Lieber Sebastian,
Deine Antwort erfreut mich in dem Detailpunkt Offenheit für ein Gremium, das Projekte begutachtet und einen Think Tank in dem die Planung für alle zugänglich geschieht.
Mit dem Versprechen, "Das kann und sollte man mal probieren; und wenn es gut läuft, kann man es auch verfestigen", ist eine vage Diskussions- und Entwicklungsbereitschaft vom aktuellen Vorstand den Mitgliedern in Aussicht gestellt, mehr aber auch nicht - und das Versprechen kommt, während wir über eine Satzung entscheiden, bei der der aktuelle Vorstand dafür plädiert, erst einmal erheblich viel mehr Macht in die Hand des zukünftigen hauptamtlichen Vorstands zu bringen.
Ich denke: Wenn Du und ich die Sache hier tatsächlich ähnlich sehen und wenn wir beide sagen: Instanzen, wie ich sie forderte, sind erstrebenswert, dann lass uns Pavel für sie gewinnen und etwas durchführen, bei dem alle Beteiligen konzertiert und selbstverpflichtet per Satzungsentscheid den Weg gehen. Ich werde da nicht zuerst in die Deine Richtung gehen und mir gesagt sein lassen, dass man später nach der Entscheidung schon noch in meine gehen wird, es zumindest wohlmeinend bedenken will - das Anerbieten hat da seine irritierende Seite, Du verstehst.
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Zweitens: Ich sehe die Punkte, die Du als Stärkung der Mitglieder anführst, effektiv als deren Schwächung und als Stärkung des zukünftigen Vorstands vor allem aber des zukünftigen Präsidiums, das sich hier unvermittelt aus der Schusslinie seiner Verantwortung zieht.
Wenn die Mitglieder den aktuellen Geschäftsführer/ zukünftigen Vorstand entlasten und seinen Haushaltsplan billigen, dann entlasten sie einen Mann, den sie a) nicht gewählt haben, den sie b) mit keinem Mandat beuaftragten, und den sie c) dringend entlasten müssen, fast egal, wie er sich verhielt. Pavel wird arbeitsrechtlich gesichert sein, wir werden ihn nicht einfach auf die Straße setzen, wenn uns seine Aktionen nicht mehr gefallen - wir wissen zudem viel zu genau, wie schwer es ist, einen in seiner Position zu ersetzen.
Lassen wir Pavel tun, was er konfliktfrei tun kann, denken wir nach, wo er zuletzt tief in Konfliktzonen zum Akteur gemacht wurde, und ziehen wir ihn aus diesen Konfliktfeldern per Satzung raus. Ich bin dafür, dass er unstrittige Aufgaben absolviert und dann entlastet ist, wenn er seine Arbeit schlicht gut ausführt. Wenn er bei uns jedoch "die Projekte plant und realisiert", wie Alice es gestern vortrug, dann agiert er als Entscheider inmitten des Gebiets der Vereinsarbeit, die von den Mitgliedern kommen sollte - und da möchte ich keine Entlastungsverfahren drüber sehen. Konkret: Dafür, wie das mit Skillshare lief, will ich ihn nicht entlasten (selbst wenn er mir sagte, ich hätte wie er entschieden...) - es war für mich eine schlaue aber kaum zu billigende Aktion des Vorstands, ihn in diese Geschichte exakt so hineinzustellen und exakt da sehe ich das Problem. Dieses Problem will ich nicht noch in einer Satzung festmeisseln. Pavel mache ich nicht für sein Verhältnis zu Skillshare verantwortlich. Hier fehlte für mich Transparenz und Unparteilichkeit in Vorstandsentscheidungen. Ich selbst wählte den Vorstand und ziehe diesen zur Verantwortung, nicht Pavel.
Pavels Haushaltsidee grünes Licht zu geben - heißt weitgehend im Nachhinein "ja" sagen, und zwar über einen Punkt, an dem den Mitgliedern weitgehend alle Kompetenz fehlt. Ich weiß von Jens Leschmann, wie unübersichtlich sich ihm als Experten der Haushalt darstellte, als er mitten im Vorstand saß und sich alles ansehen konnte. Wenn jetzt gesagt wird, die Mitglieder geben dem Haushalt, wie ihn in Zukunft Pavel vorstellt, grünes Licht, dann denke ich: Sie werden gut beraten sein, dieses grüne Licht zu geben, da sie mit ihrer Qualifikation besser nicht an exakt dieser Stelle den Verein blockieren. Der Einfluss auf das, was wir tun wollen, muss im Vorfeld stattfinden, nicht dort, wo er initiierte Projekte von Finanzuzusagen abhängen.
Die Entlastung des ungewählten Geschäftsführers/ zukünftigen Vorstands und die Billigung des von ihm vorgelegten Haushalts dienen effektiv dazu, dem gewählten Präsidium das grüne Licht über die Nutzung eines Akteurs - Pavels, des zukünftigen Vorstands - in die Tasche zu spielen. Plötzlich tritt der mit Entscheidungen vor die Community für die effektiv laut Satzung das Präsidium verantwortlich ist - das ist ein guter Trick. Man weiß im aktuellen Vorstand, wem die Mitglieder so schnell nichts verweigern können.
