On 17.11.2011 19:21, Martina Nolte wrote:
Moin,
Am 17.11.2011 00:27, schrieb DaB.:
Woher kommt dieser Beissreflex: "Oh Gott,
noch mehr Personal" immer wenn der
Verein jemanden einstellen will?
1. Weil wir hier nicht über (mal) "jemanden einstellen" sprechen,
sondern geplant ist, dass die Personalkosten künftig einen höheren
Anteil einnehmen als die Sachkosten.
Obwohl diese Frage bisher schon mehrere Male gestellt wurde, unter
anderem bei der Diskussion des Wirtschaftsplans 2011, der Diskussion
deines Antrags zur letzten MV, aber auch bei der Diskussion des
Wirtschaftsplans 2012, so blieb sie immer unbeantwortet. Nun von mir ein
erneuter Versuch: welche Rolle spielt es, ob Personalkosten einen
höheren oder einen niedrigeren Anteil als Sachkosten einnehmen? Sind
Personalkosten von 15% per se besser als 85%, ungeachtet davon, welche
Ziele mit diesen Mitteln erreicht werden? Wenn dem so ist, warum?
2. Weil Wikimedianer aus der Tradition des
ehrenamtlichen Engagements
kommen und es ihnen umso schwerer vermittelbar ist, warum zunehmend
viele Menschen (von denen immer mehr keine Erfahrungen in den
Wikimedia-Projekten haben) ihr Einkommen aus denjenigen Geldern
beziehen, die zum allergrößten Teil direkt der Arbeit der
Ehrenamtlichen entstammt (denn immer noch spenden die Leute
massenhaft für den technischen Betrieb, die Werbefreiheit und als
Dankeschön an die Wikipedia, nicht "für den Geist freien WIssens").
Es trifft sicher zu, dass Beitragen zu den Wikimedia-Projekten in der
Regel ehrenamtlich und unentgeltlich erfolgt. Es ist aber auch klar wie
Kloßbrühe, dass sich dieses Prinzip nicht über diese Arbeiten hinaus
universalisieren lässt, schon weil die Arbeit in den Wikimedia-Projekten
anderen Anforderungen unterliegt als die Arbeit außerhalb. Entsprechend
setzt der Verein an den Stellen auf ehrenamtliche Arbeit, wo es sinnvoll
und vernünftig ist, und auf hauptamtliche Arbeit, wo es das nicht ist.
Tendenziell bedeutet das natürlich, dass weder der Umfang der Arbeit,
die ehrenamtlich verrichtet wird, noch der, der hauptamtlich verrichtet
wird, nach oben hin geschlossen ist.
Schließlich: wenn erstens Geld vorhanden ist, zweitens viel Arbeit zu
erledigen ist, drittens für diese Arbeit Ehrenamtler erfahrungsgemäß
nicht in Frage kommen, dann ist es aus dem Blickwinkel der Effektivität
völlig richtig, die hauptamtliche Arbeit auszubauen. All diese
theoretischen Bedingungen sind derzeit gegeben, also kommt auch die Folge.
3. Weil es weder der Geschäftsstelle noch dem
Vorstand gelingt, die
Notwendigkeit zusätzlichen Personals und den Benefit für die
Community überzeugend darzulegen.
Es ist recht offensichtlich, dass für die breite Mehrheit der Mitglieder
die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit zusätzlichen Personals überzeugend
dargelegt wurde. Das zeigt nicht zuletzt die Städtetour zum
Wirtschaftsplans, auf der Pavel und ich viele Fragen zu diesem Themen
beantwortet haben. Die kompakte Darstellung (einer möglichen) Personal-
und Projektplanung für das nächste Jahr war ein Wunsch, der unter
anderem aus diesen Veranstaltungen herleitete. Der Inhalt dessen, was
Pavel gestern veröffentlicht hat, sollte aber niemanden überraschen, der
sich mit dem Wirtschaftsplan 2012 inhaltlich auseinandergesetzt hat.
