Am 25.11.2010 17:02, schrieb Olaf Simons:
Wir sollten nicht unbedingt Wissenschaftler als
Artikel-Autoren gewinnen.
Passt. Allerdings würde ich andere Konsequenzen ziehen wollen.
Deine Darstellung ist ziemlich interessant, ergänzt sie doch aus geisteswissenschaftlicher Sicht Statements von Naturwissenschaftlern, die im Rahmen der Academy abgegeben wurden. Hier waren die Beweggründe anders, denn es geht bei Naturwissenschaftlern selten um Schulen, Strömungen oder Positionen, sondern meist um rein Faktisches. Trotzdem gibt es aber auch hier noch viel zu wenige Aktive. Beide Perspektiven lassen sich meines Erachtens prinzipiell auf die von David Ludwig in der Keynote formulierte Einsicht zurückführen: "Wikipedia besitzt kein Reputationssystem.".
Die Wikipedia ist für viele Wissenschaftler auch ein Kulturschock: der Gedanke, dass Laien in der Wikipedia gleichberechtigt neben ihnen agieren dürfen, die Existenz von Vandalismus, die (scheinbar) fehlende Zuschreibung an Autoren, die "Unabgeschlossenheit" der Texte oder auch die Angst davor, zuviel Wissen freizugeben und so etwas zu verlieren. Das Problem, das hier auftaucht, ist zu einem gewissen Stück auch, das Wissenschaft selbst ein nur wenig offenes System mit wenig Anknüpfungspunkten darstellt. Wie groß die Differenz dahin ist, machte der Academy-Vortrag von Daniel Mietchen klar, der in seinem Vortrag "Wissenschaft als Wiki" exemplarisch ein komplett anderes Bild einer möglichen Wissenschaft entwarf: [1]
Vielleicht ist es ein Fehler in den bisherigen Ansätzen, Einzelpersonen adressieren zu wollen, für die die Frage nach der Reputation ihrer Arbeit meist viel wichtiger ist. Alles andere kommt irgendwann lang danach, inklusive der aufklärerischen Idee, die Welt an ihrem Wissen teilhaben zu lassen :(
Für Wissenschaftler spricht nichts dagegen diese Beiträge unter eine Commons-Lizenz zu stellen. Sie erhalten auch bei Rodopi, Metzler oder Reclam nichts für ihre Arbeit. Wichtig ist für sie, dass klar ist,
was sie wann schrieben.
In den Vorträgen des zweiten Tages der Academy klang das (evtl. auch hier ein Unterschied der Disziplinen) deutlich anders - die Angst vor der mangelnden Kontrolle des Materials (könnte ja dem Konkurrenten zugute kommen), die Frage nach der wichtigen Anhäufung von Impact-Faktoren, die man nicht über die Mitarbeit in einem "Forscherwiki" zustande bekommt, der Unwille von Kollegen, aus Wikis zu zitieren, egal wer da schreibt .... eine Menge Gründe wurden da angeführt, nicht zuletzt auch das schlichte "Kenn ich nich' - will ich nich'.". Ich entsinne mich noch an ein Wort zur Verbreitung von Open Access (hier nach Southpark zitiert [3]): "ein wirklich gut informierter SPrachwissenschaftler hat schon mal vage gehört, dass es sowas wie OA gibt" - dass Freie Lizenzen da wesentlich besser durchschlagen, halte ich für eine mutige These.
Anders ist dies bei Organisationen - zum Beispiel Universitäten oder Instituten. Hier gibt es oft gemeinsame Interessen. Die Wikipedia lässt sich z.B. zu beiderseitigem Nutzen in der Lehre als eine Art Lern- und Lehrplattform einsetzen, so wie es zum Beispiel das Wiwiwiki.net in den Wirtschaftswissenschaften tut, das en-WikiProject "Murder Madness and Mayhem" [2] in der Literatur Lateinamerikas oder -viel weiter gezogen- die PPI-Initiative der Wikimedia Foundation. Auch der Ansatz, dass Forschungsinstitute ihre Arbeitsgebiete als Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit in der Wikipedia präsentieren, wäre -adäquat ausgearbeitet- denkbar.
Vielleicht also mehr Wissenschaft als Wissenschaftler? Vielleicht macht es einfach mehr Sinn, in Zukunft dort zu agieren, wo bereits Schnittstellen bestehen, als künstlich welche konstruieren zu wollen?
Gruß, Denis Barthel
[1] http://www.science3point0.com/coaspedia/index.php/User:Daniel_Mietchen/Talks...
[2] http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:WikiProject_Murder_Madness_and_Mayhem
[3] http://asinliberty.blogspot.com/2010/11/wikipedia-academy-liveblogging-samst...
Moin Denis, Ich verstehe die Thesen (zumal ich einmal an einem universitären Institut ein Wiki einrichteten). Zweierlei: Die Wissenschaften werden sich bewegen, doch muss man auch ihren Freiraum begreifen - und der ist begrnzt.
