Dass das Verhalten von Lutz Heilmann sehr kritisch zu hinterfragen ist, dürfte gerade unter Wikipedianern unstrittig sein. Die öffentliche Unterstützung für unsere Freie Enzyklopädie tut uns allen sicherlich gut. Um die Kritik aber auf eine gemäßigte Bahn zu bringen, hier ein Versuch, der Person und dem Fall gerecht zu werden.
Lutz Heilmann schloss sich als junger Mensch, mit zwanzig Jahren, der SED an. Dies ist man nicht einfach so geworden, sondern man wurde von der Partei eingeladen, und da die SED nicht jeden nahm, sondern auf Intelligenz und Talent achtete, konnte Heilmann die Einladung als sehr schmeichelhaft empfinden. Außerdem ist man als junger Mensch auf der Suche nach einem Beruf, und anscheinend hat sich während seines Wehrdienstes - den in der DDR fast jeder ableistete, da das Regime die Alternative Bausoldat sehr unangenehm gestaltete - die Möglichkeit ergeben, eine Elite-Karriere beim MfS zu beginnen. Das Regime ist für seine menschenverachtende Haltung und seine Methoden bekannt, und der MfS-Personenschutz ist nicht mit einer entsprechenden Aufgabe in einem Rechtsstaat zu vergleichen. Dennoch gilt für Heilmann wie für jeden anderen die Unschuldsvermutung, solange die Forschung oder die Staatsanwaltschaft nichts weiteres über seine damaligen Handlungen findet.
Berichten zufolge scheint Heilmann politisch voll hinter seiner Partei gestanden zu haben; es muss offen bleiben, inwieweit hier und später in seinem Leben Opportunismus eine Rolle gespielt hat. Jedenfalls wurde seine Arbeit beim MfS erst mit der Auflösung dieses Terrorapparates beendet, und erst 1992 trat er aus der in PDS umbenannten SED aus. 2001 trat er wieder ein, sein Leben in der DDR scheint also nicht so unangenehm gewesen zu sein, um ihn davon abzuhalten.
Es ist selbstverständlich, dass ein Mensch nicht gern von sich aus etwas preisgibt, das von vielen anderen Menschen als verwerflich angesehen wird. Wie ehemalige Nationalsozialisten und NS-Verbrecher haben auch Täter der SED-Diktatur gewisse Stellen ihrer Biografie zu verheimlichen versucht. Zu kritisieren ist es vor allem, wenn sie dabei nicht bei der Wahrheit bleiben, so wie Heilmann, der seine Tätigkeit als Berufssoldat nachträglich als verlängerten Wehrdienst darstellte und behauptete, er habe schon im Oktober 1989 um seine Entlassung ersucht. Nachdem er 2005 in den Bundestag eingezogen war, wurde ihm zurecht vorgeworfen, seine sensible Vergangenheit nur einem sehr kleinen Kreis mitgeteilt zu haben.
Aus den Presseberichten kristallisiert sich heraus, dass Heilmann eine irgendwie geartete Beziehung zu einem anderen Menschen hatte; er selbst meint, sie sei so kurz gewesen, dass sie nicht als Beziehung zu bewerten sei. Im Streit verlaufende Beziehungen sind für jeden Menschen unangenehm, vielleicht gibt es bei (bekennenden) Homosexuellen wie Heilmann eine zusätzliche Komponente, der öffentlichen Meinung wegen. Hier gelten bei der Berichterstattung die Bestimmungen zum Persönlichkeitsrecht, wenngleich, bei Prominenten, nicht so strikt wie bei Normalbürgern.
Der Wikipedia-Artikel ist etwa seit Oktober 2008 ein wenig umkämpft gewesen. Eine genauere Untersuchung müsste ergeben, ob unwahre oder unbelegte Behauptungen gemacht worden sind. Ob ein Wikipedianer das wiedergegeben hat, was er in der Presse gelesen hat, oder ob er spekuliert hat. Im letzteren Fall ist zu fragen, ob ein Wikipedianer das böswillig gemacht hat - wenn Heilmann trotz seiner SED-Vergangenheit der Meinung ist, er sei moralisch geeignet für den Bundestag, dann sollte er auch bei Wikipedianern nur die besten Absichten vermuten.
Heilmannns Vorgehen gegen die Wikimedia Deutschland ist sicher in jeder Hinsicht zu kritisieren. Er hätte auf das Wiki-Prinzip der Selbstreinigung und Neutralität vertrauen und Behauptungen in der Versionsgeschichte ignorieren können. Er hätte mit Wikipedianern (den Autoren) Kontakt aufnehmen können. Er hätte mit dem Verein länger reden müssen. Er hätte sich über das Gefüge in der Wikimedia-Welt besser informieren müssen. Die Einstweilige Verfügung war unverhältnismäßig, und man wundert sich, warum die Richterin dem Antrag stattgegeben hat. Heilmanns spätere Erklärungen lassen keine wirkliche Einsicht in diese Fehler erkennen.
