Hallo Marcus,
Ungeachtet der inhaltlichen Kritik offenbart sich mir in deiner Antwort ein kolossales Missverständnis dessen, was ein Geschäftsführer/Vorstand macht. Du schreibst von "ausführendes Organ", scheinst aber damit eine Art willfährigen Diener zu meinen, zumindest kommt das ein wenig so rüber. Tatsächlich ist aber der Vorstand derjenige, der mit beiden Beinen in der Haftung steht und persönlich den Kopf für alles hinhält, was im Verein schiefgeht. Bei Wikimedia Deutschland ist er eines von drei Organen, die gemeinsam den Verein leiten. Er ist bewusst auf eine feste Zeit bestellt, um ein gewisses Maß an Kontinuität und Verlässlichkeit sicherzustellen. Genausowenig wie der Vorstand einfach kündigen kann, wie es ihm passt (anders als "normale" Arbeitnehmer), kann das Präsidium auch keinen Vorstand entlassen, wie es ihm gerade passt. Beide sind aufeinander und auf die Mitgliederversammlung angewiesen, damit der Verein vorankommt. Diese gegenseitige Abhängigkeit ist kein Unfall, sie ist gewollt.
Das wirklich Ärgerliche an diesem ganzen Vorgang ist weniger, dass das Präsidium aus inhaltlichen Gründen gern einen anderen Vorstand hätte. Das ist, wenn es gute Gründe dafür gibt, ihr gutes Recht. Das Ärgerliche ist, wie dabei verfahren wird: 1) Es ist nicht klar, welche inhaltlichen Gründe tatsächlich für einen Austausch sprechen. 2) Es ist nicht klar, ob die Mitglieder bzw. die Mitgliederversammlung diese inhaltlichen Gründe teilt. Der Beschluss nimmt absurderweise Bezug auf ein Strategiepapier, das niemand kennt und nirgendwo offen diskutiert oder gar beschlossen wurde. 3) Es ist nicht klar, welche Differenzen es mit dem Vorstand bezüglich der neuen Strategie gibt. 4) Es ist nicht klar, woher die Zeitnot kommt, jetzt sofort den Vorstand auszutauschen, statt den normalen Weg der Dinge zu gehen (die Bestellung läuft Ende nächsten Jahres aus). 5) Es ist nicht klar, warum es Strategiediskussionen unter Ausschluss des Vorstands gibt, ihm gleichwohl vorgeworfen wird, er würde die Strategie nicht unterstützen oder nicht umsetzen wollen. 6) Es ist nicht klar, warum die Vereinsöffentlichkeit aus diesen ganzen Themen rausgehalten wird, statt aktiv das Gespräch zu suchen.
Das Ganze wirft viele viele Fragen auf (s. auch Michails von heute morgen), auf deren Antwort durch die Präsidiumsmitglieder sicher nicht nur ich mit Spannung warte.
Schließlich noch etwas zur Bettler-Position: wenn es tatsächlich so ist, dass du als Bettler und Bittsteller behandelt wirst, wäre das ein Skandal. Würdevoller Umgang untereinander ist wohl Grundvoraussetzung für das, was wir hier machen.
Beste Grüße Sebastian
2014-05-19 17:09 GMT+02:00 Marcus Cyron marcus.cyron@wikimedia.de:
Lieber André,
wieviel weißt du eigentlich noch vom Verein? Ich stelle fest (so ich denn einigermaßen recht mit meiner Sichtweise haben sollte), daß es mit dem Wissen um all das bei Vielen offenbar nicht weit her ist. Die Klagen aus der aktiven Community sind mittlerweile so laut, daß sie das Präsidium gar nicht mehr überhören kann. Die Frage ist ja eher - Vorstand oder ein großer Teil derer, die überhaupt noch aktiv beitragen. Und ich meine mit aktiv beitragen die, die rausgehen. Die Aufklären. Die fotografieren. Die ihre Artikel schreiben. Etc. Ihr könnt euch gegenseitig alle schön feiern und im Erfolg der Spendengelder sonnen - aber was bringt das, wenn nicht mehr viele Leute überhaupt mit WMDE in den Strukturen zusammen arbeiten wollen? Im Fußball sagt man so schön, daß die Wahrheit auf dem Platz liegt. Unserer ist derzeit ein Kartoffelacker. Zu verantworten hat das natürlich in erster Linie der Vorstand, der zum einen eine immense Machtfülle hat, zum anderen diese auch noch interpretativ sehr weit zu seinen Gunsten auslegt. Tobias hat ja schon einige Dinge aufgezählt, die völlig daneben liefen. Ich könnte auch noch einiges dazu beitragen. Der Bericht der Kassenprüfer ist eine Katastrophe.
Das Problem ist ja Dasselbe, das ich vor einigen Wochen bei meinem offenen Brief hatte. Man weiß sehr vieles - sagen darf man aber nur wenig. Und das aus verschiedensten Gründen. Damit hat man natürlich immer die "Arschkarte" gezogen. Daß jetzt einige frühere Granden Krokodilstränen weinen, weil es der neue, "junge" Vorstand wagt, den von ihnen implementierten Vorstand "abzusägen" (Copyright Anneke Wolf) ist nicht so verwunderlich. Daß die Kommunikation beklagt wird hingegen schon. Es ging jetzt um die Mitteilung eines Faktes. Vielleicht sollte man mal die MV abwarten, was da noch gesagt wird. Daß das vor der MV passiert ist ja wohl richtig. Das auf der MV zur Diskussion zu stellen ist ein wenig absurd, oder? Denn genau das obliegt dem Präsidium. Das zu entscheiden. Die MV hat nun dank der Mitteilung natürlich ihrerseits die Gelegenheit das zu diskutieren. Eventuell sogar etwas anderes zu beschließen (dann kann man natürlich das Präsidium abschaffen, dann ist es nie weider einen Pfifferling wert). Lustig die Idee, das alles überhaupt erst auf der MV zur Diskussion zu stellen - und dann? Diskutieren wir dort über den Vorstand? Möglicherweise noch über dessen Arbeitsvertrag? Na das würde sicher "lustig"...