Wikipedia sollte sich bewegen und darüber nachdenken, wie es Wissenschaftler dort abpasst, wo sie publizieren. Sie benötigen wissenschaftliche Journale und Forschungsbände in enen sie Beiträgen zu einem Thema publizieren. Sie benötigen hier wie dort das Peer-Reviewing, das WP nicht bieten kann. WP kann ihnen indes mediale Öffentlichkeit geben - eben über eine eigene Reihe, in der Wissenschaftler ganz wie bei Rodopi oder Cambridge University Press nach ihren eigene Spielregeln publizieren. Die Commons-Lizenz ist dabei überhaupt kein Problem, auch nicht dass man ihre Arbeiten ausschölachten könnte. Ich profitiere von jeder Verwenduing meiner Arbeit, die mich zitiert, ich kriege Jobs, wenn ich öffentlich diskutiert werde, ich mache gar keinen sonstigen großen Gewinn mit meiner Veröffentlichung. In Wikipeia der online Enzyklopädie ist Commons ein Problem, da mein Beitrag am Artikel letztlich nicht identifiziert wird. Niemand kennt mich als Autor - auch wenn ich laut Versionsgeschichte unter Klarnamen editiere. Jeder in Fachkreisen kann mich indes als Autor vermuten, sobald ich spezifisches Wissen und spezifische Perspektiven anbiete und wird dabei nicht wissen, was alles nicht von mir in diesem Artikel ist - beides, darauf wollte ich hinweisen, ist haarig. Die Lage sieht bei Abbildungen besser aus (ich riskierte einige Vorveröffentichungen aus meinem laufenden Forschungsprojekt über Commons, da die einzelne statistische Grafik letztlich mit mir verbunden bleibt. Dass andere sie in ihren Publikationen kostenlos benutzen können, ist ok. Ich profitiere von jedem Zitat, das meinen Namen draußen herumtreibt.
Ich denke, wir werden darüber nachdenken müssen, dass WP kein Medium für wissenschaftliche Arbeit ist. Sie reflektiert diese im optimalen Fall kritisch, und das haben wir intern so halbwegs begriffen, wenn wir Sätze wie no original research formulieren. (ist natürlich Unsin, da was immer ich als Mann vom Fach schreibe, untrennbar mit meiner Perspektive verbunden ist - und gerade das wil jedes andere Lexikon, das mich um einen Beitrag bittet). Wenn wir Wissenschaftler bei uns haben wollen, müssen wir Medien für wissenschaftliche Arbeit schaffen - peer-reviewed, abgeschlossen zitierbar, an Bibliotheken vertrieben, als online-ressourcen vernetzt. Wenn ein Tagungsband bei WP erscheint (WP kann da große Verlage unterbieten, die derzeit von DFG Druckkostenzuschüssen leben und für Wissenschaftler darum eigentlich gar nicht so interessant sind), wenn zweitens die Beiträge zudem online publiziert werden auf einer eigenen WP-Plattform, auf der sie datiert und abgeschlossen stehen - zitierbar, peer-reviewed wie im gedruckten Band. Dann können wir den online Beitrag mit WP verlinken, in WP ausschlachten, und: Autoren dazu ermuntern, nachzusehen, ob die Artikel in WP, in die hinein ihr Beitrag verlinkt, auch auf einem guten Stand sind. Dann trennt sich etwas wichtiges: Ich gebe meine Meinung mit Point of view als meine Meinung auf der einen Plattform an ganz wie ein Wissenschaftler es tun soll. Ich sehe WP demgegenüber als online-Enzyklopädie, die Arbeiten wie die meinige ausnutzt. Es ist für den Wissenschaftler ja von Vorteil in WP zitiert zu werden. Mein Plädoyer ist es zu verstehen, wie Wissenschaftler publizieren müssen, und ihnen dazu eine Plattform bei WP zu geben, Aufgaben zu trennen statt von einer Zukunft zu träumen, in der das Handbuch, das WP nun einmal ist, Wissenschaft einer neuen Menschheit sein wird.
Zur Zeit regiert in WP und WM die Vermutung, dass es eine wissenschaftliche WP geben könne. Das ist eine prekäre Utopie, da das Geschäft des Handbuchwissens und des Lexikonartikels ganz ehrlich Pseudowissenschaft ist, eine sekundäre Ausschlachtung von Wissenschaft. Das weiß der Dozent, der darunter leidet, dass seine Studenten WP zitieren, statt Wissenschaft zu betreiben. Er will, dass sie wissenschaftlich fundiert ihren Point of view anbieten und erhält von ihnen was sie selbst als Privatmeinungen ausweisen mit billigem WP-Wissen unterfüttert. Wir haben mit all unseren Redaktionsrichtlinien keinen klaren Begriff entwickelt von der tatsächlichen Differenz zwischen WP und den Wissenschaften - beide benötigen einander ganz anders als wir das bislang wahr haben wollen. Wir träumen da noch etwas von einer anderen Wissenschaft und einer anderen Wikipedia und der Auflösung einer tatsächlich wissenschaftsnotwendigen Spannung aus Theoriebildung, öffentlich ausgeübter persönlicher Verantwortung und Forschung bei aller Objektivität auf die Wissenschaftler dabei ganz eigen abzielen. Olaf
Denis Barthel denis@denis.net hat am 26. November 2010 um 14:40 geschrieben:
Am 25.11.2010 17:02, schrieb Olaf Simons:
Wir sollten nicht unbedingt Wissenschaftler als
Artikel-Autoren gewinnen.
Passt. Allerdings würde ich andere Konsequenzen ziehen wollen.
Deine Darstellung ist ziemlich interessant, ergänzt sie doch aus geisteswissenschaftlicher Sicht Statements von Naturwissenschaftlern, die im Rahmen der Academy abgegeben wurden. Hier waren die Beweggründe anders, denn es geht bei Naturwissenschaftlern selten um Schulen, Strömungen oder Positionen, sondern meist um rein Faktisches. Trotzdem gibt es aber auch hier noch viel zu wenige Aktive. Beide Perspektiven lassen sich meines Erachtens prinzipiell auf die von David Ludwig in der Keynote formulierte Einsicht zurückführen: "Wikipedia besitzt kein Reputationssystem.".
