-...
[9]
http://commons.wikimedia.org/wiki/User_talk:Philippe_%28WMF%29#File:DPAG_201...
Mit besten Grüßen
Jan
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Jan Engelmann jan.engelmann@wikimedia.de wrote:
Lieber Achim, ganz kurz zurück: Noch prüfen wir diverse Möglichkeiten, wie weiter zu verfahren wäre. Neben juristischen Optionen wäre womöglich auch die Direktansprache an die DPAG bzw. BMF geeignet, hier einen Wechsel in der Lizenzierungspraxis von künstlerischen Abbildungen für Postwertmarken herbeizuführen. Gruß, Jan [...]
Welches Interesse sollten diese daran haben? Wenn ein Künst- ler bisher Briefmarken unter der Annahme entwirft, dass er damit kein freies Werk schafft, dürfte seine Honorarforde- rung in dem Fall einer Änderung der Lizenzierungspraxis er- heblich steigen.
Tim
Lieber Tim, dieser Mechanismus stimmt, begegnet uns aber als Hürde bei vielen Content-Befreiungen, vor allem im GLAM-Bereich und im Rundfunksystem. Deshalb muss durchweg mit einem Interesse seitens der Allgemeinheit argumentiert werden. Ob dies in jedem Einzelfall verfängt, steht dahin. Gruß, Jan Am 16.11.2011 18:10 schrieb "Tim Landscheidt" tim@tim-landscheidt.de:
Jan Engelmann jan.engelmann@wikimedia.de wrote:
Lieber Achim, ganz kurz zurück: Noch prüfen wir diverse Möglichkeiten,
wie
weiter zu verfahren wäre. Neben juristischen Optionen wäre womöglich auch die Direktansprache an die DPAG bzw. BMF geeignet, hier einen Wechsel in der Lizenzierungspraxis von künstlerischen Abbildungen für Postwertmarken herbeizuführen. Gruß, Jan [...]
Welches Interesse sollten diese daran haben? Wenn ein Künst- ler bisher Briefmarken unter der Annahme entwirft, dass er damit kein freies Werk schafft, dürfte seine Honorarforde- rung in dem Fall einer Änderung der Lizenzierungspraxis er- heblich steigen.
Tim
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Hallo!
Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass der Verein etwas eher und offensiver reagiert. Nun läuft die Diskussion schon wieder eine Weile, ohne dass die genauen Vorgänge bekannt waren.
Achims Frage schließe ich mich an.
Viele Grüße Alex
-----Ursprüngliche Nachricht----- Von: vereinde-l-bounces@lists.wikimedia.org [mailto:vereinde-l-bounces@lists.wikimedia.org] Im Auftrag von Jan Engelmann Gesendet: Mittwoch, 16. November 2011 13:06 An: Mailingliste des Wikimedia Deutschland e. V. / mailing list of WikimediaDeutschland e. V. Betreff: Re: [VereinDE-l] OA von WMF bzgl. Loriot-Briefmarken
Lieber Alexander Juhrich, liebe Liste,
nach der Löschung von vier Loriot-Briefmarken aufgrund einer Office Action am 8. November häufen sich hier die Anfragen. Die Prominenz des Namens bringt damit eine Diskussion wieder in Schwung, die bereits im September unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu ngen_Briefmarken
geführt wurde. Im Endeffekt könnte der konkrete Fall durchaus Auswirkungen darauf haben, wie künftig mit Briefmarken innerhalb DE:WP umgegangen wird. Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, die Beweggründe für die Löschung etwas näher zu erläutern:
Die Löschung der Wohlfahrtsmarken mit den Loriot-Motiven Das Frühstücksei, Herren im Bad, Auf der Rennbahn und Der Sprechende Hund am 8.11.2011 war notwendig geworden, da eine Miterbin Loriots am Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen WMF erwirkt hatte, nachdem sie die Urheberrechte ihres Vaters vorsätzlich verletzt sah. Verbunden damit war die Androhung strafrechtlicher Konsequenzen gegen die Verantwortlichen von Foundation bzw. deutschem Chapter. Die EV ist mittlerweile einsehbar. [1] Unabhängig von der Frage, ob diese Verfügung zu Recht ergangen ist, ist das mit der Verfügung ergangene Verbot zu beachten. Alleine deswegen schon mussten die Briefmarken entfernt werden.
