On 05/19/2014 01:17 PM, Kurt Jansson wrote:
Der Verein steht so gut da wie noch nie. Er hat sich in den zehn Jahren seines Bestehens außerordentlich erfolgreich entwickelt und ist zu einer zentralen Kraft für Freies Wissen, die Wikipedia und ihre Schwesterprojekte geworden. Er ist seit Jahren finanziell stabil, ist ein attraktiver Arbeitgeber für kompetente und engagierte Mitarbeiter. Er genießt eine exzellente Reputation innerhalb der globalen Wikimedia-Familie, verzeichnet einen ungebremsten Zulauf neuer Mitglieder und erhält positive Anerkennung in der Öffentlichkeit.
Ich finde es bezeichnend, worauf hier anscheinend der Fokus gelegt wird. Attraktiver Arbeitgeber, Reputation bei anderen Chaptern, Neue Mitglieder, Öffentlichkeit.
Wirklich viel wesentlicher ist für mich und für viele aber, ob der Verein die nötige Verankerung in der Gemeinschaft hat. Schon seit längerer Zeit gibt es meiner Ansicht nach ein Disconnect, ein gegenseitiges Ignorieren aufgrund verlorengegangenem Vertrauen und zahlreicher Konflikte, die es in der Vergangenheit gab.
Ich möchte gerne ein paar Beispiele für den Disconnect und die Probleme bringen, damit das nicht zu abstrakt ist.
1. Fundraising. Früher gab es Versuche, zum Teil sogar ernst gemeinte, die Community mit einzubinden. Die Community hat überwiegend Desinteresse gezeigt, seitdem finden die Kampagnen nahezu komplett unter Ausschluss aller Nicht-WMDE-Angestellten statt.
2. ZDF-Projekt. Hier gab es nicht nur ein Ignorieren, sondern aktive Gegenwehr (einen Shitstorm) seitens der Community.
3. Fotoausrüstung. Dabei werden die Nachteile der derzeitigen Entscheidungsstrukturen besonders deutlich. Schon seit Jahren kann sich WMDE nicht darauf verständigen, einen ordentlichen Technikpool zu finanzieren (vom Festivalsommer letztes Jahr abgesehen). Stattdessen soll man sich das Equipment bei jedem Projekt einzeln ausleihen, was konsequent umgesetzt sicherlich kostspieliger wäre. Ein Blick nach Österreich zeigt wie es besser geht. Dort hört der Verein auf engagierte Fotografen aus der Community und schafft Equipment an, das dann auch rege genutzt wird.
4. Bildung und Wissen. Sicherlich eines der krassesten Beispiele fürs Gegen-die-Wand-fahren von erfolgreichen Projekten. Angefangen hat es mit dem Schulprojekt, in dem engagierte Mitglieder der Community beteiligt waren und in dem sie ein gutes Maß an Autonomie hatten. Dann wurde die Bürokratie seitens WMDE so lange erhöht bis alle keine Lust mehr drauf hatten. Nach einer über Monaten andauernden Planungslosigkeit seitens WMDE wurde das Projekt schließlich komplett beerdigt (zum Glück haben wir uns Referenten danach unter einem anderen Dach zusammengefunden).
Seit längerer Zeit gibt es Probleme zwischen Vorstand und Präsidium. Der Vorstand interpretiert seine Aufgabe so, dass er direkt sehr große Kontrolle nicht nur über das Handeln sondern auch die Zukunft des Vereins ausübt. So wie ich das mitbekommen habe, haben selbst die Bereichsleiter bei WMDE kaum Autonomie, was bei einem Verein dieser Größe nicht funktioniert. Das Präsidium wurde dazu degradiert abstrakte Vorstellungen für die Zukunft zu formulieren, statt aktiv mitzuwirken.
Angesichts dieser Probleme denke ich nicht dass man davon sprechen kann, der Verein stünde "so gut da wie noch nie". Von der Community hat er sich sehr distanziert und die Entscheidungsstrukturen sind wenigstens fragwürdig.
Ein Geheimrezept für die Lösung dieser Probleme hat wohl niemand, aber ich erwarte nicht dass es mit einem "Weiter so" besser wird. Ein personeller Neuanfang ist zwar sicherlich auch schwierig, hätte aber wenigstens die Chance etwas zu bewirken. Es liegt nun am Präsidium deutlich zu machen was genau es für Vorstellungen hat, wie es nun weiter gehen soll. Ich teile die Kritik, dass es dazu bislang zu wenige Informationen seitens des Präsidiums gab.
Grüße, Tobias