Die Wikipedia ist für viele Wissenschaftler auch ein Kulturschock: der Gedanke, dass Laien in der Wikipedia gleichberechtigt neben ihnen agieren dürfen, die Existenz von Vandalismus, die (scheinbar) fehlende Zuschreibung an Autoren, die "Unabgeschlossenheit" der Texte oder auch die Angst davor, zuviel Wissen freizugeben und so etwas zu verlieren. Das Problem, das hier auftaucht, ist zu einem gewissen Stück auch, das Wissenschaft selbst ein nur wenig offenes System mit wenig Anknüpfungspunkten darstellt. Wie groß die Differenz dahin ist, machte der Academy-Vortrag von Daniel Mietchen klar, der in seinem Vortrag "Wissenschaft als Wiki" exemplarisch ein komplett anderes Bild einer möglichen Wissenschaft entwarf: [1]
Vielleicht ist es ein Fehler in den bisherigen Ansätzen, Einzelpersonen adressieren zu wollen, für die die Frage nach der Reputation ihrer Arbeit meist viel wichtiger ist. Alles andere kommt irgendwann lang danach, inklusive der aufklärerischen Idee, die Welt an ihrem Wissen teilhaben zu lassen :(
Für Wissenschaftler spricht nichts dagegen diese Beiträge unter eine Commons-Lizenz zu stellen. Sie erhalten auch bei Rodopi, Metzler oder Reclam nichts für ihre Arbeit. Wichtig ist für sie, dass klar ist,
was sie wann schrieben.
In den Vorträgen des zweiten Tages der Academy klang das (evtl. auch hier ein Unterschied der Disziplinen) deutlich anders - die Angst vor der mangelnden Kontrolle des Materials (könnte ja dem Konkurrenten zugute kommen), die Frage nach der wichtigen Anhäufung von Impact-Faktoren, die man nicht über die Mitarbeit in einem "Forscherwiki" zustande bekommt, der Unwille von Kollegen, aus Wikis zu zitieren, egal wer da schreibt .... eine Menge Gründe wurden da angeführt, nicht zuletzt auch das schlichte "Kenn ich nich' - will ich nich'.". Ich entsinne mich noch an ein Wort zur Verbreitung von Open Access (hier nach Southpark zitiert [3]): "ein wirklich gut informierter SPrachwissenschaftler hat schon mal vage gehört, dass es sowas wie OA gibt" - dass Freie Lizenzen da wesentlich besser durchschlagen, halte ich für eine mutige These.
Anders ist dies bei Organisationen - zum Beispiel Universitäten oder Instituten. Hier gibt es oft gemeinsame Interessen. Die Wikipedia lässt sich z.B. zu beiderseitigem Nutzen in der Lehre als eine Art Lern- und Lehrplattform einsetzen, so wie es zum Beispiel das Wiwiwiki.net in den Wirtschaftswissenschaften tut, das en-WikiProject "Murder Madness and Mayhem" [2] in der Literatur Lateinamerikas oder -viel weiter gezogen- die PPI-Initiative der Wikimedia Foundation. Auch der Ansatz, dass Forschungsinstitute ihre Arbeitsgebiete als Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit in der Wikipedia präsentieren, wäre -adäquat ausgearbeitet- denkbar.
Vielleicht also mehr Wissenschaft als Wissenschaftler? Vielleicht macht es einfach mehr Sinn, in Zukunft dort zu agieren, wo bereits Schnittstellen bestehen, als künstlich welche konstruieren zu wollen?
Gruß, Denis Barthel
[1] http://www.science3point0.com/coaspedia/index.php/User:Daniel_Mietchen/Talks...
[2] http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:WikiProject_Murder_Madness_and_Mayhem
[3] http://asinliberty.blogspot.com/2010/11/wikipedia-academy-liveblogging-samst...
VereinDE-l mailing list VereinDE-l@lists.wikimedia.org https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/vereinde-l
Am 26.11.10 15:27 schrieb Olaf Simons:
Ich denke, wir werden darüber nachdenken müssen, dass WP kein Medium für wissenschaftliche Arbeit ist. Sie reflektiert diese im optimalen Fall kritisch, und das haben wir intern so halbwegs begriffen, wenn wir Sätze wie no original research formulieren. (ist natürlich Unsin, da was immer ich als Mann vom Fach schreibe, untrennbar mit meiner Perspektive verbunden ist - und gerade das wil jedes andere Lexikon, das mich um einen Beitrag bittet). [...]
Zur Zeit regiert in WP und WM die Vermutung, dass es eine wissenschaftliche WP geben könne. [...]
Sehr spannende Diskussion, schön, daß ich rechtzeitig wieder online bin. ;-) Da gehen aber einige Punkte durcheinander, die ich gerne trennen würde:
1. (Auch meine) Forderung nach wissenschaftlichen Belegen für WP-Artikel. Die kann nur erfüllen, wer selbst wissenschaftlich ausgebildet ist und aufgrund dessen selbst mit Quellen arbeiten und sie zitieren kann. Wir brauchen also nicht unbedingt "Wissenschaftler" als Autoren, aber wissenschaftlich ausgebildete Autoren, weil das eine Voraussetzung für fundierte Artikel ist.
