Liebe Stefanie,
von "der Foundation" habe ich nicht geschrieben. Es war aber der Wunsch
gerade von gewissen Vertretern, doch Herrn Richter für die internationale
Ebene noch ein paar Monate für die Übergabe zur Verfügung zu haben. Ich
persönlich habe das nicht 100% nachvollziehen können, weil auch auf der
internationalen Ebene nichts dermaßen von einer Person abhängen sollte,
sondern ein Wechsel eines ED Bestandteil der üblichen Prozesse sein muss.
Schliesslich gibt es immer mehr EDs (Executive Director) und ähnliche
Ansprechpartner in der Bewegung, damit erhöht sich auch die
Selbstverständlichkeit, dass diese ausgewechselt werden. Auch das gehört
zur professionellen Realität einer so vielfältigen globalen Bewegung.
Dennoch kann man es akzeptieren, wenn für die Übergabe der internationalen
Kernprozesse ausnahmsweise der ehemalige ED als Berater zur Verfügung
steht. Dass dann daraus jemand wurde, der mit einem Beratervertrag
ausgestattet quasi täglich im Büro hockt, um dem aktuellen Nachfolger zu
helfen, durch das Chaos zu blicken, dass er selbst jahrelang aufgebaut hat
- naja, das ist dann doch ein wenig merkwürdig. Deswegen gab es von meiner
Seite für den Nachtragshaushalt, der diese Kostenstelle in dieser Form
enthält keine Zustimmung.
Das FDC ist auch nicht "die Foundation", da solltest du dich nochmal ein
wenig einlesen. Du findest einige Erklärungen zum FDC am Ende der
Empfehlungsliste
<https://meta.wikimedia.org/wiki/Grants:APG/FDC_portal/FDC_recommendations/2014-2015_round1#About_the_FDC>
oder
etwas ausführlicher hier
<https://meta.wikimedia.org/wiki/Grants:APG/Funds_Dissemination_Committee>.
Ebenso gibt es auch aus vielen Chaptern rund um den Globus umfassende
Kritik am FDC. Diese Debatte wird geführt werden müssen, denn diese
zentrale Methode und das zentrale Handling des Spendeneinsammeln und
-austeilens ist nicht unbedingt das, was zu einer international
diversifizierten Bewegung passt.
Aktuell gibt es in verschiedenen Ländern Probleme mit dem Spendeneinsammeln
zentral aus den USA. In Holland z.B. ist die Spendenüberweisung via
IBAN-Überweisung völlig normal, man erreicht damit also auch mehr
Spendeninteressierte dort. WMF sammelt dort aber nur mit Kreditkarten und
Paypal ein, also einer sehr US-bezogenen Praxis im Spendenverhalten. Andere
Länder regen sich schon gar nicht mehr öffentlich auf, weil sie eh wissen,
dass da aktuell nichts zur Verbesserung passieren wird. Es gibt nur noch
zwei Chapter, die Spenden selbst einsammeln, wir gehören dazu. Der Prozess
für die Genehmigung Spenden selbst einzusammeln, hat aber, wie man denken
könnte, keine formellen sachlichen Kriterien, die man erfüllt oder nicht,
sondern dies wird quasi willkürlich von der WMF festgelegt. Willkür erzeugt
im Allgemeinen Machtzustände, die wenig transparent sind. Als langsam
erwachsene Organisation wird man auch an dieser Stelle über Effizienz und
globale Vielfalt in den lokalen Prozessen nachdenken müssen.
Es gibt also einerseits eine aktuell intransparente Realität international
und andererseits auch sehr unterschiedliche Haltungen über die
internationale Koordination. Aus diesem Grund war es okay, über einen
kleinen Beratervertrag für Herrn Richter bezgl. einer (erhofften) guten
Übergabe der internationalen Kontakte nachzudenken. Denn wo ein Prozess
dermaßen nicht von formellen Regelungen, sondern "Gesprächen" abhängt, ist
natürlich jemand, der über die Jahre darauf geachtet hat, dass seine
Machtposition durch zentriertes Wissen gewahrt bleibt, ggf. sinnvoll.
Merkwürdig finde ich dann aber auch, dass der explizit aus gewissen
internationalen Kreisen geäußerte Wunsch, Herrn Richter noch für die
Übergabe der internationalen Prozesse dabeizuhaben nun als ein wesentlicher
Kritikpunkt präsentiert wird. Da muss man sich schon fragen, wie man
strategische Entscheidungen treffen soll, wenn es zu solchen 180Grad-Wenden
kommt, die dann auch noch die willkürlichen und global kritisierten
Vergabeprozesse zentral bestimmen zu scheinen.
