Hallo Olaf,
danke für deine Antwort - du nimmst dem Wikimedia mit deinem Vorschlag also wirklich, wie
befürchtet, das Wiki und damit die Kreativität und Spontanität, die es eigentlich bei
neuen Ideen auszeichnen sollte.
Der "gute Draht" und "Beliebtheit" sind zwei Begriffe, die man
natürlich gern einwerfen kann (wenn man AGF unbedingt ausblenden will) - afaik gab es
allerdings noch nie ein Projekt aus der Community, das aus "Beliebtheit"
abgelehnt und keines, dass aus "gutem Draht" angenommen wurde, sondern immer
eine Begründung für oder gegen eine Entscheidung von der für diese operativen
Entscheidungen eingerichteten Geschäftsstelle, deren Mitarbeiter zudem vor allem auch
eigene Ideen und Projekte entwickeln, Ideen aufgreifen und in bestehendes und geplantes
integrieren oder auch den strategischen Vorgaben entsprechend modifizieren (das ist ihr
Job und imho erledigen sie den bislang sehr gut!).
Ich bin ganz ehrlich: Mir schmeckt diese über mehrere Ebenen konstruierte Bürokratie nicht
wirklich. Im Prinzip bin ich bei der Strukturfrage weitestgehend uninteressiert und
vertraue dabei gern auf die Kompetenz anderer, die sich in diesen Belangen besser
auskennen als ich - ich möchte allerdings ein Modell, das eine maximale Flexibilität im
Wiki-Sinn auch weiterhin ermöglicht ohne Ideen und Projekte zu lähmen. In der WP würde es
evtl. bis heute keinen Schreibwettbewerb, kein Review, kein Mentorenprogramm whatever
geben, wenn jede neue Idee erst durch ein Meinungsbild oder eben ein Gutachtergremium
müsste - diese Vorstellung lässt mich schaudern, auch wenn sie die stattfindende
Entwicklungen der Wikipedia zur Laberpedia recht gut spiegelt. Mich wundert, dass ein
solches bürokratisches Monster offensichtlich die Zustimmung derjenigen findet, die sich
ansonsten eigentlich gern lieber deutlich mehr "back to the roots" bewegen
wollen.
No personel offense, just my thoughts on that.
Gruß,
Achim
(immer noch als Community und Vereinsmitglied)
-------- Original-Nachricht --------
Datum: Mon, 20 Dec 2010 15:37:31 +0100
Von: Olaf Simons <olaf.simons(a)pierre-marteau.com>
An: "Mailingliste des Wikimedia Deutschland e. V. / mailing list of Wikimedia
Deutschland e. V." <vereinde-l(a)lists.wikimedia.org>
Betreff: Re: [VereinDE-l] Offene Ankündigung der Gegenkandidatur
Hallo Achim,
den Wunsch nach schneller unbürokratischer Mittelvergabe verstehe ich.
Wir werden ihm dennoch langfristig nicht ganz entsprechen können. Du
kannst keinen Verein aufmachen, in dem Du den Spendern erzählst, dass
hier rasch nach Sicht von wem? dem Geschäftsführer/Vorstand? dem
Aufsichtsratsvorsitzenden? - entschieden wird. Du kommst hin, sagst,
"morgen brauche ich 10.000 Euro", der sagt klar, Kontonummer und gebongt.
Mein Modell verändert nicht die Struktur der Machtballance - es hat
exakt dieselben Institutionen, wie das von Herrn Brexl vorgeschlagene in
derselben Aufgabenverteilung. Hier ist nur gesagt: Der Aufsichtsrat holt
bei Projekten ein Gutachten ein und stellt sich diesem Gutachten - er
kann ihm folgen oder es verwerfen. Du erhältst das Gutachten und eine
Entscheidungsbegründung - ging man ungerecht mit Dir um, hast Du danach
was in der Hand, was solider ist als ein Nein am Telefon, auf das Du
Dich nicht beziehen kannst. Für bestimmte Projekte werden wir zudem
interne doch offene Debatten brauchen. Pavel bat mich auf dem ersten
Treffen der AGV, ich möge doch eine Zedler-Debeatte lostreten, dann
könne er an das Re-Design denken. Ich schüttelte meinen Kopf, da das
kein klares Verfahren ist - allenfalls eines, bei dem ich mich in eine
Schusslinie bringe.