2. Die Schwierigkeiten, mit denen speziell Wissenschaftler konfrontiert sind, die etwas zu WP-Artikeln beitragen möchten. Natürlich liefern sie dann "original research" ab -- was denn sonst? Das macht aber nichts, solange ihre Beiträge alle erheblichen Fundstellen zutreffend zitieren und keine Meinung unterschlagen wird. Soweit sich hier "Schlagseite" ergeben sollte, kann sie im Wiki weiter diskutiert und verarbeitet werden.
3. Der Umgang der Benutzer mit dem Material, das sie der WP entnehmen können: Je kompetenter der Benutzer ist (sowohl allgemein, d.h. im Umgang mit Medien, als auch speziell im Umgang mit dem Wiki "Wikipedia", als auch fachlich, bezogen auf den einzelnen Artikel), desto "besser" wird er mit Wikipedia umgehen können. Insoweit könnte man das Schulprojekt durchaus auf den universitären Bereich ausdehnen, gerade weil es sich bei Wikis um eine ganz neue Form von Quellen handelt, mit denen man erst einmal umgehen lernen muß.
Und ich würde mir tatsächlich wünschen, daß Wikipedia irgendwann einmal zumindest neben die etablierten Handbücher etc. treten kann und damit wissenschaftliche Information nachhaltig wirklich frei zugänglich wird. Das ist zumindest mein Ziel, wenn ich an juristischen Artikeln mitschreibe, wo weiterhin die großen Fachverlage und Datenbankeanbieter ihr Informations-Oligopol innehaben. Die Angabe "Juris-Dokument Nr. ..." (Preis für Einzelnutzer: 1800 Euro/Jahr für die Vollversion, obwohl mit Steuergeldern aufgebaut und immer noch mehrheitlich im öffentlichen Besitz) gilt als wissenschaftliches Zitat, während "http://de.wikipedia.org..." keines sein sollte? Das sollte man schon ändern, finde ich.
Jürgen.
Nun ja, Jürgen -
nur an den Fragen, die ich gestellt haben wollte, geht das vorbei: Wie können wir verhindern, dass Wissenschaftler, wenn sie bei uns schreiben, eine bestimmte Arbeitsleistung effektiv für sich selbst unbrauchbar machen?
Wenn ich bei der ''Enzyklopädie der frühen Neuzeit'' einen Artikel schreibe, steigert das meinen Marktwert. Andere Handbücher und Lexika werden mich um ähnliche Perspektiven bitten.
Wenn ich dasselbe in Wikipedia veröffentliche, mache ich es mir unmöglich, selbst danach noch einmal eben das abgewandelt zu sagen (trotz Creative Commons und trotz der Tatsache, dass ich der Autor bin). Original Research ist dabei gar nicht unbedingt meine das was ich verschenke. Die Leistung in einem Artikel wie [[Roman]] oder [[Aufklärung]] ist es, mit breiter Lektüre Linien durch ein unwegsames Gelände zu legen, Aspekte konsistenter in den Blick zu nehmen, im Artikel Fragen aufzuwerfen und sie dann auch zu verfolgen. Sollte ich eine Veröffentlichung andernorts zum Thema machen, werden meine Peer-Reviewer das Gefühl haben: Der holt sein Wissen aus Wikipedia, dem fällt keine bessere Herangehensweise und keine bessere Gliederung und Problemstellung ein, als diese...Ich könnte natürlich in der ''Enzyklopädie der frühen Neuzeit'' in einer Fußnote vermelden, dass ich das alles ausführlicher in Wikipedia sagte, auch eine Art Selbstmord. Ich weiß auf diese Frage ehrlich gesagt keine gute Antwort.
Dass wir Autoren von Artikeln benennen, ist nicht unser Ziel. Und das bringt mich zu dem von uns allen zur Kenntnis genommenen Paradox: Die Zedler-Medaille bricht mit unserer gesamten Selbstdefionition des kollektiven Lexikons: da steht plötzlich einer als Hauptautor im Raum, kassiert den Preis ab, gibt vielleicht gar sein Pseudonym dafür preis oder wir eiern drumherum - er kriegt ein Photo aber keinen bürgerlichen Namen... Unsägliches wird dabei zu der heimlichen Elite von Wikipedia dem anwesenden Publikum eröffnet, dem wir plötzlich erklären, dass unsere besten Artikel nur von jeweils einem Autor stammen (ich war auf der Veranstaltung).
Einfach nur zu sagen: wir werden immer wissenschaftlicher, das ist zu einfach - es erklärt uns nicht, warum wir mit bestimmten Autoren ein Problem haben. Meine Kollegen am hiesigen Forschungszentrum kann ich nicht dazu verlocken, den Aufklärungsartikel zu überarbeiten. Sie halten es für extrem unprofessionell, dass ich in einem solchen Medium mein Wissen "verbrate". Spaßig finden sie meinen Spaß daran im selben Moment, da sie alle WP benutzen. Mir gibt das zu denken, dass ich meine eigenen Kollegen, die täglich WP nutzen, nicht gewinnen kann. Theoretisch könnten die ein Kontaktnetz in WP aufbauen, sich als Wissenschaftler darin treffen - das tun sie in Facebook und auf Konferenzen, aber nicht bei uns. Und auch das ist eben eine Frage: Angenommen Prof. X schreibt einen Artikel. Würden wir den denn wirklich gerne auf dem Podium die Zedler-Medaille verleihen? Ich weiß nicht, ob das gut wäre - die Medaille hat gerade im Moment ihren Charme, da sie Unbekannte plötzlich aus dem Nichts heraus ehrt.
