Henriette Fiebig wrote:
Hiho,
Huhu,
und erstmal vielen Dank für deine Überlegungen!
Welches Signal geben wir (wobei
– s.u. – auch dieses „wir“ genau zu definieren wäre), wenn wir auf
einem Kirchentag auftreten?
Entscheidend ist, du hast es ganz gut gesagt und auch nochmal deutlich
gemacht, nicht, was tatsächlich ist, sondern wie es wahrgenommen wird.
Dieses allgemeine Abschrecken ist immer da und wir müssen sehen, wie wir
damit umgehen (damit meine ich jetzt insbesondere den Verein).
Ich stelle mal vier mögliche Anworten in den Raum:
* Antwort 1: Wir sind immer gern bereit Bestrebungen des Web 2.0 zu
fördern
Ist das unsere (damit meine ich WMDE und WP) Kernaufgabe: Menschen
über die Segnungen des interaktiven und kollaborativen Lebens und
Arbeitens aufzuklären? Ich meine nein: ...
Da sind wir völlig einer Meinung. Über solche Dinge aufzuklären mag
vielleicht ein angenehmer Nebeneffekt sein, wegen dem uns der Kirchentag
möglicherweise dabeihaben will: Jede Veranstaltung ist ja ein Geben und
Nehmen. Das kann aber für uns kein Grund sein, bei einer Veranstaltung
vertreten zu sein.
* Antwort 2: Wir machen uns Ziele und Themen des
Kirchentags zu eigen
und unterstützen deren Ziele und Forderungen durch unsere rein
physische Präsenz
Hier sehe ich wirklich eine Gefahr, daß ein Auftritt von uns
vollkommen falsch verstanden wird. Ich glaube (passt ja zum Thema
Kirche ;), daß unsere hohe Akzeptanz in der Öffentlichkeit (auch)
sehr viel damit zu tun hat, daß wir Neutralität ganz groß auf unsere
Fahne geschrieben haben. Und daher sollten wir zu solchen wohl im
weitesten Sinne als ideologisch motiviert zu verstehenden
Veranstaltungen auch eine ganz klare Linie und Haltung entwickeln.
In dem Punkt kann ich deine Bedenken gut verstehen. Idee von meiner Seite
dazu wäre, dass man eine "physische Präsenz" in Form eines Standes, der groß
uns und damit unser gesteigertes Interesse an Kirche suggerieren würde und
dem Verein damit schaden könnte, vermeidet. Dafür könnte man in Foren oder
anderen Veranstaltungen über das Kirchentagsprogramm verteilt Vorträge
halten, die die Verknüpfung zwischen Wikipedia und dem Verein herstellen,
die Leute für unsere Idee des Freien Wissens begeistern und auf diesem Wege
sowohl über die WP aufklären, die Bereitschaft des Publikums, sich
ehrenamtlich zu engagieren nutzen und Spenden gewinnen.
Jetzt werfe ich aber mal einen Blick in das offizielle
Programm des
Kirchtags (
http://www.kirchentag.de/programm/thematisch.html) und da
finde ich immerhin Bildung als eines der Kernthemen – deckt sich ja
auch irgendwie mit unseren Zielen und vielleicht sogar
Kernkompetenzen. Nur wie versteht man von Seiten der
Kirchentagsoffiziellen das Thema?
[...]
Den Kirchenoffiziellen geht es also – und das sei ihnen unbenommen! –
darum, den Glauben und Glaubensinhalte effektiv(er) unter die
Menschheit zu bringen. Uns als Aufklärer und der Wissenschaft
verpflichtete Enzyklopädisten geht es darum, das ganze und
vollständige Wissen der Menschheit zu verbreiten und zugänglich zu
machen – frei und unabhängig von jeder Ideologie und Fokussierung auf
nur einen Aspekt. Wie geht das beides zusammen, frage ich mich – und
auch euch.
An dieser Stelle, das ist richtig, haben Kirche und Enzyklopädie
unterschiedliche Ziele. Die Frage ist, ob uns das bei dieser Veranstaltung,
wo wir ja in erster Linie nicht die Kirche, sondern die Besucher dieser
Veranstaltung erreichen wollen, stören soll. Wir müssen ja weder die Kirche
dazu bewegen, von ihrer Position abzuweichen, noch muss die Kirche uns
missionieren. Das Geben und Nehmen besteht für mich darin, dass wir der
Kirche einen Kontakt zu Web 2.0 knüpfen, den sie gut brauchen kann, weil sie
ohne ihn den Anschluß an die Gesellschaft verlieren wird. Wir können dafür
im Gegenzug unsere Autoren- und Spendengewinnung durchführen.
Würde eine größere offizielle Präsenz von WMDE
und/oder WP auf einem
Kirchtag nicht möglicherweise so wahrgenommen werden, daß wir uns zum
Büttel einer (man verzeihe mir mal die plakative Ausdrucksweise)
rückschrittlichen, ausschließlich dem Glauben und nicht dem Wissen
verpflichteten, verkrusteten und enorm altmodischen Institution
machten? (Stimmt so krass natürlich nicht, aber in dem Thema wird eben
meist nicht besonders fein ziseliert diskutiert).
Habe dazu oben einen Lösungsansatz angeboten: Präsenz nicht in Form eines
Standes, sondern weniger "offensichtlich" in Form von Vorträgen.
* Antwort 4: Wir wollen – auf Teufel komm' raus
(kleiner Kalauer ;)) –
bekannter werden
Als WP haben wir das „bekannter werden“ nicht nötig – [...]
Richtig, das muss für uns nicht mehr Ziel sein, da sind wir drüber hinaus.
Aber will man mit WMDE auf einem Kichentag nach
Spendern suchen?
[...] ich sehe hier kaum einen Anknüpfungspunkt
zwischen den doch sehr klar formulierten Ansprüchen des – zumindest
vergangenen – Kirchentags auf effizientere und modernere Verbreitung
des christlichen Glaubens und dem sehr viel globaler formulierten Ziel
des Vereins für die Verbreitung und Akzeptanz freien Wissens zu
sorgen.
Ziel wäre es hier tatsächlich, durch gezieltes Überzeugen in Vorträgen,
Spender und Autoren zu gewinnen. Auch hier nochmal: Auf dem Kirchentag
findet sich, unabhängig von der Kirche – die Besucher haben häufig gar nicht
so viel mit Kirche zu tun – ein spenden- und leistungsbereites Klientel, das
man gut ansprechen kann.
Im schlimmsten Falle passiert das, was ich weiter oben
angedeutet
habe: In der öffentlichen Wahrnehmung sieht es so aus, als mache sich
der Verein die Ziele des Kirchtags zu eigen oder biedere sich bei
einer nicht unumstrittenen Zielgruppe an. Und wir können dort und in
unserer eigenen Außen- und Innenkommunikation so differenziert sein
wie wir wollen: Niemand kann garantieren, daß am Ende nicht
Schlagzeilen wie „Wikimedia und Wikipedianer jetzt bei den Jesus-
Freaks“ stehen ;)
Garantieren kann es niemand. Bloß das Risiko ließe sich mEs reduzieren, wenn
wir das wie o. g. machen würden.
Also nochmal sorry für die Textmassen und
ausdrücklichen Dank für
jeden kritischen, hilfreichen oder zielführenden Kommentar dazu!
Textmassen, wenn sie so fundiert sind, sind, jedenfalls für mich, kein
Problem ;-)
Grüße,
Tim