-----
Oh, nochmal zu deinem "überraschte Abberufung". Erstens war es keine
Abberufung, sondern eine einvernehmliche Trennung. Klingt formell, ist aber
nun schon öfters in Diskussion gesagt worden, an denen du online
teilgenommen hast. :) Zweitens und wichtiger: Ebenfalls wurde schon
desöfteren der eigentlich selbstverständliche Umstand erklärt, dass eine
solche Personalentscheidung aus guten Gründen nicht auf dem Marktplatz und
erst recht nicht auf dem internationalen Marktplatz besprochen wird,
sondern eben von den Gremien durchgeführt wird, die dafür eingesetzt sind.
Da den meisten Mitgliedern die tieferen Einblicke fehlen, die die
ehrenamtlich ihre Zeit dafür opfernden, ins Präsidium gewählten
Vereinsmitglieder haben, lassen sich diese Dinge auch nur unter nicht
praktikablen Prozessen anders sinnvoll organisieren. Deswegen machen das
auch fast alle anderen Vereine und Verbände so in Deutschland - oder kurz,
das hat schon so seinen Sinn.
Auch gewählte Vereinsmitglieder müssen sich allerdings erstmal in die
Prozesse einarbeiten, was ebenfalls dazubeiträgt, dass es zu einem
Informations- und damit Machtgefälle zwischen ehrenamtlichen Präsidium und
hauptamtlichen bezahlten Vorstand kommt. Dass ausgerechnet diejenigen, die
länger dabei sind im Präsidium und nicht zum Dunstkreis einer bestimmten
alten Clique gehören, sondern unabhängige Köpfe sind, ein klar
desillusioniertes Bild von der Arbeit des ehemaligen Vorstandes hatten,
könnte als Hinweis dienen, dass man froh sein sollte, dass hier endlich mal
gehandelt wurde.
Gerade diese Intransparenz war es imo, die es überhaupt erlaubt hat, dass
der ehemalige Voratand über Jahre hinweg z.B. kein eigentlich für diese
Größe selbstverständliches Prozess-, Kontakt- und Knowledgemanagement
mitaufgebaut hat oder auch dass über Jahre eine GS aufgeblasen werden
konnte, deren Impact nicht den investierten Geldern entsprach. Dass es da
ab und an aus dem Präsidium, der aktiven Mitgliederschaft oder der
Mitarbeiterschaft kritische Bemerkungen gab, muss einen mit zentraler
operativer Macht ausgestatteten Vorstand nur bedingt interessieren.
Nochmal zur Verdeutlichung, weil hier ja einige immer noch Denken, das
ehrenamtliche Präsidium wäre hier aktuell der zentrale Machtapparat: Die
operative Macht liegt in den Händen des Vorstandes, die Aufsichts- und
Informationsprozesse Richtung Präsidium kann der Vorstand unter den
aktuellen Regelungen im Alltag weitesgehend gestalten wie ihm lustig ist.
Wenn ein Vorstand auf fachliche Fragen aus dem Präsidium nur reagiert, wenn
er - achtung klingt nach Satire - diese Fragen als Präsidumsbeschluss
präsentiert bekommt, wird deutlich wie gewisse Personen dieses Amt
interpretieren: "Der Verein? C'est moi." - Einen solchen Vorstand braucht
es nicht in der WMDE und ich kann nur dringend daran appelieren, einen
solchen nicht erneut auszuwählen und vertraglich mit einer solchen Macht
auszustatten.
Noch ein letzter Punkt zu der nun FDC-empfohlenen Kürzung: Sie reflektiert
eben auch das gescheiterte Prinzip unter Richter, Wachstum, Wachstum ohne
auf Effizienz und Wirkung zu achten. Insbesondere, wenn es darum geht, der
Bewegung unterstützend zur Verfügung zu stehen. Dass überhaupt was Gutes
passiert ist, liegt auch daran, dass einige Mitarbeiter unter den gegebenen
Bedingungen das Beste daraus gemacht haben. Einen Vorstand, der eine solche
Entwicklung zu verantworten hat, sollte man froh sein, so früh wie möglich
auszuwechseln, auch wenn dies, aufgrund eines quasi fast unkündbaren
fünfjährigen Dienstvertrages, der so nie wieder abgeschlossen werden sollte
und dessen Entstehungsgeschichte andere irgendwann mal kritisch
nachvollziehen sollten, ein paar Euros gekostet hat. Geld ist eben nicht
alles, wenn es um einen Verein geht, der in der Unterstützung der
Communities und der Förderung Freien Wissens *Wirkung* entfalten will.
Beste Grüsse
Jens