Ich habe da jede Menge gemischte Gefühle und sehe nicht ein Nachdenken über die Situation, die wir suchen. Kompass 2020 ist da blumig mit einer netten Prozentangabe für Akademiker. Im Konkreten sind die Schritte eher prekär. Das fällt im Moment nicht auf, da wir uns für jede deutsche Institution als Partner gut machen - davon leben wir, nicht so sehr vom guten Konzept, das mit der Zedler Medaille oder unseren Versionsgeschichten präsent wird. Im Moment sind Studenten mit wissenschaftlichen Ambitionen unsere Traumautoren - alles andere ist unrealistisch gedacht.
Noch eins: Es könnte gut sein, innerhalb von WP besser abzugrenzen, was allgemein und was wissenschaftlich ist. Die Enzyclopaedica Britannica hatte da die Trennung in Micro and Macropaedia - mehrere Bände kurze Artikel gegenüber mehreren Bänden mit ausgewählten Großartikeln von Wissenschaftlern für Wissenschaftler. Bei uns gibt es recht unentschieden Artikelanfänge für Jedermann und Fortlaufendes, was mitunter nach drei Sätzen nur noch für den wissenschaftlichen Nachwuchs verständlich ist.
Denkbar eine farbig unterlegte Sektion Allgemeinwissen und eine wissenschaftliche Sektion - das mag vor allem nach außen signalisieren, dass wir uns jetzt nicht mehr als Allgemeinlexikon für Oma, sondern als beides definieren: aktuelle algemeine Ressource und Konkurrenz für wissenschaftliche Lexika. Denkbar auch, dass wir uns irgendwie ostenativer zu Autoren bekennen, wo diese ihr Fach einbringen, und unseren Lesern ein Gefühl geben, dass sie sich dem Artikel anvetrauen können, da hier jemand mit Studium des Faches schrieb. Ich sage das nicht, um genau das zu erreichen. Ich weiß durchaus nicht, ob WP danach noch dasselbe ist. Ich sage es eher als Denkanstoß dazu, wohin Entwicklungen theoretisch laufen könnten. Ich hätte da gerne ein klareres Nachdenken über die WP von morgen. Möglich ist ein Nachdenken mit Modellen, gegen die wir uns entscheiden, aber die wir benennbar durchdacht haben...
Gruß, Olaf
Juergen Fenn schrieb:
Am 26.11.10 15:27 schrieb Olaf Simons:
Ich denke, wir werden darüber nachdenken müssen, dass WP kein Medium für wissenschaftliche Arbeit ist. Sie reflektiert diese im optimalen Fall kritisch, und das haben wir intern so halbwegs begriffen, wenn wir Sätze wie no original research formulieren. (ist natürlich Unsin, da was immer ich als Mann vom Fach schreibe, untrennbar mit meiner Perspektive verbunden ist - und gerade das wil jedes andere Lexikon, das mich um einen Beitrag bittet). [...]
Zur Zeit regiert in WP und WM die Vermutung, dass es eine wissenschaftliche WP geben könne. [...]
Sehr spannende Diskussion, schön, daß ich rechtzeitig wieder online bin. ;-) Da gehen aber einige Punkte durcheinander, die ich gerne trennen würde:
- (Auch meine) Forderung nach wissenschaftlichen Belegen für
WP-Artikel. Die kann nur erfüllen, wer selbst wissenschaftlich ausgebildet ist und aufgrund dessen selbst mit Quellen arbeiten und sie zitieren kann. Wir brauchen also nicht unbedingt "Wissenschaftler" als Autoren, aber wissenschaftlich ausgebildete Autoren, weil das eine Voraussetzung für fundierte Artikel ist.
- Die Schwierigkeiten, mit denen speziell Wissenschaftler konfrontiert
sind, die etwas zu WP-Artikeln beitragen möchten. Natürlich liefern sie dann "original research" ab -- was denn sonst? Das macht aber nichts, solange ihre Beiträge alle erheblichen Fundstellen zutreffend zitieren und keine Meinung unterschlagen wird. Soweit sich hier "Schlagseite" ergeben sollte, kann sie im Wiki weiter diskutiert und verarbeitet werden.
- Der Umgang der Benutzer mit dem Material, das sie der WP entnehmen
können: Je kompetenter der Benutzer ist (sowohl allgemein, d.h. im Umgang mit Medien, als auch speziell im Umgang mit dem Wiki "Wikipedia", als auch fachlich, bezogen auf den einzelnen Artikel), desto "besser" wird er mit Wikipedia umgehen können. Insoweit könnte man das Schulprojekt durchaus auf den universitären Bereich ausdehnen, gerade weil es sich bei Wikis um eine ganz neue Form von Quellen handelt, mit denen man erst einmal umgehen lernen muß.
Und ich würde mir tatsächlich wünschen, daß Wikipedia irgendwann einmal zumindest neben die etablierten Handbücher etc. treten kann und damit wissenschaftliche Information nachhaltig wirklich frei zugänglich wird. Das ist zumindest mein Ziel, wenn ich an juristischen Artikeln mitschreibe, wo weiterhin die großen Fachverlage und Datenbankeanbieter ihr Informations-Oligopol innehaben. Die Angabe "Juris-Dokument Nr. ..." (Preis für Einzelnutzer: 1800 Euro/Jahr für die Vollversion, obwohl mit Steuergeldern aufgebaut und immer noch mehrheitlich im öffentlichen Besitz) gilt als wissenschaftliches Zitat, während "http://de.wikipedia.org..." keines sein sollte? Das sollte man schon ändern, finde ich.
