On 13.03.2009, at 16:29, Raimond Spekking wrote:
Pavel Richter schrieb:
Ich kann die Intention von Achim verstehen, würde aber vorschlagen, ein paar Wochen zu warten, bevor der Verein etwas diesbezügliches kommuniziert. Noch wissen wir nicht mal, ob und wenn ja wie viele Menschen gestorben sind und was wirklich verloren gegangen ist. Ich hätte ein ungutes Gefühl, wenn der Verein jetzt kurzfristig eine entsprechende PM rausschicken würde. Die Gefahr, missverstanden zu werden, wäre mir zu groß.
Pavel
Hi,
Eventuell ist der Zeitpunkt jetzt schon gekommen:
"Archivgut soll digitalisiert werden
Von Matthias Pesch, 12.03.09, 18:16h, aktualisiert 12.03.09, 18:20h
Die Leiterin des eingestürzten Kölner Stadtarchivs Bettina Schmidt- Czaja will die aus den Trümmern geretteten Dokumente so schnell wie möglich digitalisieren. Um das Archivgut zu restaurieren, werden die Dokumente auch an auswärtige Archive weitergeleitet."
das alles ist nicht ganz so trivial wie man sich das vielleicht vorstellt, wenn man ein mächtiges Instrument (= Commons oder Wikisource) an der Hand hat und glaubt, daß eine reine Digitalisierung von Handschriften oder Büchern allein die Rettung ist.
Bücher – speziell die aus dem Mittelalter – sind nicht nur eine Ansammlung von Daten oder Informationen und gerade bei Büchern, die älter als 500 Jahre sind, gehts nicht nur um den Inhalt, sondern um das materielle Zeugnis an sich. Wer nie mit einem mittelalterlichen Buch gearbeitet hat, der kann sich gar nicht vorstellen wie viele Informationen man aus der rein physischen Präsenz eines Buches gewinnen kann. Soll heißen: Wenn das Buch selbst vernichtet ist, dann bietet ein Digitalisat zwar noch ein Abbild von Texten und Bildern – das echte Buch mit seinen Gebrauchsspuren etc. ersetzen kann es aber nicht. Und die wirklich kniffligen Forschungsfragen kann man nur anhand der Originale beantworten. Was nicht heißen soll, daß Digitalisierung Blödsinn oder verschwendete Zeit/Geld wär! Für einen Handschriftenforscher ist aber ein Digitalisat immer nur ein Nice-to- have – niemals ein auch nur annähernder Ersatz.
Zudem sind wir zwar vielleicht ein Projekt mit (massenhaft) Platz für Daten/Digitalisate, aber wir können weder mit Knowhow, noch mit adäquaten Maschinen, noch mit entsprechend ausgebildeten Menschen dienen, die bei der Rettung von wirklich wertvollen Büchern helfen können. Ehrlich: Das sollten wir lieber den Spezialisten überlassen und jeden Ruch eines Verdachtes vermeiden, daß wir uns besserwisserisch an diese Katastrophe anhängen. Sorry, ich will hier wirklich niemandem den Schwung oder Elan nehmen Gespräche mit dem Kölner Archiv zu führen und absolut jede Hilfe anzubieten; nur habe ich mit mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Dokumenten gearbeitet und ich kann tatsächlich nachvollziehen warum die Archivare und Handschriftenforscher so lang zögerlich waren mit den Digitalisierungen.
Was ich übrigens überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist, wie man mittelalterliche Handschriften von unschätzbarem Wert so lagern kann, daß die von einem Hauseinsturz vernichtet werden. Ich habe so den Eindruck, daß im Kölner Archiv über Jahre nach der Maxime „et küt wie et küt un et is immer noch jot jejange“ verfahren wurde und jetzt der Katzenjammer groß und noch größer der Wille ist den Leuten zu zeigen, was sie da über Jahrzehnte mehr oder weniger ignoriert haben.
Ja, wir sollten versuchen zu helfen! Aber nicht aktionistisch, sondern vorsichtig und nur mit den Mitteln, die wir wirklich kompetent anbieten können.
Gruß
Henriette