Nach eingehender Analyse durch unsere Kanzlei JBB sowie das Legal Department der WMF sahen alle Beteiligten keine andere Möglichkeit als die unverzügliche Löschung vorbehaltlich einer umfassenden Klärung des Sachverhalts . Die Löschung erfolgte auf dem Wege der Office Action, diente also der akuten Schadensabwehr. [2]
Der Office Action seitens der WMF ging ein schwieriger Abwägungsprozess voraus. Der wichtigste Grund für diese außergewöhnliche Maßnahme betrifft die Sorgfaltspflicht gegenüber Dritten: Ein Verbleib der Briefmarken-Abbildung auf Commons und WP hätte insbesondere bei Nachnutzern zu unkalkulierbaren Risiken geführt.
Die WMF hat naturgemäß keine dezidierte Position zur urheberrechtlichen Stellung von Briefmarken in Deutschland. Doch fühlt sie sich in ihrem Handeln zumindest auch an das geltende US-Copyright und insbesondere dessen Durchsetzungsmöglichkeiten im Zuge des Digital Millenium Copyright Act gebunden. [3]
Der urheberrechtliche Status von Briefmarken wird zwischen Teilen der deutschen WP-Community und der herrschenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur vollkommen unterschiedlich bewertet. [4] [5] Im Kern geht es dabei um die Bewertung von Briefmarken als amtliche Werke, auf welche die Schutzzweckbestimmungen des UrhR keinerlei Anwendung fänden. [6]
Nach intensiver Beratung mit der von uns beauftragten Kanzlei JBB sind wir zur Ansicht gelangt, dass das einzige einschlägige Urteil, auf das sich auf die Gemeinfreiheits-These berufen kann (LG München, AZ 21 S 20861/86) leider keine ausreichende Handlungsgrundlage bietet. Zum einen datiert es vom 10.3.1987, erging also noch vor der Privatisierung der Deutschen Bundespost. Von daher ist eine wesentliche Voraussetzung der damaligen Entscheidung nämlich die Aufnahme im Amtsblatt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen mittlerweile obsolet. Die Deutsche Post AG als privates Logistikunternehmen ist nicht auf die Produktion amtlicher und damit gemeinfreier Werke verpflichtet, so sehr wir dies auch bedauern mögen.
Zum anderen wird die damalige Urteilsbegründung in der rechtswissenschaftlichen Literatur einhellig angezweifelt (s. die einschlägigen UrhR-Kommentare etwa von Schricker, Bullinger, Nordemann und Dreier/Schulze). Vor allem Schricker (GRUR 1991, 645, 651) bringt das zentrale Argument vor, dass Briefmarken trotz ihres Charakters als Zahlungsmethode nicht aufgrund eines Interesses der Allgemeinheit veröffentlicht werden, da sie keine reinen Informationsträger darstellten.