Jürgen.
VereinDE-l mailing list VereinDE-l@lists.wikimedia.org https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/vereinde-l
Lieber Olaf,
ich bin Dir sehr dankbar, dass Du diese Frage so intensiv aufgreifst, die auch mich als Wissenschaftlerin beschäftigt.
On 28.11.10 13:32, Olaf Simons wrote:
Nun ja, Jürgen -
nur an den Fragen, die ich gestellt haben wollte, geht das vorbei: Wie können wir verhindern, dass Wissenschaftler, wenn sie bei uns schreiben, eine bestimmte Arbeitsleistung effektiv für sich selbst unbrauchbar machen?
Deine Geschichte hat mich sehr betroffen gemacht, weil es auch unsere ungutes Gefühl als WissenschaftlerInnen sehr pointiert darstellt. Darf man "irgendwie" mit der Wikipedia zu tun haben? Was oberflächlich als Abkupferei aus der WP aussieht, wird auch als solches angenommen. Ich sehe mich selber in Berufungsvorträge, wo ich parallel den WP- Artikel zum Thema laufen lasse und mich über die Übereinstimmungen (teilweise textident!) amüsiere. Noch keiner ist dann bei uns Prof geworden, aber ich muss schon sagen, dass ich nicht kontrolliert habe, ob der Vortragende auch einer der WP-Autoren vom Artikel war. Mea culpa.
Die Leistung in einem Artikel wie [[Roman]] oder [[Aufklärung]] ist es, mit breiter Lektüre Linien durch ein unwegsames Gelände zu legen, Aspekte konsistenter in den Blick zu nehmen, im Artikel Fragen aufzuwerfen und sie dann auch zu verfolgen.
Eine wunderbare Zusammenfassung von das, was wir machen. Es gibt nämlich nicht der eine Wahrheit, den wir nur mit geeigneten Taschenlampen suchen müssen. Sondern wir lichten den Dschungel, stellen Fragen, stellen in Frage, ordnen.
Ich könnte natürlich in der ''Enzyklopädie der frühen Neuzeit'' in einer Fußnote vermelden, dass ich das alles ausführlicher in Wikipedia sagte, auch eine Art Selbstmord.
Ich denke, da sollten wir mutiger sein und uns als Wikipedia-Autoren zu erkennen geben. Aber das sage ich so leicht aus der Professoren- Perspektive heraus. Auch wenn man mich schräg findet, weil ich mich mit der WP ein wenig beschäftige, können sie mir nichts. Nur das Problem ist, dass wir dann eine Hierarchie evtl einführen ("aus berufenen Munde" hat irgend ein Journalist einer meine Beiträge in der Relevanzdebatte geschmückt. Ich finde dass das, *was* gesagt wird, wichtiger ist, als *wer* es sagt). Das wird eine andere Wikipedia.
Ich kenne Wissenschaftler die anonym beigetragen haben - und deren Beiträge (teilweise mit persönlichen Attacken versehen) wieder gelöscht worden sind. Da verliert man schnell die Lust, Zeit zu investieren. Klar, wir streiten uns dauernd wissenschaftlich. Aber die gedruckte Streitgespräche sind noch nachvollziebar, nicht nur für Spezialisten, die aus den Untiefen der Historie (oder mit WikiBlame [1]) herauskritzeln kann, wer was gesagt hat. Das zählt auch zu wissenschaftlichen Meriten (=Veröffentlichungen), die WP- Edits gehen sang- und klanglos unter.
Ich weiß auf diese Frage ehrlich gesagt keine gute Antwort.
Ich auch nicht, aber ich begrüße sehr diese öffentlicher Diskussion! Und es betrifft nicht nur WP sondern vielen der anderen Wikiprojekte, wobei ich denke, es könnte bei Wiktionary und Wikiquote anders sein könnte, aber da treibe ich mich zu wenig rum, um es zu beurteilen.
Dass wir Autoren von Artikeln benennen, ist nicht unser Ziel. Und das bringt mich zu dem von uns allen zur Kenntnis genommenen Paradox: Die Zedler-Medaille bricht mit unserer gesamten Selbstdefionition des kollektiven Lexikons: da steht plötzlich einer als Hauptautor im Raum, kassiert den Preis ab, gibt vielleicht gar sein Pseudonym dafür preis oder wir eiern drumherum - er kriegt ein Photo aber keinen bürgerlichen Namen... Unsägliches wird dabei zu der heimlichen Elite von Wikipedia dem anwesenden Publikum eröffnet, dem wir plötzlich erklären, dass unsere besten Artikel nur von jeweils einem Autor stammen (ich war auf der Veranstaltung).
Genau!! Es waren viele an diesen Artikeln beteiligt! Ich fände es besser, eine Institution zu prämieren, die am meisten für freies Wissen getan hat im vergangene Jahr. Der Bundesarchiv ist mein Favorit hier (die Bilder sind göttlich, habe sie schon öfters für Präsentationen verwendet, das kommt sehr gut an!). Aber hier in der "Grosse *Un*vollständige Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste", was kollektiv erstellt wird, finde ich der Auszeichung einzelne Personen komisch.
