Lieber Olaf,
in einem Punkt muss ich dir Recht geben:
"Wir riskieren nicht Wikimedia, sondern Wikipedia – die Arbeit Anderer"
Könnten wir auch die "Arbeit und Initiative Anderer würdigen" anstatt
eigene Ziele zu verfolgen?
Gruß
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: vereinde-l-bounces(a)lists.wikimedia.org
[mailto:vereinde-l-bounces@lists.wikimedia.org] Im Auftrag von Olaf Simons
Gesendet: Donnerstag, 21. Juli 2011 00:45
An: Mailingliste des Wikimedia Deutschland e. V. / mailing list of Wikimedia Deutschland
e. V.
Betreff: Re: [VereinDE-l] Rücktritt II
Liebe Wikimedia Mitglieder,
ich ließ zwei Tage auf meine Post hingehen. Zwei Dinge. Das erste zur Frage, der
Grenzen dessen, was ich hier offen hätte fragen dürfen, das zweite zur Frage
nach dem konstruktiven Kern.
Erstens
Ich fragte nach dem Wahrheitsgehalt von Gerüchten, die gewählten Amtsträger auf
sich zogen – in Positionen, in denen sie sich allerdings anderen Nachfragen
aussetzen. Ich fragte mit massiven Anhaltspunkten für seltsame Geschääftspläne.
Und ich fragte, nachdem man uns soeben eröffnete, dass der Vorstand explodierte.
Die zweite Vorsitzende trat zurück, nicht etwa, um dem Verein die Folgen eines
eigenen Fehltritts zu ersparen, sondern mit der Erklärung, dass der
Schatzmeister und Vorsitzende des Gutachtergremiums den Vorstand ruiniert habe.
Aus dem Gutachtergremium trat zuvor ein Mitglied hoher Achtung zurück unter dem
Protest, der Vorsitzende des Vorstands habe dieses ihr Gremium in einer Weise
demontiert, die effektiv seinen Rücktritt verlangt hätte. Man serviert uns
Rücktritte und bittet uns Konsequenzen zu ziehen.
Ich artikulierte meinen Unmut über die genannten Gerüchte, da uns im März vom
ersten Vorsitzenden versichert war, dass man nach drei solchen Amtsperioden so
was nicht mehr zu befürchten habe. Nun ist indes klar: Die aktuelle Zerreißprobe
war in dieser kurzen Amtszeit gezielt riskiert.
Mal um Mal heißt es in der Mailingliste, es ginge uns besser, wenn endlich
Vertrauen und Ruhe herrschte. Ihr vergesst, dass wir noch glücklich sind, wenn
solche Geschichten intern und im Vorfeld auffliegen. Wir riskieren nicht
Wikimedia, sondern Wikipedia – die Arbeit anderer. Ich bin in diesem Verein vor
allem, um sicher zu stellen, dass man für ihn spenden kann - ganz offen: Um
Wikimedia zu kontrollieren. Für mich ist das, was da als Destillat der Gerüchte
soeben übrig blieb, Zeichen eines vollkommen unverantwortlichen Hantierens der
Wikimedia-Verantwortungsträger mit Wikipedia.
Das könnte noch hingehen, wenn wir nicht exakt darüber diskutiert hätten, wie
wir transparentere Entscheidungsstrukturen hinkriegen – ich lese nirgends ein
Plädoyer für transparente Strukturen, die solche Machtspiele und solche Anträge
schlicht uninteressant machen. Ich lese überall nur Plädoyers für mehr
Intransparenz, mehr freiwillige Selbstzensur, mehr Riskieren eines wirklichen
Korruptionsfalls.