Angewandt auf den konkreten Fall Loriot geht es also auch um die Frage, ob die Knollennasen-Briefmarken getreu oder außerhalb ihres originären Verwendungszwecks (als Zahlungsmittel) abgebildet wurden. Man kann dabei durchaus zu der Einschätzung gelangen, dass sie im Kontext eines biographischen WP-Artikels eher den spezifischen Stil oder die Arbeitsweise des Künstlers Loriots veranschaulichen sollen. Daher kann man sich der Sichtweise der Klägerin, dass es sich bei einer gestalteten Sonderedition eines Künstlers prinzipiell um ein schutzfähiges Werk handelt, u.E. nicht von vorneherein verschließen. Nicht zuletzt wird diese Meinung auch von dem Gericht geteilt, das über den konkreten Fall zu befinden hatte, nämlich das Landgericht Berlin. Es hat die Qualifikation der Briefmarken als amtliches Werk ausdrücklich verneint. Dies geschah in Kenntnis der Entscheidung des Landgerichts München, die die Antragstellerin dem Gericht ausdrücklich zur Kenntnis brachte. Das Gericht hat mit der Entscheidung folglich die Auffassung des Landgerichts München verworfen. Ungeachtet dieses konkreten Falls ist ein Klärungsprozess innerhalb der deutschen Community zur grundsätzlichen Umgangsweise mit Abbildungen von Briefmarken wichtig und richtig. [7] [8] [9]
[1] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Decision_re_Loriot_Stamps.pdf [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Office_Action bzw. http://meta.wikimedia.org/wiki/OFFICE [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Millennium_Copyright_Act [4] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Stamps/Public_domain#Germany [5] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu ngen_Briefmarken [6] http://www.rechtambild.de/2011/06/urheberrechtsschutz-von-briefmarken/ [7] http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Loriot#Briefmarken_gel.C3.B6scht [8] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Forum#Wohlfahrtsmarken_mit_Loriot- Motiven_sind_dem_DMCA_zum_Opfer_gefallen [9] http://commons.wikimedia.org/wiki/User_talk:Philippe_%28WMF%29#File:DPAG_201 1_55_Herren_im_Bad.jpg
Mit besten Grüßen
Jan
jan.engelmann@wikimedia.de (Jan Engelmann) am 16.11.11:
Die Löschung der Wohlfahrtsmarken mit den Loriot-Motiven "Das Frühstücksei", "Herren im Bad", "Auf der Rennbahn" und "Der Sprechende Hund" am 8.11.2011 war notwendig geworden, da eine Miterbin Loriots am Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen WMF erwirkt hatte, nachdem sie die Urheberrechte ihres Vaters vorsätzlich verletzt sah.
Wenn ich die Diskussion richtig verstanden habe, hat die Klägerin bereits im September eine Abmahnung in der Sache geschickt. An wen ging die genau? In welcher Form wurde darauf reagiert? Wurde versucht, einen Konsens oder eine gütliche Einigung zu erreichen? Ist dieser Vorgang irgendwo dokumentiert?
Rainer
Hallo Jan,
danke für die ausführliche und gut nachvollziehbare Erklärung. Ich schließe mich dem Wunsch an, von solchen ja für das Projekt nicht ganz unwesentlichen Vorgänge frühzeitig und aktiv zur Kennntis zu bekommen.
@ all: Unabhängig vom Streitgegenstand finde ich zudem bemerkenswert, dass von einem deutschen Gericht eine einstweilige Verfügung gegen die amerikanische Stiftung ausgesprochen wird. Das könnte die bisherige gefühlte Freiheit bei Community-Entscheidungen zu urheberrechtlichen Fragen in Zukunft etwas dämpfen.
Bei dieser Gelegenheit sei auf Geoff Brighams erste "Office Hour" am 2. Dezember verwiesen, in der er ab 19 Uhr (hiesiger Zeit) über die "broad legal strategy" der Foundation berichten wird: http://meta.wikimedia.org/wiki/IRC_office_hours#How_to_participate
Viele Grüße Martina
Am 16.11.2011 13:05, schrieb Jan Engelmann:
Lieber Alexander Juhrich, liebe Liste,
nach der Löschung von vier Loriot-Briefmarken aufgrund einer Office Action am 8. November häufen sich hier die Anfragen. Die Prominenz des Namens bringt damit eine Diskussion wieder in Schwung, die bereits im September unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu...
geführt wurde. Im Endeffekt könnte der konkrete Fall durchaus Auswirkungen darauf haben, wie künftig mit Briefmarken innerhalb DE:WP umgegangen wird. Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, die Beweggründe für die Löschung etwas näher zu erläutern:
Die Löschung der Wohlfahrtsmarken mit den Loriot-Motiven „Das Frühstücksei“, „Herren im Bad“, „Auf der Rennbahn“ und „Der Sprechende Hund“ am 8.11.2011 war notwendig geworden, da eine Miterbin Loriots am Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen WMF erwirkt hatte, nachdem sie die Urheberrechte ihres Vaters vorsätzlich verletzt sah. Verbunden damit war die Androhung strafrechtlicher Konsequenzen gegen die Verantwortlichen von Foundation bzw. deutschem Chapter. Die EV ist mittlerweile einsehbar. [1] Unabhängig von der Frage, ob diese Verfügung zu Recht ergangen ist, ist das mit der Verfügung ergangene Verbot zu beachten. Alleine deswegen schon mussten die Briefmarken entfernt werden.