Ganz davon abgesehen, dass ein prämierter Artikel "Dagobert Duck" bei viele KollegInnen nur Heiterkeit hervorlockt... (Ja, Henriette, ich weiss, man kann viel literarische, künstlerische und soziologische Forschung zu diesen Thema machen ;)
Spaßig finden sie meinen Spaß daran im selben Moment, da sie alle WP benutzen. Mir gibt das zu denken, dass ich meine eigenen Kollegen, die täglich WP nutzen, nicht gewinnen kann.
Yup. Aber heimlich, da sollte kein Student zuschauen, keiner mitkriegen, dass ich das nutze. Ich würde behaupten, dass es inzwischen mehr Aufrufe der WP von Hochschulen gibt, als Pornografie oder eBay-Kleinanzeigen. Da habe ich aber kein aktuelles, statistisches Material [2].
Kompass 2020 ist da blumig mit einer netten Prozentangabe für Akademiker. [...] Im Moment sind Studenten mit wissenschaftlichen Ambitionen unsere Traumautoren - alles andere ist unrealistisch gedacht.
Yes. Das muss nicht schlimm sein, aber Studenten überblicken oft nicht die Tragweite von manchem, und schreiben arg verkürzt. Oder sie geben die Weisheit der Vorlesungen, gefiltert durch Ablenkungen, in der WP ein. Bei Informatik-Themen kräuselt es durchaus gelegentlich die Zehnägel, was da steht. Das sehe ich immer, wenn plagiierende Studenten irgendwelchen Mist einreichen. Ich kontrolliere den WP-Eintrag, und versuch das schlimmste zu tilgen....
Denkbar eine farbig unterlegte Sektion Allgemeinwissen und eine wissenschaftliche Sektion - das mag vor allem nach außen signalisieren, dass wir uns jetzt nicht mehr als Allgemeinlexikon für Oma, sondern als
Oma und Opa ;)
Finde ich aber ein guter Vorschlag. Mich nerven diese Lemmata mit Hausarbeit-Länge, wenn ich nur nach ein paar Kleinigkeiten suche. Oft helfen die Info-Boxen, aber vieles geht in den wissenschaftlichen Beiwerk unter.
Ich sage es eher als Denkanstoß dazu, wohin Entwicklungen theoretisch laufen könnten. Ich hätte da gerne ein klareres Nachdenken über die WP von morgen. Möglich ist ein Nachdenken mit Modellen, gegen die wir uns entscheiden, aber die wir benennbar durchdacht haben...
Gruß, Olaf
Vielen Dank für diesen Denkanstoß! Die Diskussion geht weiter!
[1] http://wikipedia.ramselehof.de/wikiblame.php [2] Als ich das mal wagte, auszuwerten, was die meisten MB ausmachte, waren 8 der topp 10 Sites mit, um, fragwürdigem wissenschaftlichen Inhalt. Heute würde ich denken, dass der Alexa-Ranking in etwa gilt: 1. Google, 2. Facebook, 3. Youtube, 4. Yahoo, 5. Live, 6. Baidu, 7. Wikipedia, 8. Blogger, 9. MSN, 10. Tencent, 11. Twitter. Nur Baidu wird wenig an meiner Hochschule konsultiert.
Am 28.11.2010 14:54, schrieb Debora Weber-Wulff: <snip>
Denkbar eine farbig unterlegte Sektion Allgemeinwissen und eine wissenschaftliche Sektion - das mag vor allem nach außen signalisieren, dass wir uns jetzt nicht mehr als Allgemeinlexikon für Oma, sondern als
Oma und Opa ;)
Finde ich aber ein guter Vorschlag. Mich nerven diese Lemmata mit Hausarbeit-Länge, wenn ich nur nach ein paar Kleinigkeiten suche. Oft helfen die Info-Boxen, aber vieles geht in den wissenschaftlichen Beiwerk unter.
Ich habe nach einem 140kb-Artikel von mir festgestellt, dass tatsächlich die Möglichkeit der raschen Konsultation enorm leidet. Natürlich haben wir die Einleitung, aber da es ja einen Artikel gibt, macht man sich nicht die Mühe, eine gute Einleitung zu schreiben, die für sich alleine stehen kann. Als Übersicht.
Die Bedeutsamkeit der Entwicklung von WP wird ja heute weit mehr von der Menge an Artikeln als an der Entwicklung und der Weiterführung der Artikel selbst bewertet. Umfangreiche Artikel werden mit Argwohn beäugt. Masse statt Klasse ist das Kriterium, um ein Literaturstipendium positiv beantwortet zu bekommen (stand so in einem mir zugegangenen Ablehnungsschreiben).
Existieren bereits Artikel in einem statischen Mindesterfordernis und die, daran in Bezug stehenden anderen Artikel, ist das zB kein Grund für ein Literaturstipendium. Fehlen ein paar exotische Palmen oder Schleimpilze, kann man leicht argumentieren, dass man gerne ein Buch hätte, von dem man dann vielleicht 50, oder wenn man einen Artikelmarathon gewinnen will, vieleicht auch 150 Artikel abschreiben kann.
So eine Denkungsart ist bei Personen, welche Geisteswissenschaften für eine Kochrezeptsammlung halten, weit verbreitet. Hauptsache, man kann die Leistung anhand der Menge von Neuanlagen nachweisen. Und seien sie auch - wie in 90% aller Fälle - unter Hintanhaltung jeglicher eigener Geistesleistung unter Zuhilfenahme einer Vorlage abgeschrieben.
Vorschläge, so auch von mir, sich zu überlegen, ob man hier nicht softwareseitig eine Lösung finden sollte, Konstultationsartikel und erweiterte Fassung zu trennen, wurden schon mehrfach abgeschmettert.