Problem ist die einer einzelnen Person übertragenen Machtfülle. Und das ist eine Sache, die letztlich ein gut Teil der Unterzeichner des bösen Briefes gegen die Entscheidung des Präsidiums zu verantworten haben. Statt jetzt mit Derartigem zu kommen, sollte man dort mal mit der Selbstkritik anfangen. Denn den Nachfolgern wurde allein diese Ausgangslage hinterlassen. Das Präsidium hat ja kaum andere Möglichkeiten, es wurde weitestgehend zur Randerscheinung degradiert. In Anbetracht dessen, daß zwischen den Mitgliederversammlungen das Präsidium die Mitglieder des Vereins repräsentiert ist das eine unhaltbare Situation. Der Vorstand (völlig ungeachter der dort agierenden Personen) ist ein ausführendes Organ. Das vom Präsidium eingesetzt, überwacht, geführt und zur Not auch wieder entlassen wird. Und bei der ausführenden Arbeit erschöpft sich am Ende alles auch. Es sei denn, es gibt einen anderen Auftrag.
Fakt ist - wenn man mich als Beispiel nimmt, fällt es mir derzeit sehr schwer, noch etwas mit WMDE zu machen. Ich bin Mitglied, es steht mir zu unterstützt zu werden - aber ich kann derzeit nicht bei um UNterstützung für Irgendwas bitten. Ich hatte ursprünglich sogar die Zedler-Preisverleihung abgesagt (wo ich bei einem Projekt Co-nominiert bin), weil ich derzeit selbst mit dem Einreichen einer Fahrkostenabrechnung Probleme hätte. Ich habe das Gefühl, ich bin Bittsteller in meinem Verein. Wo Angestellte über mich befinden, die davon bezahlt werden, daß ich meine ehrenamtliche Wikipedia-Arbeit mache. Ich finde es gut, daß wir diese Angestellten haben und ich habe leider heute schon mitbekommen, daß es offenbar eine Verunsicherung unter den Angestellten gibt - also ganz deutlich, es geht hier in keiner Weise um euch, wir schätzen euch und euer Engagement! - aber richtig ist für mich, daß ich zu WMDE gehe und sage, was ich machen möchte. Und nur wenn es geichtige Gründe gibt, warum das nicht passieren kann, soll so etwas abgelehnt werden. Das Geld ist doch da. Derzeit komme ich mir aber wie ein Bettler vor.
Und das ist die derzeitige nicht nur von mir so empfundene Entwicklung des Vereins. Einerseits wird gesagt, man tut alles für die Freiwilligen, erbittet auch immer wieder Anfragen - aber wenn es wirklich dazu kommt, fühlt man sich wie ein Bettler. Wenn man diese Hürde erst genommen hat läuft es meist recht gut (obwohl es auch hier immer wieder enrsthafte und fortlaufende Probleme gibt, Tobias hat auch hier Dinge genannt). Weil wir unglaublich gute Mitarbeiter haben. Ob das aber so bleibt, in Anbetracht wie zuletzt mit Einigen umgegangen würde, ist fraglich. Wir zahlen sicher nicht schlecht, aber auch nicht am Besten. Somit stehen wir im Wettbewerb. Wenn es sich rumspricht, wie zum Teil zuletzt mit Angestellten umgegangen wurde, sind wir als Arbeitgeber sicher nicht mehr so attraktiv. Aber selbst unsere guten Mitarbeiter konnten nicht verhindern, daß sich immer mehr Freiwillige fragen, ob es nicht so geplant war, daß der Verein mit seinen Strukturen für uns da war, uns unterstützen sollte - oder ob es wirklich so sein soll, daß wir für den Verein da sein sollen. Anders kann ich mir die ganzen bei WMDE geplanten Sachen nicht erklären, die in keiner Weise aus der Community kommen, die den Verein letztlich ausmacht. Sondern aus den Büros der Geschäftsstelle. Das kann es einfach nicht sein. Nicht in meiner Vorstellung.
Marcus
Am 19.05.2014 16:04, schrieb Andre Darmochwal:
Mitgliederversammlung haben, erschreckend. Die Kommunikation des
Präsidiums ist nicht mal mehr unter "dürftig" zu fassen, sie existiert nicht. Und so wollt ihr den langjährigen Vorstand entlassen?
Vor allem erwarte ich eigentlich zwingend unter so einer Ankündigung
wenigstens die Andeutung plausibler Gründe für einen derartigen Schritt. Die nebulös beschriebene "neuer Ausrichtung" rechtfertigt eine sofortige Abberufung in keinem Fall, abgesehn davon, dass man die vielleicht vorher auch mal mit den Mitgliedern hätte diskutieren können (auf einer Mitgliederversammlung vielleicht...)
Grüße, André _______________________________________________ VereinDE-l mailing list VereinDE-l@lists.wikimedia.org https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/vereinde-l
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