Unsere Geldgeber werden beides verlangen: klare Entscheidungsprozesse
zuvor, Evaluationen danach. Unser Verein wird, nebenbei, explodieren,
wenn der Eindruck aufkommen sollte, Du könnest gegenwärtig bei tollen
Projekten und Deinem guten Draht zum Vorstand mal eben die beliebige
Unterstützung bekommen und andere, weniger Beliebte eben nicht.
Wie schnell die Gutachter sich ansehen, was Du machen willst - das hängt
davon ab, wie effizient wir ihr Gremium machen. Meinetwegen kann es
Dinge geben, die sie nach Sicht per e-mail gegenüber dem Vorstand
begutachten, der dann seine Entscheidung fällt und Dir ihr Gutachten und
seine Entscheidung schriftlich zukommen lässt. Bei anderen Dingen wird
man ein paar Wochen Vereins-interne Einspruchsfrist einfordern. Du
weißt, wie das mit Stuttgart 21 lief. Es ist besser man hat vorher einen
Prozess des transparenten Einspruchs als nachher massiven Ärger.
Gruß,
Olaf
Achim Raschka schrieb:
Hallo Olaf,
ich habe deinen Vorschlag noch nicht ganz gelesen und mich entsprechend
noch nicht
wirklich analytisch mit ihm beschäftigt. Vielleicht - da es zu
der von dir hier gegebenen Antwort ganz gut passt, kannst du mir allerdings
trotzdem bereits jetzt helfen, ein Bauchgrummeln zu mindern:
In deinem Vorschlag ist mit dem Gutachtergremium und der
Communitybeteiligung ein
ziemlich fetter Block weiterer Instanz neben die von der AG
gestellte Struktur aufgebaut, die zum einen vorraussetzt, dass sich die
Community an den Entscheidungsprozessen beteiligt bzw. beteiligen möchte (ich
erinnere, dass wir in den letzten Jahren ganz bewusst und begründet den Verein
aus der WP rausgehalten haben) und zum anderen einen für mich auf den
ersten und auch zweiten und dritten Blick ein deutliches mehr an Bürokratie
aufbaut.
Mein Problem damit:
Wie kann in einer solchen sehr bürokratischen und bürokratisierten
Struktur mit
etlichen parallelen Ebenen und gegenseitigem Kontrollieren und
Wechselwirken bei jedem einzelnen Schritt, eine Flexibilität und
Spontanität der Projektgestaltung gewährleistet sein, die bei einem Verein, der auf
einer Community mit den Grundwerten AGF, "Sei mutig" und "Ignoriere alle
Regeln" imho zentral ist (und die auch für mein Tun maximale Priorität
haben). Wie würde sich bsp. in einer solchen Struktur eine spontane Idee wie
das Projekt Wissenswert, die Kooperation mit der DZB oder eine Anfrage nach
einer Bilderkooperation, wie ich sie gerade mit der Nobelpreisträgertagung
in Lindau organisiere, bewerkstelligen lassen, wenn dafür nicht eine
flexible Position für das operative Geschäft (Vorstand, GS) schnell
entscheiden kann sondern jedesmal erst der gesamte Gutachterapparat mit
Communityfeedback angeschmissen und das Projekt grundsätzlich durchdiskutiert (und
geschlammschlagt) werden muss - werden wir dann in Zukunft auf diese Art von
Projekten verzichten müssen?
Über eine verständliche, direkte und möglichst knappe Antwort wäre
ich sehr
glücklich, würde mir bei meiner Bewertung des Strukturvorschlags
sehr helfen.
Gruß,
Achim
(as usual als Community- und Vereinsmitglied)
-------- Original-Nachricht --------
> Datum: Mon, 20 Dec 2010 14:37:50 +0100
> Von: Olaf Simons <olaf.simons(a)pierre-marteau.com>
> An: "Mailingliste des Wikimedia Deutschland e. V. / mailing list of
Wikimedia Deutschland e. V." <vereinde-l(a)lists.wikimedia.org>
Betreff:
Re: [VereinDE-l] Offene Ankündigung der Gegenkandidatur
> Na ja Robert,
>
> das heißt, Du stimmst mir zu, dass Schlammschlachten eine ungute Form
> der Diskussion sind (willst sagen: von Dir aus sind sie gar keine
> Diskussion), eine Form der Kontroverse, die wir aus dem
> Entscheidungsprozess heraus halten sollten. Ich frage mich, wie wir das
> machen wollen. Mein Vorschlag ist da das Gutachtergremium, das bei
> seinem Statement jede im Vorfeld verlaufene ungute Debatte verlässt.