Zweitens mithin
und auf die Frage nach dem konstruktiven Beitrag – der ist nun nicht neu, jetzt
aber vielleicht allen Parteien klarer zu plausibilisieren. Wir müssen
nachdenken, wie wir transparente Projektvergabe-Verfahren hinkriegen. Es geht
nicht um das Aufdecken seltsamer Geschäftsideen, sondern darum, dass es
Verfahren gibt, in denen man solche Ideen gar nicht erst einbringt:
Wir müssen alle Projekte, und zwar allen voran die der Vereinsführung, einer
internen offenen Vorabdiskussion aussetzen. Wir sind dabei angewiesen auf die
anonyme „Community“, die allein gänzlich ungeniert sagen kann, wenn sie was an
der Spitze suspekt findet.
Jedes interne Entscheidungsverfahren kann man so kompliziert wie auch immer
gestalten (das ruft allenfalls Regelfüchse auf den Plan), es wird Korruption
nicht verhindern. Die Regel aller internen Prüfungsverfahren ist, dass niemand
in ihnen seinen Verdacht offen ausspricht, da jeder Sorge hat, ihn trifft bei
nächster Gelegenheit ein ebensolcher Verdacht nun ungerechtfertigt. Immer gilt
intern: Verhilfst du meinen Projekten zu grünem Licht, dann unterstütze ich
deine. Ich beschädige deinen Ruf nicht, du nicht meinen. (Und immer gilt darum
auch: feindliche Projekte schießt man intern in verdeckten Intrigen ab.)
Korruption und Intrigen werden nur gemieden, wenn man schon beim ersten
Einreichen mit dem prekären Projekt auffällt – dann reicht man sowas einfach
nicht ein.
Es mag für Anfänger unter Antragstellern peinlich sein, in offenen Verfahren
Belustigung über kuriose Projekte zu riskieren (das war angeblich der Grund für
das intransparente Verfahren). Die Sorge um die Anfänger ist unbegründet.
Neulingen ist extrem geholfen, wenn sie erfolgversprechende Projekte auf Seiten
nebenan sehen können.
Wir brauchen ein Gutachtergremium, das frei urteilen kann. Es darf weder dem
Vorstand verpflichtet sein (etwa durch Teilnehmer, die gleichzeitig dem Vorstand
angehören), noch darf es selbst Projekte ins Rennen schicken. Noch sollte es
selbst auch nur die Entscheidungen treffen. Wir brauchen eine Plattform, die
offen im Blick auf die Vorabdebatte und die zu erwartenden Folgen Warnungen
artikulieren kann. Gutachten sind nötig, damit Entscheidungsträger sich später
nicht darauf zurückziehen können, diskutierte Probleme nicht auf dem Schirm
gehabt zu haben.
Alle, die am Ende Entscheidungen über die Projekte treffen, müssen diese
öffentlich begründen. Verantwortung sollten sie über die regelmäßigen Wahl
riskieren. (Vorsicht mithin vor dem Verschieben von Projektvergabe-Kompetenz auf
eine Person, die selbst nicht gewählt, nur angestellt ist).
Im aktuellen Verfahren hat man aus dem Vorstand Projekte an ein Gutachtergremium
überwiesen, dessen Vorsitzender selbst dem Vorstand verantwortlich blieb. Er
bekam zudem ein Projekt des Vorstandsvorsitzenden auf den Tisch – das er nun im
Gutachtergremium entweder diskreditierte oder vertrat. Es brauchte nicht zwei
gegeneinanderstehende Akteure in diesem Spiel, um einen Konflikt zu generieren,
auch keinen dubiosen Projektentwurf des ersten Vorsitzenden, auch nicht dessen
Recherche im Medium des Gutachtergremiums. Schlimmer wäre eigentlich gewesen,
wenn beide Vorstandsleute gemeinsame Sache gemacht hätten.
Prekär ist das alles für alle anderen eingereichten Projekte – für das meinige
nach dieser Aktion eingeschlossen. Das alles ist vollkommen prekär und eben die
dritte Amtsperiode, die so verläuft,
Gruß
Olaf Simons
Dr. Olaf Simons
Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt
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