Am 14.02.11 21:08 schrieb Martina Nolte:
deine Horrorszenarien sind genau das, was du schreibst: Horrorszenarien.
Ich arbeite nun seit über 10 Jahren in leitender Funktion mit Personal-, Budget-, QM- und Controllingverantwortung in einem Verein, der das Umsatzvolumen von WMDE um ein Mehrfaches überschreitet. Ganz so unbedarft, wie du es darstellen möchtest, bin ich also nicht.
Der Vorstand haftet persönlich mit seinem ganzen Vermögen nur, *soweit er vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Pflichten verletzt*. Was das konkret bedeutet, ist ja auf der von dir genannten Seite des Landessportbundes Berlin e.V. gut beschrieben (auch wenn ansonsten unklar ist, wer den Text eigentlich verfasst hat und auch nur ein einziges Gerichtsurteil und das zu einem Nebenthema genannt wird).
WMDE hat seit 2008 ein externes Steuer- und Lohnbüro (AG Verantwortungsstruktur I, Vorschlag , vgl. [1]) eingesetzt, dies könnte vielleicht um eine Testierung durch einen Wirtschaftsprüfer ergänzt werden. Damit sind für die genannten Standardrisiken - Steuerschulden und Sozialabgaben - fachkundige Hilfen installiert. Im Zusammenspiel mit Stellen- und Aufgabenbeschreibungen der Mitarbeiter (inkl. Festlegung ihrer Befugnisse und Verantwortlichkeiten), regelmäßiger Berichterstattung der GF an den Vorstand und ein paar weiteren Controllinginstrumenten sind die wesentlichen Schritte getan, damit dem Vorstand keine Fahrlässigkeit mehr unterstellt werden könnte, noch weniger grober Vorsatz.
Ich hätte Zweifel, ob ein Organ die Verantwortung auf diese Weise wirksam nach unten durchreichen und sozusagen delegieren bzw. sich durch Einschalten Dritter freikaufen könnte. Denn es geht ja weniger darum, welche organisatorische Vorsorge getroffen wird, um Fehler zu vermeiden, als vielmehr darum, inwieweit der Vorstand selbst überhaupt noch den Überblick behalten kann. Wenn es absehbar ist, daß die Geschäfte so umfangreich geworden sind, daß das "als Hobby nebenbei" nicht mehr geht, könnte die Fahrlässigkeit (Merkmale: objektive und subjektive Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit) durchaus eintreten. Bei der Abgrenzung zum Vorsatz käme es auf das "Daraufankommenlassen" des Erfolgseintritts an (Eventualvorsatz). So einfach liegen die Dinge also nicht. Von Horror in Sebastians Schulderung daher keine Spur. Der Vorstand ist offenbar auch gut beraten worden. Der Verweis auf die Website vom LSB war ja nicht Sebastians Hauptquelle, sondern nur ein Link für juristische Laien zum besseren Verständnis des ganzen.
Entscheidend ist m.E. schon eher, daß Sebastian ein Haftungsszenario beschrieben hat, das einträte, wenn die Gemeinnützigkeit nachträglich entfiele. Auch das ist nicht so abwegig, wie man zunächst meinen könnte. Ich habe das bei einem anderen gemeinnützigen Verein schon einmal erlebt, dessen Problem darin bestand, daß er zuwenig Ausgaben hatte und zuviele Ersparnisse entstanden waren, weil fast alle Aktivitäten nur ehrenamtlich erledigt wurden und lediglich sehr geringe Aufwandsentschädigungen anfielen.
Um den Verlust der Gemeinnützigkeit zu vermeiden, muß man also vor allem darauf achten, daß die Vereinsmittel ausreichend im Sinne des steuerbegünstigten Zwecks nach der AO verwendet werden. Auch hier geht es aber wiederum um eine ausreichende Kontrolle der Geschäfte durch den Vorstand -- siehe oben.
Eine sehr viel bessere haftungsrechtliche Absicherung der Vereinsvorstände wäre mir auch sehr wichtig. Ich wäre beispielsweise nicht bereit, unter den derzeitigen Umständen ein Amt zu übernehmen.
Jürgen.