Manche Kritik an Heilmann ihrerseits war jedoch überzogen, auch bei einigen kommentierenden Spendern, über deren finanzielle und moralische Unterstützung wir uns natürlich sehr freuen. Heilmanns Unmut über die Wikipedia gab und gibt es auch bei vielen anderen Prominenten, nicht nur ehemaligen SED-Mitgliedern. Es wäre falsch, ihm "Stasi-Methoden" vorzuwerfen, der Schutz des Rechtstaats gilt auch für jemanden, zu dessen Vergangenheit der Schutz eines Unrechtsstaats gehört hat.
Der Verein ist wesentlich glimpflicher aus der Sache gekommen als Heilmann, dessen politische Karriere spätestens jetzt zerstört sein dürfte.Wir haben aber keinen Grund zum allzu fröhlichen Triumphgefühl, denn nicht nur Heilmanns Biografie wurde verstärkt diskutiert, sondern auch das offene Wikiprinzip. Die Gesichteten Versionen waren jedenfalls ein Schritt in eine richtige Richtung, gerade um uns die Offenheit langfristig bewahren zu können.
Ziko
Ich weiß nicht genau, was dieser Text werden soll. Wikipedias Antwort auf sein Leben (oder der neue Artikel?) - beides sollte er nicht. Ich habe keine Lust über den "jungen Menschen Lutz Heilmann" zu urteilen (auch das SED Terrorregime soll hier nicht erklärt werden, dafür gibts hoffentlich gute Artikel bei uns). Der Ton des unten anhängigen ist der des alten Mannes, der es sich leisten kann, über die Nöte junger Menschen nachzudenken. Das ist - patronising (mir fällt grad kein deutsches Wort ein).
Die öffentliche Antwort muß sich der Frage stellen, wer Artikel bei WP verantwortet - und wir müsse da einen Codex haben, wie wir bei problematischen Artikeln administrativ tätig werden.
Da muß eine bestimmte Richtlinie bestehen, wie ein guter Personenartikel recherchiert und verfaßt ist, wie er Debatten um eine Person von deren nachgewiesener Vita trennt - und dann müssen wir bei Einsprüchen bereit sein, sicherzustellen, daß der Artikel dem Codex angepaßt wird.
Die gute Lösung ist, daß nicht die de.wp abgeschaltet wird, aber eben ein solcher Artikel auf ein Format gebracht wird, das sich öffentlich vertreten läßt. Der gegenwärtige Artikel (der, den ich gestern las) tut's nicht. Das Problem sind dabei nicht die Fakten, sondern die Intention, die klar wird, wenn ein Faktum von vorne bis hinten den Artikel bestimmt, als ob er nur geschrieben wurde, um das publik zu machen.
Gruß, Olaf
Ziko van Dijk schrieb:
Dass das Verhalten von Lutz Heilmann sehr kritisch zu hinterfragen ist, dürfte gerade unter Wikipedianern unstrittig sein. Die öffentliche Unterstützung für unsere Freie Enzyklopädie tut uns allen sicherlich gut. Um die Kritik aber auf eine gemäßigte Bahn zu bringen, hier ein Versuch, der Person und dem Fall gerecht zu werden.
Lutz Heilmann schloss sich als junger Mensch, mit zwanzig Jahren, der SED an. Dies ist man nicht einfach so geworden, sondern man wurde von der Partei eingeladen, und da die SED nicht jeden nahm, sondern auf Intelligenz und Talent achtete, konnte Heilmann die Einladung als sehr schmeichelhaft empfinden. Außerdem ist man als junger Mensch auf der Suche nach einem Beruf, und anscheinend hat sich während seines Wehrdienstes - den in der DDR fast jeder ableistete, da das Regime die Alternative Bausoldat sehr unangenehm gestaltete - die Möglichkeit ergeben, eine Elite-Karriere beim MfS zu beginnen. Das Regime ist für seine menschenverachtende Haltung und seine Methoden bekannt, und der MfS-Personenschutz ist nicht mit einer entsprechenden Aufgabe in einem Rechtsstaat zu vergleichen. Dennoch gilt für Heilmann wie für jeden anderen die Unschuldsvermutung, solange die Forschung oder die Staatsanwaltschaft nichts weiteres über seine damaligen Handlungen findet.