Nach eingehender Analyse durch unsere Kanzlei JBB sowie das Legal Department der WMF sahen alle Beteiligten keine andere Möglichkeit als die unverzügliche Löschung – vorbehaltlich einer umfassenden Klärung des Sachverhalts . Die Löschung erfolgte auf dem Wege der „Office Action“, diente also der akuten Schadensabwehr. [2]
Der „Office Action“ seitens der WMF ging ein schwieriger Abwägungsprozess voraus. Der wichtigste Grund für diese außergewöhnliche Maßnahme betrifft die Sorgfaltspflicht gegenüber Dritten: Ein Verbleib der Briefmarken-Abbildung auf Commons und WP hätte insbesondere bei Nachnutzern zu unkalkulierbaren Risiken geführt.
Die WMF hat naturgemäß keine dezidierte Position zur urheberrechtlichen Stellung von Briefmarken in Deutschland. Doch fühlt sie sich in ihrem Handeln zumindest auch an das geltende US-Copyright und insbesondere dessen Durchsetzungsmöglichkeiten im Zuge des „Digital Millenium Copyright Act“ gebunden. [3]
Der urheberrechtliche Status von Briefmarken wird zwischen Teilen der deutschen WP-Community und der herrschenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur vollkommen unterschiedlich bewertet. [4] [5] Im Kern geht es dabei um die Bewertung von Briefmarken als amtliche Werke, auf welche die Schutzzweckbestimmungen des UrhR keinerlei Anwendung fänden. [6]
Nach intensiver Beratung mit der von uns beauftragten Kanzlei JBB sind wir zur Ansicht gelangt, dass das einzige einschlägige Urteil, auf das sich auf die Gemeinfreiheits-These berufen kann (LG München, AZ 21 S 20861/86) leider keine ausreichende Handlungsgrundlage bietet. Zum einen datiert es vom 10.3.1987, erging also noch vor der Privatisierung der Deutschen Bundespost. Von daher ist eine wesentliche Voraussetzung der damaligen Entscheidung – nämlich die Aufnahme im “Amtsblatt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen” – mittlerweile obsolet. Die Deutsche Post AG als privates Logistikunternehmen ist nicht auf die Produktion amtlicher und damit gemeinfreier Werke verpflichtet, so sehr wir dies auch bedauern mögen.
Zum anderen wird die damalige Urteilsbegründung in der rechtswissenschaftlichen Literatur einhellig angezweifelt (s. die einschlägigen UrhR-Kommentare etwa von Schricker, Bullinger, Nordemann und Dreier/Schulze). Vor allem Schricker (GRUR 1991, 645, 651) bringt das zentrale Argument vor, dass Briefmarken trotz ihres Charakters als Zahlungsmethode nicht aufgrund eines „Interesses der Allgemeinheit“ veröffentlicht werden, da sie keine reinen „Informationsträger“ darstellten.
