Hi Kurt!
Da das Fundraising ja nicht mal die (Bild-)Marke verwendet, sondern quasi huckepack auf der (zweifelsohne) positiv konotierten Wikipedia segelt, halte ich das für eine sehr gewagte These.
Ich halte die These nicht für gewagt. Das Fundraising bringt unseren Lesern jedes Jahr in Erinnerung, dass Wikipedia von einer gemeinnützigen Organisation betrieben wird, was für eine Website dieser Größe ja sehr ungewöhnlich ist. Oft wurde dabei auch kommuniziert, dass die Enzyklopädie von Freiwilligen erstellt wird. Beides ist auch im Jahr 2014 vielen nicht klar. Die Spendenkampagnen bieten interessierten Lesern auch einen Anlass, sich näher mit dem Projekt, seinen Zielen und Idealen zu beschäftigen.
Vom der Idee her: ja – von der Implementierung her: leider nein.
Schau Dir den aktuellen Banner doch einfach mal unter diesen Gesichtspunkten an. Das einzige was da von unseren hehren Zielen kommuniziert wird ist „keine Werbung“ – und das ist mir in einem Zeitalter, in dem selbst Tageszeitungen gegen einen Obolus werbefrei Versionen anbieten, viel zu wenig.
Wieso steht da nichts von „freien Inhalten“ und vom „Wikiprinzip“? Wieso findet sich da kein Link zu einer Projektvorstellung oder zu einer Seite auf der dargestellt wird, was überhaupt mit dem ganzen Geld passiert?
Ich teile Deine Ziele und bin auch kein genereller Gegner dieser Kampagnen. Aber hier wird einen riesen Chance vertan, indem man sich darauf beschrenkt mit (egal welchen Mitteln) soviel Geld wie irgendmöglich einzusammeln und dabei die Kernidee unseres Projekts vernachlässigt.
In einer früheren Mail beschriebst Du das Fundraising mit "Hasenfuß-Taktik" und "Bloß keine Experimente". Ich weiß nicht, wie ausgiebig Du Dich vor Deiner Kritik mit der Genese der Spendenkampagnen beschäftigt hast, aber es wurden in der Vergangenheit sehr viele unterschiedliche Ansätze ausprobiert, sowohl was Darstellung als auch Inhalt betrifft.
Ich bezog mich damit auf die textlastigen Banner der Jahre 2013 und 2014.
Ich fand die persönlichen Statements in den den Jahren zuvor wesentlich besser. Auch wenn man auch da gestalterisch noch einiges optimieren könnte, wurden damals etliche der konzeptionellen Fehler, die ich jetzt kritisiere, nicht gemacht.
Und natürlich ist es wichtig, der öffentlichen Wahrnehmung des Projekts beim Fundraising keinen Schaden zuzufügen und auch moralisch integer zu bleiben (http://enwp.org/File:Natlamp73.jpg ;-). In beiden Punkten haben wir uns meines Erachtens nichts vorzuwerfen.
Die Frage ist nur, ob das beim geneigten Publikum auch so ankommt?! Diese Frage hier z.B. finde ich in dieser Hinsicht geradezu symptomatisch: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Auskunft/Archiv/2014/Woche_49#Der_zu....
Ich fände es auch prima, wenn die Kampagne neben der Spendenakquise quasi im Vorbeigehen noch allerlei weitere Ansprüche und Funktionen erfüllen würde (mehr Aufklärung über das Projekt, Autorengewinnung, Sensibilisierung für unsere politischen Anliegen usw.), dabei ästhetisch ist und weniger nervt. Wie Till schon schrieb, die Gefahr ist halt, dass dies zu Lasten der Spendeneinnahmen geht bzw. die Laufzeit in die Länge zieht. Aber konkrete Ideen für alternative Ansätze oder Verbesserungen im Detail sind immer willkommen. Darüber lässt sich dann auch viel besser diskutieren.
Wie jemand in der internationalen Mailing-Liste schon schrieb: Wenn wir diese Kampagne immer nur als notwendiges Übel begreifen, als etwas, was die Community wohl oder übel über sich ergegen lassen muss, damit auch nächstes Jahr noch die Server laufen, wird sie immer ein Fremdkörper bleiben.
Schaut Euch doch mal Amnesty, Ärzte ohne Grenzen oder Greenpeace an. Die schaffen es doch auch Fundraising zu betreiben ohne gleich ihre Markenidentität aufzugeben. Und nein bei Kommunikation ist es nicht wie bei Medizin: die muss nicht hässlich und nervig sein, damit sie wirkt – im Gegenteil!
Wir versuchen doch sonst so offen und transparent zu sein. Wieso geben wir uns dann ausgerechnet beim Spendensammeln zugeknöpft und penetrant wie ein finsterer Adware-Anbieter?
Ich könnte mir vorstellen, dass die Community sogar bereit wäre einen dauerhaften Fundraising-Hinweis in der Seitenspalte zu akzeptieren, wenn dafür diese alljährliche Defacement-Attacke unterbleiben würde...
Nebenbei bemerkt: Das Immer-mehr an Einnahmen ist kein Naturgesetz. Und ich finde es schon etwas seltsam, wenn Till die 2012 Kampagne, bei der weit über 5 Mio- Euro eingenommen wurden, plötzlich als Misserfolg empfindet?! Dieses Projekt wurde schließlich nicht dazu aus der Taufe gehoben um jedes Jahr mehr Geld einzusammeln, sondern um einen Enzyklopädie zu schreiben. Und die würde es auch überlebe, wenn da mal nur 3-4 Mio. reinkommen.
...insbesondere da Dank der jüngsten FDC-Empfehlungen eh weit weniger als die Hälfte der hier generierten Einnahmen bei den deutschsprachigen Chaptern ankommen.
Soweit // Martin