Berichten zufolge scheint Heilmann politisch voll hinter seiner Partei gestanden zu haben; es muss offen bleiben, inwieweit hier und später in seinem Leben Opportunismus eine Rolle gespielt hat. Jedenfalls wurde seine Arbeit beim MfS erst mit der Auflösung dieses Terrorapparates beendet, und erst 1992 trat er aus der in PDS umbenannten SED aus. 2001 trat er wieder ein, sein Leben in der DDR scheint also nicht so unangenehm gewesen zu sein, um ihn davon abzuhalten.
Es ist selbstverständlich, dass ein Mensch nicht gern von sich aus etwas preisgibt, das von vielen anderen Menschen als verwerflich angesehen wird. Wie ehemalige Nationalsozialisten und NS-Verbrecher haben auch Täter der SED-Diktatur gewisse Stellen ihrer Biografie zu verheimlichen versucht. Zu kritisieren ist es vor allem, wenn sie dabei nicht bei der Wahrheit bleiben, so wie Heilmann, der seine Tätigkeit als Berufssoldat nachträglich als verlängerten Wehrdienst darstellte und behauptete, er habe schon im Oktober 1989 um seine Entlassung ersucht. Nachdem er 2005 in den Bundestag eingezogen war, wurde ihm zurecht vorgeworfen, seine sensible Vergangenheit nur einem sehr kleinen Kreis mitgeteilt zu haben.
Aus den Presseberichten kristallisiert sich heraus, dass Heilmann eine irgendwie geartete Beziehung zu einem anderen Menschen hatte; er selbst meint, sie sei so kurz gewesen, dass sie nicht als Beziehung zu bewerten sei. Im Streit verlaufende Beziehungen sind für jeden Menschen unangenehm, vielleicht gibt es bei (bekennenden) Homosexuellen wie Heilmann eine zusätzliche Komponente, der öffentlichen Meinung wegen. Hier gelten bei der Berichterstattung die Bestimmungen zum Persönlichkeitsrecht, wenngleich, bei Prominenten, nicht so strikt wie bei Normalbürgern.
Der Wikipedia-Artikel ist etwa seit Oktober 2008 ein wenig umkämpft gewesen. Eine genauere Untersuchung müsste ergeben, ob unwahre oder unbelegte Behauptungen gemacht worden sind. Ob ein Wikipedianer das wiedergegeben hat, was er in der Presse gelesen hat, oder ob er spekuliert hat. Im letzteren Fall ist zu fragen, ob ein Wikipedianer das böswillig gemacht hat - wenn Heilmann trotz seiner SED-Vergangenheit der Meinung ist, er sei moralisch geeignet für den Bundestag, dann sollte er auch bei Wikipedianern nur die besten Absichten vermuten.
Heilmannns Vorgehen gegen die Wikimedia Deutschland ist sicher in jeder Hinsicht zu kritisieren. Er hätte auf das Wiki-Prinzip der Selbstreinigung und Neutralität vertrauen und Behauptungen in der Versionsgeschichte ignorieren können. Er hätte mit Wikipedianern (den Autoren) Kontakt aufnehmen können. Er hätte mit dem Verein länger reden müssen. Er hätte sich über das Gefüge in der Wikimedia-Welt besser informieren müssen. Die Einstweilige Verfügung war unverhältnismäßig, und man wundert sich, warum die Richterin dem Antrag stattgegeben hat. Heilmanns spätere Erklärungen lassen keine wirkliche Einsicht in diese Fehler erkennen.
Manche Kritik an Heilmann ihrerseits war jedoch überzogen, auch bei einigen kommentierenden Spendern, über deren finanzielle und moralische Unterstützung wir uns natürlich sehr freuen. Heilmanns Unmut über die Wikipedia gab und gibt es auch bei vielen anderen Prominenten, nicht nur ehemaligen SED-Mitgliedern. Es wäre falsch, ihm "Stasi-Methoden" vorzuwerfen, der Schutz des Rechtstaats gilt auch für jemanden, zu dessen Vergangenheit der Schutz eines Unrechtsstaats gehört hat.
Der Verein ist wesentlich glimpflicher aus der Sache gekommen als Heilmann, dessen politische Karriere spätestens jetzt zerstört sein dürfte.Wir haben aber keinen Grund zum allzu fröhlichen Triumphgefühl, denn nicht nur Heilmanns Biografie wurde verstärkt diskutiert, sondern auch das offene Wikiprinzip. Die Gesichteten Versionen waren jedenfalls ein Schritt in eine richtige Richtung, gerade um uns die Offenheit langfristig bewahren zu können.