Angewandt auf den konkreten Fall Loriot geht es also auch um die Frage, ob die Knollennasen-Briefmarken getreu oder außerhalb ihres originären Verwendungszwecks (als Zahlungsmittel) abgebildet wurden. Man kann dabei durchaus zu der Einschätzung gelangen, dass sie im Kontext eines biographischen WP-Artikels eher den spezifischen Stil oder die Arbeitsweise des Künstlers Loriots veranschaulichen sollen. Daher kann man sich der Sichtweise der Klägerin, dass es sich bei einer gestalteten Sonderedition eines Künstlers prinzipiell um ein schutzfähiges Werk handelt, u.E. nicht von vorneherein verschließen. Nicht zuletzt wird diese Meinung auch von dem Gericht geteilt, das über den konkreten Fall zu befinden hatte, nämlich das Landgericht Berlin. Es hat die Qualifikation der Briefmarken als amtliches Werk ausdrücklich verneint. Dies geschah in Kenntnis der Entscheidung des Landgerichts München, die die Antragstellerin dem Gericht ausdrücklich zur Kenntnis brachte. Das Gericht hat mit der Entscheidung folglich die Auffassung des Landgerichts München verworfen. Ungeachtet dieses konkreten Falls ist ein Klärungsprozess innerhalb der deutschen Community zur grundsätzlichen Umgangsweise mit Abbildungen von Briefmarken wichtig und richtig. [7] [8] [9]
[1] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Decision_re_Loriot_Stamps.pdf [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Office_Action bzw. http://meta.wikimedia.org/wiki/OFFICE [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Millennium_Copyright_Act [4] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Stamps/Public_domain#Germany [5] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu... [6] http://www.rechtambild.de/2011/06/urheberrechtsschutz-von-briefmarken/ [7] http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Loriot#Briefmarken_gel.C3.B6scht [8] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Forum#Wohlfahrtsmarken_mit_Loriot-... [9] http://commons.wikimedia.org/wiki/User_talk:Philippe_%28WMF%29#File:DPAG_201...
Mit besten Grüßen
Jan
Hallo, Am Mittwoch 16 November 2011, 20:27:08 schrieb Martina Nolte:
Ich schließe mich dem Wunsch an, von solchen ja für das Projekt nicht ganz unwesentlichen Vorgänge frühzeitig und aktiv zur Kennntis zu bekommen.
Rechtstreitigkeiten gleich welcher Art eignen sich eher weniger dazu, einem Drittem frühzeitig Kenntnis zu geben; sei es weil es die Prozessstragie untergräbt, sei es weil es eine gütliche Einigung erschwert oder weil man es schlicht nicht darf.
Mit freundlichen Grüßen DaB.
Unfug. Dass es eine Abmahnung / einen EV-Antrag gibt, untergräbt weder eine Strategie noch ist das verboten. Bei Lutz Heilmann war das jedenfalls überhaupt kein Thema; im Gegenteil.
Am 16.11.2011 23:08, schrieb DaB.:
Hallo, Am Mittwoch 16 November 2011, 20:27:08 schrieb Martina Nolte:
Ich schließe mich dem Wunsch an, von solchen ja für das Projekt nicht ganz unwesentlichen Vorgänge frühzeitig und aktiv zur Kennntis zu bekommen.
Rechtstreitigkeiten gleich welcher Art eignen sich eher weniger dazu, einem Drittem frühzeitig Kenntnis zu geben; sei es weil es die Prozessstragie untergräbt, sei es weil es eine gütliche Einigung erschwert oder weil man es schlicht nicht darf.
Mit freundlichen Grüßen DaB.
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Am Mittwoch 16 November 2011, 23:17:06 schrieb Martina Nolte:
Bei Lutz Heilmann war das jedenfalls überhaupt kein Thema; im Gegenteil.
könnte daran gelegen haben, dass ein Abschalten der Weiterleitung wikipedia.de→de.wikipedia.org doch dem Einem oder Anderem auffällt…
Die damalige Abschaltung wurde gerne zu Stellungnahmen zum laufenden Verfahren genutzt. Hat nette Spenden gebracht. Loriot ist beliebt, die Sache ist moralisch nicht so eindeutig nach außen darstellbar wie damals.
Mit Stillschweigen zum laufenden Verfahren - wie du annahmst, DaB - hat das jedenfalls nix zu tun. Die EV erging am 6. Oktober, also vor mehr als einem Monat.
Spätestens anstelle der knappen Basta-Erklärungen des OA-Accounts der Foundation hätte WMDE auch ruhig mal seine Mitglieder und die betroffenen Projekte aktiv informieren können statt abzuwarten bis sich "die Anfragen häufen".
Wie oft sollen wir noch den Beteuerungen glauben, man arbeite an einer besseren Kommunikation mit der Basis?
