Ich habe derzeit leider nur schlechten Netzzugang verfolge jedoch die Debatte zur neuen Benutzeroberfläche.
Ich denke wir sollten keine große Hoffnungen an die Benutzeroberfläche stellen. Sie wird die Lage nicht sehr viel einfacher machen. Auch werden uns weder Schüler- noch Studenten und Rentnerprogramme viel helfen.
Meine letzten Erfahrungen mit Usern, denen ich über die Schulter sah, waren verheerend – das Problem ist nicht die Benutzeroberfläche, das Problem sind wir. Ich will kurz die Lehren aus den Erfahrungen ziehen.
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Eine Kollegin, die bereits auf en.wp ediert hatte, versuchte ich für de.wp zu gewinnen. Als sie begriff, dass andere über die Sichtbarkeit ihres Edits erst mal entscheiden würden, war sie fassungslos (ich selbst hatte mit dieser Fassungslosigkeit nicht gerechnet, da ich bereit war, alles sofort zu sichten). Wir erklären uns zwar für ein offenes Medium, aber unsere Botschaft ist in der Realität: Du kannst Dich bei uns bewähren. Unsere Botschaft ist zweitens extrem erniedrigend, selbst wo wir doch so nett sind. Wir bieten Mentorenprogramme an: Werde Hilfschüler einer Person, die Du nicht kennst, vielleicht hältst Du durch, dann sehen wir weiter – und dabei sind wir anonym und undurchschaubar wie die Macht in Kafkas Schloss. Ich sage das, da ich weiß dass wir unter uns, na ja vielleicht eine gewöhnungsbedürftige aber nette Communty sind – diese Sicht vermitteln wir nach außen nicht.
Fazit 1: Wir müssen die Sichtung abschaffen.
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Geschichte 2: Ein langjähriger Benutzer, Mitte 80, Buchhändler schreibt einen Artikel zu einer tschechischen Forschungseinrichtung. Man verweigert ihm die Relevanz. Das Ding sei nicht mehr als eine Uni-Abteilung. Ich lasse mich in den Fall hineinziehen, nachdem ich selbst den Artikel zu einer solchen Einrichtung schrieb (der, an der ich arbeite, auch nur eine Uni-Einrichtung). Die Debatte zwischen Löschdisku und Relevanzkriterien-Disku ist atemberaubend. Man spielt mit dem Benutzer Ping-Pong, verweist auf die gefällte Entscheidung. Eine Neudiskussion gibt es, wenn er den Artikel mit neuer Relevanz ausstattet. Ich verweise auf die unklare Regelbefolgung: mein eigener Artikel ging durch, dieser nicht – ernte eine seltsame Drohung, den könne man auch löschen. Ich nehme das mit Gelassenheit, ich habe da kein Herzblut zu vergießen, doch mein 84jähriger Benutzer ist von mir wie von WP enttäuscht – von mir, weil ich mich solchen Diskussionen beuge, von WP, da jeder U-Bahnhof relevanter sein soll als ein Institut mit Etat und Angestellten. Ich erhalte von ihm die Kündigung und weiß, dass wir keine festen Mitarbeiter haben, die kündigen können.
Fazit hier: Wir sind unflexibel (der gleichlautende Artikel besteht auf en.wp – auf de.wp heißt es, er würde Schaden anrichten, doch offenbar richtet er auf en.wp keinen Schaden an. Wir verteidigen eine Institution im Kampffall, ohne zu verstehen, dass die Menschen unser Kapital sind nicht die Artikel).
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Geschichte 3, ganz frisch, betrifft den Editor – ich erkläre ihn einer Mitarbeiterin bei uns, die auf en.wp den Artikel zu unserer Einrichtung einstellen soll. Wie man in den Editor kommt, ist das größte Problem, danach ist alles Weitere einfach bis auf das setzen von Links. Das Problem ist am Ende aber wieder die Community, diesmal die englische, die bemerkt, dass der Artikel mit der englischen Website unserer Institution korrespondiert. Diesmal wird Copyright geltend gemacht und sofort gelöscht. Wir könnten umformulieren, doch sagt man mir nicht, wie viel wir umformulieren müssen, bis das Problem aufhört – an den Standardinformationen können wir nichts ändern, Copyright hin oder her. Ich könnte einen internen Prozess über zu geringe Schöpfungshöhe führen – ich ja, aber unsere Mitarbeiterin nie und nimmer, Ende auch hier.
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Geschichte 4 - eine offene Geschichte. Der deutsche Artikel [[Russische Literatur]] ist paradigmatisch schlecht. Wer könnte den verbessern? Frauen, Rentner, Schüler? Alle nicht. Eine Promovendin in der Slawistik, vielleicht. Doch ehrlich gesagt: Wir suchen einen Professor mit Überblick über das Gebiet. Früher konnte ein Liebhaber da mal ran, heute sind wir im Qualitätsstatus jenseits dieser Möglichkeit. Nur wenige Leute kommen in Frage, einen solchen Artikel auf unmittelbar hohem Niveau zu schreiben. Wir hatten früher die Chance der langsamen Entwicklung, heute haben wir das Problem des unmittelbar nötigen Quantensprungs, für den wir den Autor nicht gewinnen.
Wer könnte der Autor von [[Russische Literatur]] werden? Ich würde jedem Slawistik-Professor davon abraten, den zu schreiben, schlicht, weil er keine Kontrolle über die Arbeit hat, weil er dreißig Druckseiten schreibt und entäußert, und weil er danach dasselbe nicht mehr als er selbst schreiben kann.
