Hallo Sebastian!
Am 26.05.2014 10:43, schrieb Sebastian Moleski:
Vielleicht sollte man dieser Analyse noch hinzufügen, dass das Abstimmungsergebnis in dieser Frage schon allein deshalb nicht als repräsentativ für den gesamten Verein sein kann, weil am Samstag eine Gruppe deutlich überrepräsentiert war, die in Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen um Präsidium und Vorstand direkt betroffen und dadurch eigentlich befangen sind: Nämlich die Vereinsmitglieder, die zugleich Mitarbeiter der Geschäftsstelle sind.
Schon an dieser Stelle erschließt sich mir die Logik nicht. Mitglieder stimmen in Vereinen immer auf Basis dessen ab, was sie persönlich für richtig halten. Sie müssen sich niemandem gegenüber rechtfertigen und haben auch keinerlei Pflichten, bei ihrer Stimmabgabe die "Interessen des Vereins" oder ähnliches zu berücksichtigen. Sie haben die volle Freiheit, abzustimmen, wie ihnen die Nase gewachsen ist. Und das tun sie auch, jeder mit seiner ganz eigenen Motivation. Wir haben Spender, Wikipedia-Autoren, Fotografen, Entwickler, PR-Berater, Mitarbeiter, Journalisten, etc. als Mitglieder.
Es gibt einen erheblichen Unterschied zwischen den letztgenannten Gruppen und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle: Nur die beim Verein selbst angestellten Mitglieder befinden sich in der paradoxen Situation, quasi ihr eigener Arbeitgeber zu sein und sind zu dem gerade den Organen weisungsgebunden, die sie im Rahmen der Mitgliederversammlung eigentlich kontrollieren sollen.
Da in solchen Situation Interessenkonflikte unausweichlich sind, sehen z.B. die Kommunalordnungen für den staatlichen Bereich in solchen Fällen eine Einschränkung des Wahl- oder Stimmrechts, bzw. ein Ruhen des selbigen vor.
Hinzukommt, dass unsere Art der MV nur bei dieser Mitgleidergruppe ein so eklatantes Missverhältnis, zwischen dem Anteil an der Gesamtzahl der Mitglieder (< 1%) und dem Anteil an den bei der MV anwesenden Stimmberechtigten (>10%) erzeugt.
Vielleicht sollte man sich mal informieren, wie andere große Vereine diesen Konflikt auflösen...
Man stelle sich nur mal den hypothetischen Fall vor, dass z.B. auf einer MV in Berlin über eine (warum auch immer) sinnvoll erscheinende Verlagerung der Geschäftsstelle in den geographischen Mittelpunkt Deutschlands (also nach ///Landstreit bei Eisenach)/ abgestimmt würde.../
Was heißt hier "sinnvoll"?
Du hast schon das Wort „hypothetisch“ gelesen?! Ich habe bewusst ein unrealistisches Beispiel gewählt, um es von der aktuellen Kontroverse zu lösen.
Ich möchte hoffen, dass bei einer Verlagerung der Geschäftsstelle die Interessen der Mitarbeiter ausdrücklich berücksichtigt werden. Wir haben es mit Menschen zu tun, die sich mehr als selbst die engagiertesten Community-Mitglieder jeden Tag 8+ Stunden dafür einsetzen, Freies Wissen in seiner facettenreichen Vielfalt zu fördern. Sie sind alle mit Herzblut dabei, und das eher trotz, nicht wegen der gezahlten Gehälter und Löhne.
Natürlich soll die Wikimedia ein mitarbeiterfreundlicher und verantwortungsvoller Arbeitgeber sein. Und natürlich schätze ich die Arbeit der Geschäftsstellenmitarbeiter.
Trotzdem ist die Geschäftsstelle kein Selbstzweck, sondern letztlich nur ein Mittel zum (Vereins-)Zweck zu erfüllen. Ich wehre mich daher entschieden dagegen, dass Wachstum der Geschäftsstelle als Indikatior für den Erfolg dieses Vereins anzusehen. Unsere Aufgabe ist die Schaffung freien Wissens und das misst man weder in Euro noch in Quadratmetern oder Anstellungsverträgen, sondern in der Quantität und Qualität freier Inhalte.
Um dem Vereinszweck zu dienen ist es mit unter auch nötig Entscheidungen zu treffen, die eben nicht jedem unserer Angestellten passen.
Ich denke, der beste Weg wäre, die Beteiligung von mehr Mitgliedern an der Mitgliederversammlung zu forcieren, statt darüber nachzudenken, wie man die Beteiligungsmöglichkeiten bestimmter Mitgliedern oder Mitgliedergruppen einschränkt.
Das ist sicher richtig. Allerdings dürfte sich das angesichts der Vorbehalte, die es Samstag schon gegen einen Audio-Aufzeichnung gab ziemlich schwierig gestalten.
Allerdings ist hier neben Motivation und Engagement vor allem die Geographie der beschränkende Faktor: Wenn die MV nicht gerade im Wohnort-Nähe stattfindet, ist die Teilnahme an der MV nicht nur ein beträchtliche zeitliche, sondern vor allem eine finanzielle Investition. Mit Anfahrt und Hotel kommen da schnell mal hundert Euro pro MV (und damit ein vielfaches des Mitgliedsbeitrags) zusammen. Und das kann und will sich eben nicht jeder leisten.
Man muss kein Pessimist sein, um zu erkennen, dass wir wohl niemals eine Mitgliederversammlung haben werden, bei der auch nur 10% der Mitglieder physisch anwesend sind.
Die Alternativen hierzu wären...
...eine Delegiertenversammlung (gegen die es antidemokratische Vorbehalte geben dürfte)
...eine (Teil-)Verlegung der MV in den virtuellen Raum (wenn ich daran denke, welches Theater es am Samstag schon wegen der Audioaufnahme für die Protokollanten gab...)
Nach meiner Einschätzung werden wir also auf absehbare Zeit mit der aktuellen Form leben müssen. Und es ist unsere Aufgabe die so zu gestalten, dass sie trotzdem im Sinne des Gesamtvereins entscheidet.
// Martin