Martina
Am 16.11.2011 23:40, schrieb DaB.:
Am Mittwoch 16 November 2011, 23:17:06 schrieb Martina Nolte:
Bei Lutz Heilmann war das jedenfalls überhaupt kein Thema; im Gegenteil.
könnte daran gelegen haben, dass ein Abschalten der Weiterleitung wikipedia.de?de.wikipedia.org doch dem Einem oder Anderem auffällt...
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Hallo, Am Donnerstag 17 November 2011, 00:02:56 schrieb Martina Nolte:
Wie oft sollen wir noch den Beteuerungen glauben, man arbeite an einer besseren Kommunikation mit der Basis?
auch wenn ich mich wiederhole: Rechtstreitigkeiten sind nicht dazu geeignet, sie Dritten mitzuteilen. Ich frage mich auch, was es geholfen hätte, wenn den Mitglieder früher bekannt gewesen wäre, dass gegen die WMF eine einstweilige Verfügung erklagt wurde? Hättet ihr die Tochter von Loriot einen Besuch mit Mistgabeln und Fackeln abgestattet? Oder der WMF jeder 5€ gespendet, damit sie sich wehren kann? Oder in einem Bildersturm schonmal alle Briefmarken in commons und dewp gelöscht? Was sicher nicht passiert wäre, wäre Folgendes: Ganz unaufgeregt nach Lösungen (auf politischem, juristischem oder persönlichem Weg) gesucht.
Oder wird hier ein Drama konstruiert, weil am Samstag mal wieder Wahlen sind?
Mit freundlichen Grüßen DaB.
Am 17.11.2011 00:35, schrieb DaB.:
Hallo, Am Donnerstag 17 November 2011, 00:02:56 schrieb Martina Nolte:
Wie oft sollen wir noch den Beteuerungen glauben, man arbeite an einer besseren Kommunikation mit der Basis?
auch wenn ich mich wiederhole: Rechtstreitigkeiten sind nicht dazu geeignet, sie Dritten mitzuteilen.
Wer ist aus deiner Sicht der Dritte, diese Frage ist ungeklärt! Und ist das deine Privatmeinung oder findest du diesen Satz in einem nennenswerten Standardwerk zur Rechtswissenschaft? Wenn ja, dann bitte Quelle!
Ich frage mich auch, was es geholfen hätte, wenn den Mitglieder früher bekannt gewesen wäre, dass gegen die WMF eine einstweilige Verfügung erklagt wurde?
Es hätte uns geholfen, nicht schon wieder dieselbe Diskussion anzufangen, welche in den letzten Diskussionen ähnlicher Art dazu geführt hat, dass es eingesehen wurde, dass die Kommunikationsstrategie des Vereins gegenüber ihren Mitgliedern und der Community schlichtweg Scheisse war.
Aber offenbar ist es nicht verstanden worden, dass es eine analoge Auslegung eines Sachverhalts geben kann, der auf das Versprechen anwendbar ist, welche die Vereinsleitung nach ihren Kommunikationsdesastern in diesem Jahr den Mitgliedern und der Community gegeben hat.
Hättet ihr die Tochter von Loriot einen Besuch mit Mistgabeln und Fackeln abgestattet? Oder der WMF jeder 5€ gespendet, damit sie sich wehren kann? Oder in einem Bildersturm schonmal alle Briefmarken in commons und dewp gelöscht? Was sicher nicht passiert wäre, wäre Folgendes: Ganz unaufgeregt nach Lösungen (auf politischem, juristischem oder persönlichem Weg) gesucht.
Wie weißt du, was passiert wäre, wenn es grundsätzlich der Community untersagt wird darüber zu befinden, was sie tun sollte, wenn man sie fragen würde, was sie tun würde, wenn sie nur dürfte, wüsste sie rechtzeitig, worüber sie befinden könnte.
Zusammengefasst: Im Verein sitzt eine Elite der deutschen Wikipediaintelligenz, welche sich langsam, über Jahre herausgebildet hat. Wer dazugehört hat eo ipso bewiesen, zu dieser Intelligenz zu gehören, wer nicht dazu gehört hat damit bewiesen, dass er nicht intelligent genug ist, sich solchen Problemen anzunähern. Also muss man verhindern, dass sie es versucht. Das macht man am besten dadurch, dass man der Community erst gar keine Denkaufgaben gibt.