Nun frage ich mich bei alledem,
Erstens: weshalb die Mitglieder in Zukunft eigentlich nur noch alle zwei Jahre das Präsidium wählen sollen?
Zweitens: Was genau das Hin und Her mit dem Schatzmeister im geplanten Präsidium bedeutete - ist es Zufall, dass man den Posten strich, als Jens ausschied? Ist es ein Zufall, dass man darüber nachdachte, ihn doch wieder einzuführen, als Proteste auf dieser Liste kamen? Mein Gefühl war und ist: Man versucht mit dem Vorstandsentwurf, Ruhe an alle Fronten zu kriegen - hat man seltener Wahlen, gibt es weniger Fragen, hat man keinen Schatzmeister, dann ist da auch Keiner, der so unbequemen Fragen stellt, wie sie Jens stellte.
Drittens: Das, was Du zu Ressorts im Vorstand ausführst - erachte ich für unpraktikabel. Ihr werdet nicht von den Mitgliedern zehn Leute serviert bekommen und dann unter Euch feststellen: "Magisch! die passen exakt in unsere Ressorts!" Man müsste denn die Ressorts im Wahlverfahren ausschreiben und Kandidaten mit exakt der Befähigung suchen und endlich erwarten, dass die Community sie per Wahl wie erhofft bereitstellt. Mir scheint das unglücklich, zweitens nach den letzten Wahlen in der Praxis gescheitert und drittens von der aktuellen Realität vollständig eingeholt. Das große Präsidium? - Es dient hauptsächlich als Absicherung der zwei Entscheider an seiner Spitze. Diese beiden erhalten Informationen aus den Staaten und vom Geschäftsführer/ dem zukünftigem Vorstand und geben sie mit der Bitte um Verschwiegenheit im großen Präsidium weiter, danach kann niemand aus der Mitgliederschaft ihnen noch Instransparenz vorwerfen. Hier wird indes eben durchaus kein öffentlich tagendes Parlament mit sichtbarem Interessenaustrag geschaffen, keine Plattform der kontroversen Stimmen unseres Vereins, sondern eine Art geheimes Kabinett, das angehalten ist, nach außen, und das heißt: gegenüber den Mitgliedern dicht zu halten, so die Geschäftsordnung. Ich sah mir in der AGV an, wie das mit dem Gebot funktioniert, Nichts was hier besprochen werde, gehe ausserhalb des Protokolls, das Lizzy schreibt, nach außen. Für die Mitglieder bedeutet ein Vorstand, der so wie die AGV funktioniert, weniger Information und weniger Mitbestimmung, als wenn sie direkt mit den Hauptakteuren umgehen und denen sagen: ihr informiert uns oder wir wählen Euch nicht mehr. Man muss, um so etwas zu bewerten, immer fragen, ob da eher ein öffentlich tagendes Parlament geschaffen wird, oder eine Seilschaft - und man sieht, was es ist, in konkreten Situationen der Vergangenheit und im Blick auf die Geschäftsordnung.
Deine Aussagen dazu, wie es bei uns im Moment Projektarbeit organisiert ist - decken sich summa summarum mit meinem Eindruck. Ich bin vielleicht weniger geneigt, einfach in die Zukunft des Kompass 2020 zu sehen und zu sagen das wird schon, und es wird rosig, da wir uns alle dieselbe rosige Zukunft wünschen.
Mein Nachdenken galt Konflikten der letzten Jahre, und ich erachtete diese nicht für typische Anfangsprobleme, sondern für Probleme, die sich erst mit dem Wachstum des Vereins ausbildeten und die sich unter dem Wachstum in jedem Jahr verhärteten. Der Anfang war eher rosig und unproblematisch als die Zukunft, in die wir laufen, wenn wir die Verschlechterungen jetzt auch noch fixieren. Die Probleme begannen mit der Abschottung des gesamten Vorstands gegenüber der unübersichtlich werdenden Mitgliederschaft und den Zerwürfnissen, die dem im Inneren des Vorstands folgten. Der aktuelle Entwurf der Vorstandsmehrheit fixiert vor allem das prekäre Verähltnis des Vorstands/Präsidiums zu den Mitgliedern und schafft einen neuen Frontmann dafür. Dass von Dir und Lizzy nun die Versprechen kommen, dass man uns in Zukunft anhören werde, und dass man Vieles vernünftig finde, was ich bedachte - man solle indes nur erst mal für Euern Antrag entscheiden, dann werde die Vereinsführung viels von dem ausprobieren, was ich vorschlug... das sind Versuche, das eine zu sagen um das andere zu kriegen.
Lieber als unerwartete Sympathiebekundungen sind mir richtunsgsweisende Entscheidungen und die hätten in den Wochen vor dem 3.12. in offener Debatte kommen müssen, als unsere Entwürfe offen zur Debatte standen und die AGV noch tagte,
Olaf