Für mich als Autor ist der verheerendste Artikel, den ich schrieb [[Aufklärung]] – ich schrieb ihn, nachdem der vormals bestehende in der „Zeit“ auseinander genommen wurde (der war langes Stückwerk aus banalen Urteilen, kein fachlich kritischer Artikel). Die Communty bat mich nach einem Edit-War den Srtikel zu verbessern. Das, was ich tat gefiel niemandem, am wenigsten den am Editwar beteiligten, die neue Aritikel wie [[Zeitalter der Aufklärung]] und [[Philosophen der Aufklärung]] aufmachten. Den öffentlich kritisierten Artikel löschen konnte in WP überhaupt nur ich – und das ist bereits fatal. Ich löschte den alten Artikel mit Rückendeckung der Abteilung Philosophie, kein Neuling wird diese Rückendeckung bekommen. Am Ende geriet ich dennoch in massive Probleme mit Nutzern, die Veränderungen vornahmen, sie sind heute für mich prekär, da ich der WP-Weisheit folge, Artikel auch aus der Hand zu geben und andere dranzulassen. Die interne WP-Regelung, dass alles zitierbares Wissen Wissen ist, erwies sich in den internen Querelen als Unsinn. Zitierbares Wissen zur Aufklärung gibt es bis zum Abwinken und größten Unsinn darunter. Ich blieb ratlos und ließ Edits zu, die hoffentlich niemand mir zutraut.
Mein Problem als Autor von [[Aufklärung]] ist dennoch, dass der Artikel unter Fachleuten mir zugetraut werden kann (die Statistiken entdecken mich). Was sich als Mumpitz und Trivilität in den Artikel einfügte wird mir dann auch zugetraut. Ich könnte auf die History verweisen, die klarstellt, was ich nicht tat – doch die History stellt überhaupt nichts klar.
Außerhalb von Fachkreisen wird mir an dem Artikel nichts zugetraut und das ist nicht minder prekär. Ich werde ihn in keinem Publikationsverzeichnis erwähnen da das meinen Ruf lädiere würde, und Ihr ahnt nicht welche Gesichter ich unter Professoren auf einer Konferenz erntete, als ich mich als der Autor outete.
Fazit hier: Wir benötigen WP-Verbesserungen auf einem heute viel höherem Niveau als 2005 und wir arbeiten als Community-Projekt ohne Wissen darüber, was die neuen Wunschautoren im realen Leben riskieren.
Hart gesagt: unsere Programme zur Neulingswerbung dienen dazu, die Altmitglieder still zu stellen. Die hoffen auf jeder Convention, mehr hübsche Frauen zu sehen, jung, so zwischen 20 und 30 und ledig bitte. Das verstehe ich schon, dass mit dem Versprechen in unserer alternden männlichen Community zu punkten ist.
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Am Ende indes zwei konstruktive Gedanken: Wir benötigen in den komplexeren Artikeln eine sichtbare Zäsur: eine Banal-Fassung für den schlichten Leser und eine potentiell wissenschaftliche Fassung für Schüler hoher Jahrgänge, die eine Facharbeit schreiben und Studenten. Die Zäsur besteht schon, aber sie muss optisch so klar geführt sein, dass wir in neuen Editprozessen in Konflikten Info klar zuweisen können: als wissenschaftliche oder triviale. Im Aufklärungsartikel ist es unabdingbar zu scheiden, denn die banalen Stereotypen wollen in der gymnasialen Unterstufe gewusst sein, auch wenn die Profs auf Uni-Niveau alles unternehmen sie wieder auszuradieren.
Gedanke 2: Wir benötigen für Passagen auf wissenschaftlichem Niveau Autor-Statements. Die dürfen nicht automatisch generiert werden, die müssen von den Beteiligten formuliert werden. Ich muss klarstellen können, was ich an [[Aufklärung]] tat und es muss klar werden wo ich anderen Benutzern im Konflikt raum gab, so dass ich nicht meinen wissenschaftlichen Ruf mit deren Edits riskiere.
Ihr mögt am Ende sagen, dass meine Perspektive speziell ist, die eines Autors aus den Wissenschaften – doch denkt über den Artikel [[Russische Literatur]] nach. Ihr sucht bislang Autoren mit dem Blick auf Statistiken, nicht mit dem Blick auf das, was Ihr an WP an Artilkeln verbessern wollt. Mein strategischer Tip: Seht Euch mal schlechte Artikel an und fragt Euch, mit welcher Benutzerwerbung und welchen Strukturmaßnahmen ihr die verbessert bekommt. Denkt von WP aus, nicht von den Statistiken aus. Erfasst, dass diese WP nicht mehr die von 2005 ist und überlegt, wie ihr mit den heutigen Wünschen an das Medium klarkommt.
Die heutigen Wünsche sind, dass bei uns fachliche hohe und allgemein verständliche Info zu finden ist. Wer glaubt, beides müsse vereinbar sein, der weiß nicht, dass beide Wissensformationen in unseren Gesellschaften gegeneinander ausgespielt werden. Der gute Aufklärungsartikel muss zu 80% kritisch den Stereotypen begegnen, er kann nicht einfach das Schwierige einfach sagen. Die Kritik an Stereotypen ist schwierig, egal welche Sprache gefunden wird – hier wird etwas Schwieriges gedacht. Wir haben noch kein Konzept, wie wir populäres Medium sein können, das gelichzeitig höchsten Ansprüchen genügt und ich sehe in dieser Doppelrage derzeit kein klares Nachdenken. Das Nachdenken darüber wird ein neues über Autorschaft bei uns einfordern.
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