Oder wird hier ein Drama konstruiert, weil am Samstag mal wieder Wahlen sind?
Ist da jetzt eine weitere Keule nach der wir-haben-zu-viel-Personal-Keule? Reine Anlassdiskussion ohne wirklichen Inhalt, deswegen wertlos? Ich weise darauf hin, Peter Jacobi ist - wie er vorausgeschickt hat - kein Mitglied von WMDE, somit auch nicht wahlberechtigt. Wie auch ich nicht.
Mit freundlichen Grüßen DaB.
auch freundlich h
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Hallo Martina,
vorab, damit es nicht die Falschen trifft: Diese Art der juristische Auseinandersetzungen findet zwischen uns (Jan und ab und an mir), dem Support-Team, den gegenerischen Anwälten, unseren Anwälten und ggfls. der WMF statt. Der Vorstand ist zwar informiert, aber nicht involviert. Lediglich wenn der Verein direkt betroffen ist (also Objekt einer EV oder einer Klage ist), binde ich den Vorstand unmittelbarer ein. Dafür gibts ja einen Geschäftsführer.
Wie oft sollen wir noch den Beteuerungen glauben, man arbeite an einer besseren Kommunikation mit der Basis?
Nicht jedes Mal, wenn Du Dich nicht ausreichend informiert fühlst, liegt auch objektiv eine Kommunikationspanne vor. Ich werde jetzt nicht die ganze Historie der Gespräche vor der EV und danach aufdröseln - aber aus meiner Sicht ist da keinen Fehler von uns gemacht worde, nicht in inhaltlicher und nicht in zeitlicher Sicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Pavel Richter Geschäftsführer
Wikimedia Deutschland e.V. Tel.: +49-151-19645755 Twitter: @pavel
Am 16.11.2011 23:08, schrieb DaB.:
Hallo, Am Mittwoch 16 November 2011, 20:27:08 schrieb Martina Nolte:
Ich schließe mich dem Wunsch an, von solchen ja für das Projekt nicht ganz unwesentlichen Vorgänge frühzeitig und aktiv zur Kennntis zu bekommen.
Rechtstreitigkeiten gleich welcher Art eignen sich eher weniger dazu, einem Drittem frühzeitig Kenntnis zu geben; sei es weil es die Prozessstragie untergräbt, sei es weil es eine gütliche Einigung erschwert oder weil man es schlicht nicht darf.
1. Wer ist der Dritte? Die Community? - nö, wir sind unmittelbar betroffen, Wikipedia ist unsere Sache. 2. Es gibt beim Antrag einer EV keine Prozessstrategie. Von keiner Seite. Abgesehen davon, sie hat zwar Wirkung, kann aber selbstverständlich beeinsprucht werden. 3. Eine EV ist keine gütliche Einigung. Was davor passiert, ist etwas anderes - möglicherweise gab des den Versuch einer gütlichen Einigung. 4. Alles darf man. Nichts muss man. Es gibt in solchen Fällen keine Geheimahltungspflicht. Außer man vereinbart mit dem Antragsteller ausdrücklich eine Geheimhaltung. Aber das benötigt es nicht, denn wir wissen ja aus Erfahrung, dass die größte Gefahr für die Beteiligten in so einem Fall immer von der Community ausgeht (der geheime Feind... von wem eigentlich, der WMF, WMDE?), also wird man sie am besten niemals in ihre Angelegenheiten einbinden. Das würde auch die Autorität der WMDE Geschäftsleitung bzw. des Vorstands in Frage stellen. 5. Würde Loriot noch leben und arbeitsfähig sein, er würde mit Sicherheit einen seiner besten Sketches liefern. Und zwar zu Gunsten der Community.
h.
Mit freundlichen Grüßen DaB.
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Guten Tag,
ich moechte als Servicetweet nur kurz folgende zwei Presseberichte erwaehnen zum Sachverhalt:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,798212,00.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Loriot-Erben-verklagen-Wikipedia-1380...
Mathias
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