Ziko
2008/11/18 Olaf Simons olaf.simons@pierre-marteau.com:
Ich weiß nicht genau, was dieser Text werden soll. Wikipedias Antwort auf sein Leben (oder der neue Artikel?) - beides sollte er nicht. Ich habe keine Lust über den "jungen Menschen Lutz Heilmann" zu urteilen (auch das SED Terrorregime soll hier nicht erklärt werden, dafür gibts hoffentlich gute Artikel bei uns). Der Ton des unten anhängigen ist der des alten Mannes, der es sich leisten kann, über die Nöte junger Menschen nachzudenken. Das ist - patronising (mir fällt grad kein deutsches Wort ein).
Musste das jetzt sein?
Hier hat sich jemand die Mühe gemacht, den ganzen Vorfall ein bisschen in Kontext zu setzen und da der Autor promovierter Historiker ist, der als eines seiner Forschungsgebiete das Deutschland des 20. Jh. angibt, ist er dazu wohl auch qualifiziert.
Natürlich ist das kein WP-Artikel, ich denke, das ist klar. Was du mit "Wikipedias Antwort auf sein Leben" meinst, ist mir ein völliges Rätsel, aber ja.
Nun, da alle über Herrn Heilmann reden (bzw. darüber, was man über ihn schreiben kann/sollte), fand ich diesen outline, um in der englischen Terminologie zu bleiben, durchaus hilfreich und überhaupt nicht patronizing. Man kann diskutieren, ob das auf diese Liste hier gehört (ich persönlich hätte es vielleicht eher auf einer Benutzerunterseite als Essay gestellt), aber trotzdem, diese Pauschalkritik ist ungerechtfertigt. Ich denke, allen (Spendern und Wikipedianern), welche über Nacht zu DDR / MfS-Experten wurden, tun einige grundsätzliche Informationen durchaus gut. Der Text wird kaum aspirieren, "mehr zu sein" als er jetzt ist, aber das reicht ja auch, oder?
Grüsse, Michael
2008/11/18 Michael Bimmler mbimmler@gmail.com:
2008/11/18 Olaf Simons olaf.simons@pierre-marteau.com:
Ich weiß nicht genau, was dieser Text werden soll. Wikipedias Antwort auf sein Leben (oder der neue Artikel?) - beides sollte er nicht. Ich habe keine Lust über den "jungen Menschen Lutz Heilmann" zu urteilen (auch das SED Terrorregime soll hier nicht erklärt werden, dafür gibts hoffentlich gute Artikel bei uns). Der Ton des unten anhängigen ist der des alten Mannes, der es sich leisten kann, über die Nöte junger Menschen nachzudenken. Das ist - patronising (mir fällt grad kein deutsches Wort ein).
Musste das jetzt sein?
Hier hat sich jemand die Mühe gemacht, den ganzen Vorfall ein bisschen in Kontext zu setzen und da der Autor promovierter Historiker ist, der als eines seiner Forschungsgebiete das Deutschland des 20. Jh. angibt, ist er dazu wohl auch qualifiziert.
Natürlich ist das kein WP-Artikel, ich denke, das ist klar. Was du mit "Wikipedias Antwort auf sein Leben" meinst, ist mir ein völliges Rätsel, aber ja.
Nun, da alle über Herrn Heilmann reden (bzw. darüber, was man über ihn schreiben kann/sollte), fand ich diesen outline, um in der englischen Terminologie zu bleiben, durchaus hilfreich und überhaupt nicht patronizing. Man kann diskutieren, ob das auf diese Liste hier gehört (ich persönlich hätte es vielleicht eher auf einer Benutzerunterseite als Essay gestellt), aber trotzdem, diese Pauschalkritik ist ungerechtfertigt. Ich denke, allen (Spendern und Wikipedianern), welche über Nacht zu DDR / MfS-Experten wurden, tun einige grundsätzliche Informationen durchaus gut. Der Text wird kaum aspirieren, "mehr zu sein" als er jetzt ist, aber das reicht ja auch, oder?
Nachtrag: Ich deklariere offen, dass ich (zu) wenig über die DDR weiss, in der Schweiz ist dies auch nicht ein sehr präsentes Thema im voruniversitären Geschichtsunterricht. Wenn jemand fachliche Probleme mit Ziko's Text hat bzw. anderer Meinung ist - wie Marcus Cyron - dann finde ich das absolut okay (nein, diese Liste hier soll keine DDR-Historiker-Diskussionsliste werden).
Aber dieses grundsätzliche "bashing", ohne überhaupt besonders auf den Text einzugehen, das stört mich.
Michael
vereinde-l@lists.wikimedia.org