Hallo zusammen,
es gibt sicher jede Menge guter Argumente für und gegen eine Doppelspitze,
und einige davon sind hier ja auch schon diskutiert worden. Ich möchte
jedoch gerne etwas Hintergrund liefern zur konkreten Situation bei
Wikimedia Deutschland.
Der Verein ist thematisch enorm breit aufgestellt: Wir entwickeln Software
und fördern Ehrenamtliche; wir arbeiten mit Kulturinstitutionen zusammen
und sind in ein internationales Wikimedia-Netzwerk eingebunden; wir fördern
Kooperationen mit Bildungseinrichtungen und wir führen jede Menge
Veranstaltungen durch; wir haben für einen Verein unserer Größe eine enorme
Außenwirkungen in der Presse und Öffentlichkeit, und wir sind die mit
Abstand größe Online-Fundraiser-Organisation in Deutschland.
Diese Breite hat mich dazu veranlasst, die Geschäftsstelle entsprechend zu
strukturieren: Mit den Bereichs- und Stabsstellenleitern habe ich bewusst
Menschen gesucht, die fachlich fundierte Kenntnisse in ihren Bereichen
haben. Ihre Aufgabe ist es, die strategischen Vorgaben des Jahresplans
durch geeignete Projekte und Maßnahmen umzusetzen, hierfür das richtige
Personal auszuwählen, und den Projektfortschritt zu überwachen. Neben der
fachlichen und personellen Leitung ihrer Bereiche sind alle Leiter in die
Gesamtleitung der Geschäftsstelle eingebunden. Alle wesentlichen
Entscheidungen der Geschäftsstelle werden gemeinsam besprochen. Am Ende des
Tages ist es natürlich stets der Vorstand, der die Verantwortung trägt, und
daher auch das letzte Wort hat. Es kam aber in den letzten Jahren häufig
vor, dass Maßnahmen umgesetzt wurden, die ich persönlich nicht für
zielführend hielt. Zustimmen und Verantworten konnte ich diese Maßnahmen
dennoch, da ich mich darauf verlassen konnte, dass die jeweiligen Fachleute
(in diesem Fall: Bereichsleiter, die dann auch noch unterstützt wurden von
ihren eigenen Mitarbeitern, die sich ebenfalls sehr gut in den betreffenden
Themen auskennen) es einfach besser wissen als ich.
Meine Aufgabe als Vorstand bestand daher darin, neben der Auswahl der
richtigen Mitarbeiter, sicherzustellen, dass die wichtigen Entscheidungen
richtig zustande gekommen sind. Wenn ich überzeugt war, dass eine
Entscheidung (etwa für ein Projekt) wohlbegründet, gut informiert und gut
geplant war, dann habe ich dieser in (fast) allen Fällen auch zugestimmt -
auch wenn ich persönlich anders entschieden hätte. Aber ich weiß halt viel
weniger über Softwareentwicklung, Fundraising oder Internationales etc. als
die jeweiligen Leiter. Daher die Struktur der Geschäftsstelle, wie sie
heute ist - fachlich hochkompetente und mit hoher Entscheidungsautonomie
ausgestattete Bereichsleiter und ein Vorstand, der sich um die
Gesamtkoordination, die Strukturen und Prozesse kümmert und die
Gesamtverantwortung trägt.
Das spricht nicht gegen eine Doppelspitze - aber es muß einem klar sein,
das bei einer Doppelspitze auch plötzlich Aufgaben und Kompetenzen doppelt
besetzt sind: Ein "strategischer Vorstand" mit starker inhaltlicher Agenda
und Kompetenz verträgt sich nicht mit dem derzeitigen Modell der
Bereichsleiter. Wenn die wesentlichen inhaltlichen Impulse und Entscheidung
durch einen "strategischen Vorstand" kommen, verändert sich die
Leitungsaufgabe der Bereichsleiter dahingehend, dass sie weniger inhaltlich
und mehr administrativ / personell leiten. Das ist ein gangbares Modell
(und es gibt viele Organisationen, die dies so tun), aber es entspricht
nicht der derzeitigen Struktur der Geschäftsstelle.
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Mit freundlichen Grüßen,
Pavel Richter