Hallo!
Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass der Verein etwas eher und offensiver reagiert. Nun läuft die Diskussion schon wieder eine Weile, ohne dass die genauen Vorgänge bekannt waren.
Achims Frage schließe ich mich an.
Viele Grüße Alex
-----Ursprüngliche Nachricht----- Von: vereinde-l-bounces@lists.wikimedia.org [mailto:vereinde-l-bounces@lists.wikimedia.org] Im Auftrag von Jan Engelmann Gesendet: Mittwoch, 16. November 2011 13:06 An: Mailingliste des Wikimedia Deutschland e. V. / mailing list of WikimediaDeutschland e. V. Betreff: Re: [VereinDE-l] OA von WMF bzgl. Loriot-Briefmarken
Lieber Alexander Juhrich, liebe Liste,
nach der Löschung von vier Loriot-Briefmarken aufgrund einer Office Action am 8. November häufen sich hier die Anfragen. Die Prominenz des Namens bringt damit eine Diskussion wieder in Schwung, die bereits im September unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu ngen_Briefmarken
geführt wurde. Im Endeffekt könnte der konkrete Fall durchaus Auswirkungen darauf haben, wie künftig mit Briefmarken innerhalb DE:WP umgegangen wird. Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, die Beweggründe für die Löschung etwas näher zu erläutern:
Die Löschung der Wohlfahrtsmarken mit den Loriot-Motiven Das Frühstücksei, Herren im Bad, Auf der Rennbahn und Der Sprechende Hund am 8.11.2011 war notwendig geworden, da eine Miterbin Loriots am Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen WMF erwirkt hatte, nachdem sie die Urheberrechte ihres Vaters vorsätzlich verletzt sah. Verbunden damit war die Androhung strafrechtlicher Konsequenzen gegen die Verantwortlichen von Foundation bzw. deutschem Chapter. Die EV ist mittlerweile einsehbar. [1] Unabhängig von der Frage, ob diese Verfügung zu Recht ergangen ist, ist das mit der Verfügung ergangene Verbot zu beachten. Alleine deswegen schon mussten die Briefmarken entfernt werden.
Nach eingehender Analyse durch unsere Kanzlei JBB sowie das Legal Department der WMF sahen alle Beteiligten keine andere Möglichkeit als die unverzügliche Löschung vorbehaltlich einer umfassenden Klärung des Sachverhalts . Die Löschung erfolgte auf dem Wege der Office Action, diente also der akuten Schadensabwehr. [2]
Der Office Action seitens der WMF ging ein schwieriger Abwägungsprozess voraus. Der wichtigste Grund für diese außergewöhnliche Maßnahme betrifft die Sorgfaltspflicht gegenüber Dritten: Ein Verbleib der Briefmarken-Abbildung auf Commons und WP hätte insbesondere bei Nachnutzern zu unkalkulierbaren Risiken geführt.
Die WMF hat naturgemäß keine dezidierte Position zur urheberrechtlichen Stellung von Briefmarken in Deutschland. Doch fühlt sie sich in ihrem Handeln zumindest auch an das geltende US-Copyright und insbesondere dessen Durchsetzungsmöglichkeiten im Zuge des Digital Millenium Copyright Act gebunden. [3]
Der urheberrechtliche Status von Briefmarken wird zwischen Teilen der deutschen WP-Community und der herrschenden Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur vollkommen unterschiedlich bewertet. [4] [5] Im Kern geht es dabei um die Bewertung von Briefmarken als amtliche Werke, auf welche die Schutzzweckbestimmungen des UrhR keinerlei Anwendung fänden. [6]
Nach intensiver Beratung mit der von uns beauftragten Kanzlei JBB sind wir zur Ansicht gelangt, dass das einzige einschlägige Urteil, auf das sich auf die Gemeinfreiheits-These berufen kann (LG München, AZ 21 S 20861/86) leider keine ausreichende Handlungsgrundlage bietet. Zum einen datiert es vom 10.3.1987, erging also noch vor der Privatisierung der Deutschen Bundespost. Von daher ist eine wesentliche Voraussetzung der damaligen Entscheidung nämlich die Aufnahme im Amtsblatt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen mittlerweile obsolet. Die Deutsche Post AG als privates Logistikunternehmen ist nicht auf die Produktion amtlicher und damit gemeinfreier Werke verpflichtet, so sehr wir dies auch bedauern mögen.
Zum anderen wird die damalige Urteilsbegründung in der rechtswissenschaftlichen Literatur einhellig angezweifelt (s. die einschlägigen UrhR-Kommentare etwa von Schricker, Bullinger, Nordemann und Dreier/Schulze). Vor allem Schricker (GRUR 1991, 645, 651) bringt das zentrale Argument vor, dass Briefmarken trotz ihres Charakters als Zahlungsmethode nicht aufgrund eines Interesses der Allgemeinheit veröffentlicht werden, da sie keine reinen Informationsträger darstellten.
Angewandt auf den konkreten Fall Loriot geht es also auch um die Frage, ob die Knollennasen-Briefmarken getreu oder außerhalb ihres originären Verwendungszwecks (als Zahlungsmittel) abgebildet wurden. Man kann dabei durchaus zu der Einschätzung gelangen, dass sie im Kontext eines biographischen WP-Artikels eher den spezifischen Stil oder die Arbeitsweise des Künstlers Loriots veranschaulichen sollen. Daher kann man sich der Sichtweise der Klägerin, dass es sich bei einer gestalteten Sonderedition eines Künstlers prinzipiell um ein schutzfähiges Werk handelt, u.E. nicht von vorneherein verschließen. Nicht zuletzt wird diese Meinung auch von dem Gericht geteilt, das über den konkreten Fall zu befinden hatte, nämlich das Landgericht Berlin. Es hat die Qualifikation der Briefmarken als amtliches Werk ausdrücklich verneint. Dies geschah in Kenntnis der Entscheidung des Landgerichts München, die die Antragstellerin dem Gericht ausdrücklich zur Kenntnis brachte. Das Gericht hat mit der Entscheidung folglich die Auffassung des Landgerichts München verworfen. Ungeachtet dieses konkreten Falls ist ein Klärungsprozess innerhalb der deutschen Community zur grundsätzlichen Umgangsweise mit Abbildungen von Briefmarken wichtig und richtig. [7] [8] [9]
[1] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Decision_re_Loriot_Stamps.pdf [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Office_Action bzw. http://meta.wikimedia.org/wiki/OFFICE [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Millennium_Copyright_Act [4] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Stamps/Public_domain#Germany [5] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Bildrechte#Text.C3.A4nderu ngen_Briefmarken [6] http://www.rechtambild.de/2011/06/urheberrechtsschutz-von-briefmarken/ [7] http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Loriot#Briefmarken_gel.C3.B6scht [8] http://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Forum#Wohlfahrtsmarken_mit_Loriot- Motiven_sind_dem_DMCA_zum_Opfer_gefallen [9] http://commons.wikimedia.org/wiki/User_talk:Philippe_%28WMF%29#File:DPAG_201 1_55_Herren_im_Bad.jpg
Mit besten Grüßen
Jan