Was
> ist die Alternative?
>
> Können wir Schlammschlachten verhindern? Nicht durch Mundverbote.
> Praktisch werden sie nicht stattfinden, wenn die Beteiligten das
Gefühl
> haben, dass ihnen nur ein nüchterner Weg
Anerkennung verschafft und
das
> Prozesse fair verlaufen. Darum eben das
Gutachtergremium, das am Ende
> Für und Wider abwägt. Wie aber gesagt, ich befürchte keine
> Schlammschlachten unter Antragstellern, die sich einen fairen
> Entscheidungsgang gegenüber sehen.
>
> Ich fürchte eine Vereinsführung, die Projekte denjenigen zuschanzt,
> denen sie sie zuschanzen möchte - oder auch nur einen Verein, in dem
> dieser Eindruck ungerechtfertigterweise aufkommt. Das dürfte allen
klar
> sein, die wissen, über welche Summen wir bei
unserem Verein zuweilen
> entscheiden werden: Intransparente Mittelvergabe und Vetternwirtschaft,
> in unserem Fall eine Förderung von Seilschaften, werden wir dringend
> durch Institutionen der transparenten Mittelvergabe begegnen müssen.
Wir
> werden der Öffentlichkeit schuldig sein, dass
sie versteht, was von
uns
> warum gefördert wird. Wir müssen nachdenken,
wie wir ihr dabei kein
Bild
> der Schlammschlachten liefern. Wir werden das
nicht tun, in dem wir den
> Vorstand als Black Box bauen, aus der Entscheidungen ganz ohne
> Schlammschlacht kommen - denn dann haben wir die fortlaufende
> Schlammschlacht unzufriedener Mitglieder, die an der Arbeit des
> Vorstands zweiflen mitten im Verein.
>
> Wir müssen nachdenken, wie das andere Institutionen machen, die
> Ähnliches leisten müssen wie wir.
>
> Gruß,
> Olaf
>
>
>
>
>
>
> Robert Huber schrieb:
>
>> Die beiden Einwände können sich nur ausschließen, wenn
>>
> Schlammschlacht als
>
>> Art der Diskussion akzeptiert wird. Falls dem nicht so ist, ist es
sehr
>>
> wohl
>
>> möglich, dass es eine Schlammschlacht gibt _anstatt_ zu diskutieren.
>>
>>
>> Gruß
>> Robert
>>
>>
>>
>>
>> -----Ursprüngliche Nachricht-----
>> Von: vereinde-l-bounces(a)lists.wikimedia.org
>> [mailto:vereinde-l-bounces@lists.wikimedia.org] Im Auftrag von Olaf
>>
> Simons
>
>> Gesendet: Sonntag, 19. Dezember 2010 16:12
>> An: Mailingliste des Wikimedia Deutschland e. V. / mailing list of
>>
> Wikimedia
>
>> Deutschland e. V.
>> Betreff: Re: [VereinDE-l] Offene Ankündigung der Gegenkandidatur
>>
>> Unter den Reaktionen verdient die Liesels einige Erwägungen:
>>
>>
>>
>>> * es diskutiert nur eine marginal kleine Gruppe von
>>>
>>>
>> Mitgliedern/Benutzern, die in keiner Weise repräsentativ sind
>>
>>
>>
>>> * es kommt zu Schlammschachten etc. um WP-Spendengeldern
>>>
>>>
>> Die beiden Einwände schließen einander aus. Sie sind offensichtlich
>>
> eher
>
>> Gedankenspiele als eine Prognose. Wenn niemand mitdiskutiert, wird es
>>
> auch
>
>> zu keinen Schlammschlachten kommen, wenn es zu Schlammschlachten
kommt,
dann
> haben wir zu viel der falschen Diskussionen:
>
> ...
>
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