Auch von mir Dank an Olaf und die anderen Beteiligten für diese interessante Diskussion. In gewisser Weise sind Olafs Erfahrungen mit der *Enzyklopädie der Frühen Neuzeit* zwar nicht repräsentativ, da in den meisten Fällen das Engagement in der Wikipedia für den akademischen Kontext schlicht irrelevant ist. Nix positives, nix negatives. Dennoch ist die Episode wichtig: Wenn wir Akademikern potentielle Vorteile der Mitarbeit in Wikipedia verkaufen wollen, müssen wir auch über potentielle Risiken reden. Am Ende wird dabei kein überzeugendes Argument herauskommen und eine Konsequenz hatte ich ja auch in Frankfurt betont: Wir können Akademikern Wikipedia nicht als eine attraktive Publikationsplattform verkaufen. Aus der akademischen Innenperspektive gibt es keinen guten Grund für die Mitarbeit an der Wikipedia. Wenn Wissenschaftler sich in der Wikipedia engagieren, tun sie das aus ähnlichen Gründen wie Nichtakademiker: Zunächst Neugier und/oder Begeisterung für freies Wissen, dann soziale Einbindung, Habituation, usw. usf.
Wir müssen uns daher darauf einstellen, dass nicht nur „Original reasearch“ sondern auch die "sekundäre akademische Wissensproduktion" ganz wesentlich jenseits von Wikipedia stattfindet. Akademiker werden weiter Fachlexika, Handbücher, Review-Artikel, Einführungswerke, Überblickswerke, Sammelbände, Lehrbücher usw. als Medien der sekundären Aufbereitung von Wissen nutzen und nicht in Scharen zu uns kommen.
Wie sollen wir mit einer solchen Situation umgehen? Olaf hat ja den Vorschlag gemacht, dass wir Akademikern „bei uns eine adäquate Plattform geben: so etwas wie eine Wissenschaftliche Reihe, in der Konferenzbeiträge erscheinen, und die bei uns im Druck wie auch online verfügbar werden.“ Wenn man so etwas organisiert bekommt, wäre dass natürlich toll. Darüber hinaus, müssen wir aber auch damit umgehen, dass das Meiste jenseits von Wikipedia/Wikimedia passiert. Wir sollten daher Initiativen unterstützen, die sich der freien akademischen Wissensproduktion jenseits von Wikipedia/Wikimedia widmen. Ein sehr interessantes Projekt haben wir von Daniel Mietchen in Frankfurt vorgestellt bekommen: http://meta.wikimedia.org/wiki/WissensWert/89_-_Wissenschaft_als_Wiki
Darüber hinaus müssen wir uns m.E. viel stärker dafür einsetzen, dass sekundäre akademische Wissensproduktion in Richtung Wikipedia durchlässig wird. Es wäre großartig, wenn man Inhalte aus renommierten Open-Access-Projekten (OA) wie der Scholarpedia oder der Stanford Encyclopedia of Philosophy (SEP) partiell in die Wikipedia übernehmen könnte. Geht aber wegen der Lizenzen derartiger Projekte nicht. Man hat daher etwa bei Philosophieartikeln häufig die Situation, dass Wikipedia-Artikel mehr oder weniger gekonnte Nacherzählungen der SEP-Artikel sind – eine Situation, die niemandem hilft. In diesem Sinne ist es m.E. besonders wichtig, Wikimedia-Projekte stärker mit OA-Initiativen zu vernetzen und dafür einzutreten, dass sich gerade auch OA-Projekte der sekundären Wissensproduktion auf freie Lizenzen einlassen.
Die Diskussionen zu diesem Themenbereich auf der Academy habe ich übrigens als sehr hilfreich und als erfreulich offen empfunden. Daran sollten wir bei zukünftigen Academies anknüpfen, auch etwa indem wir zunehmend Leute aus dem OA-Bereich einbinden
David