Irgendwann einmal wird auch die 400ste Heuschreckenart und die 200ste Gras- zuzüglich zu seinen 800 Unterarten als Artikel aus diversen Kompendien 1:1 übertragen sein. Das wird dann eine quantitative Wikipedia sein. Aber die Arbeit an einer umfangreichen Aufarbeitung der Emigrantenszene der 1930er-Jahre wird unbearbeitet bleiben.
Es würde zwar von der Buchstabenmenge her weit mehr sein, aber allein die Infoboxen für Gräser, Schleimpilze und Schrecken inkl der obligaten zusätzlichen drei Standardsätze schaffen ja ausreichend Masse.
h.
Olaf, vielen Dank für Deinen ausführlichen Text. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen, Du hast natürlich Recht.
Am 28.11.10 13:32 schrieb Olaf Simons:
Noch eins: Es könnte gut sein, innerhalb von WP besser abzugrenzen, was allgemein und was wissenschaftlich ist. Die Enzyclopaedica Britannica hatte da die Trennung in Micro and Macropaedia - mehrere Bände kurze Artikel gegenüber mehreren Bänden mit ausgewählten Großartikeln von Wissenschaftlern für Wissenschaftler. Bei uns gibt es recht unentschieden Artikelanfänge für Jedermann und Fortlaufendes, was mitunter nach drei Sätzen nur noch für den wissenschaftlichen Nachwuchs verständlich ist.
Denkbar eine farbig unterlegte Sektion Allgemeinwissen und eine wissenschaftliche Sektion - das mag vor allem nach außen signalisieren, dass wir uns jetzt nicht mehr als Allgemeinlexikon für Oma, sondern als beides definieren: aktuelle algemeine Ressource und Konkurrenz für wissenschaftliche Lexika.
Diese Idee, meine ich, sollte man weiter verfolgen.
Grüße, Jürgen.
Und hier noch mein Senf.
Wie alle Studien zeigen, ist das Bildungsniveau der Leute, die bei Wikipedia mitschreiben, überdurchschnittlich. Wobei mich interessieren würde, was passiert, wenn man eine Studie macht zum Thema: Wie ist das Bildungsniveau der Leute, die bei Wikipedia mitschreiben, auf dem Gebiet auf dem sie beitragen? Damit wären wir aus meiner Sicht beim Kernproblem: Wir haben insgesamt viel zu wenig Leute, die bei Wikipedia mitschreiben und die Leute schreiben da mit, wo sie Spaß dran haben, nicht wo sie am kompetentesten sind. Genau hierauf zielt die Zeile im Kompass 2020 ab: Wie kriegen wir kompetente Leute dazu, da beizutragen wo sie kompetent sind?
Dass die Wikipedia Academy, die Zedler-Medaille oder Sachen wie das Nawaro-Projekt das direkte Ziel, Wissenschaftler zur Mitarbeit zu gewinnen, nicht erfüllen, wurde ja schon vor einiger Zeit auf dieser Liste diskutiert. Dieses Jahr wurde das nochmal deutlich bestätigt, aber auf der Wikipedia Academy tauchte das Thema: "Was sind die Gründe dafür" und "Wie können wir das ändern" immer wieder auf. Ich denke, der Vortrag von David Ludwig hat den Punkt nochmal ganz deutlich gemacht: Das aktuelle Reputationssystem der Wissenschaft ist einfach von einer Gestalt, bei der eine Mitarbeit an der Wikipedia keinen Gewinn bringt. Gleichzeitig wurde auch deutlich, dass Wissenschaft sich an vielen Stellen verändert. Diese Trends sind in den Naturwissenschaften deutlich stärker als in den Geisteswissenschaften, aber sie sind da. Konkret sind das etwa Open-Access-Publikationen, eine wachsende Bedeutung von Kommunikation der eigenen Ergebnisse für die Allgemeinheit, aber auch ein Generationenwechsel auf den Lehrstühlen in Deutschland.
Nun wollen wir nicht unbedingt 10 oder eher 20 Jahre warten, bis sich das alles entwickelt hat. Aber Wikimedia Deutschland kann diesen Prozess ja unterstützen, etwa durch Unterstützung von Open Access, durch Lobbying bei der deutschen Forschungsgemeinschaft oder dem BMBF, durch weitere Kooperationen der Sorte Nawaro (die zwar keine bleibenden neuen Autoren gebracht hat, aber ohne Zweifel eine deutliche qualitative Verbesserung eines ganzen Bereichs) und durch Projekte mit den wissenschaftlichen Akademien.
Es ist übrigens hier, wo ich die Zedler-Medaille als sehr wichtig ansehen würde: Als Fuß in der Tür bei interessanten Partnern. Hier wäre es aber wichtig, noch stärker nachzusetzen (siehe auch http://asinliberty.blogspot.com/2010/11/ein-paar-lose-gedanken-zu-wissenscha...).
Noch ein letzter loser Faden: Die Idee, Wissenschaftler Reviews machen zu lassen, gefällt mir immer noch und die Akademie Mainz oder eine andere, bieten sich da durchaus als Partner an.
Viele Grüße
Philipp
P.S: Ich habe letzte Woche einen bekannten schwedischen Mathematiker besucht, der mir, ohne von meiner Tätigkeit bei Wikipedia zu wissen, erstmal auf einen von ihm geschriebenen WP-Artikel hinwies und meinte, wie wichtig das doch alles sei. Komische Zufälle.
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