Geschäftsführung und Vorstand schlagen für das nächste Jahr sehr
ambitionierte Ziele vor, die der Verein mit seinen Aktivitäten erreichen
soll. An diesen Zielen scheint es, nach aller Konsultation mit
Mitgliedern und Community, nichts auszusetzen zu geben. Zumindest liegen
trotz mehrfacher Bitten und Aufforderungen keinerlei Änderungsvorschläge
vor.
Wenn man nun also diese Ziele akzeptiert, dann muss man auch
akzeptieren, dass sie ohne Man- bzw. Womanpower nicht erreicht werden.
Es gibt keine Maschinen, die dafür sorgen wird, dass sich der
Frauenanteil verdoppelt, Inhalte staatlicher Institutionen unter freien
Lizenzen veröffentlicht, Schülern und Lehrern Medienkompetenz im Umgang
mit Wikipedia beigebracht, Gründe für den Autorenschwund erforscht, die
Erzeugung und Verbreitung Freien Wissens nicht politisch beschränkt,
lokale Aktivitäten gefördert, die Qualität der Wikimedia-Projekte
gesteigert oder Wikimedia-Inhalte in den Medien lizenzkonform genutzt
werden. All das verlangt zwangsläufig nach menschlicher Arbeit, ob
bezahlt oder nicht.
Akzeptiert man die Ziele und akzeptiert man, dass die Ziele ohne
Menschen nicht zu schaffen sind, verbleibt nur noch die Abwägung,
wieviel der zu leistenden Arbeit innerhalb der gegebenen Zeit
vernünftigerweise ehrenamtlich umgesetzt werden kann. Das Ergebnis
dieser Abwägung nach dem besten Wissen und Gewissen von Vorstand und
Geschäftsführung ist das, was Pavel gestern veröffentlicht hat.
Auf der Mitgliederversammlung im Frühjahr räumte Pavel
ein, dass die
(zu) schnell gewachsene Geschäftstelle sich jetzt intern besser
organisieren müsse (was ich aus der Außensicht klar bestätigen kann).
Gutgläubig wie ich bin, dachte ich, er meint damit, dass jetzt erstmal
Ruhe einkehren, die Teams zusammenwachsen, Aufgabenstellungen,
Befugnisse und Verantwortlichkeiten im Arbeitsalltag geklärt werden
würden, um mit dem vorhandenen Personal effektive(re)s Arbeiten zu
erreichen.
Es fällt mir sehr schwer nachzuvollziehen, wie man angesichts der
ständig steigenden Popularität und Bekanntheit von Wikipedia, Wikimedia
und den Wikimedia-Projekten, den erkennbaren Trends bei der Beteiligung
in den Projekten und der zunehmenden gesellschaftlichen Verantwortung
dessen, was wir tun, erwarten kann, dass "jetzt erstmal Ruhe einkehren"
würde. Unabhängig davon, dass die Umstände das gar nicht hergeben, kann
ich auch nicht nachvollziehen, was daran erstrebenswert wäre.
Das, was Wikimedia so spannend macht, ist, dass es einer Mission folgt,
die einerseits so alt wie die zivilisierte Menschheit ist, andererseits
sie in einer Zeit realisiert wird, die kurzlebiger, rasanter und
dynamischer ist, als das meiste, was die Menschheitsgeschichte
hervorgebracht hat. Mich erfüllt das persönlich mit viel Begeisterung,
Tatendrang und Optimismus dafür, was wir noch alles schaffen und wie wir
mit unserem Einsatz die Welt um uns gestalten können. Ich bin sicher
nicht frei von Sorgen, Ängsten und Befürchtungen, aber ich würde mich
davon doch nie leiten lassen. Warum tun das hier aber einige immer wieder?
Aber nein, nun soll das Personal sogar weiter rasant
anwachsen. Pavel begründet hier das Wachstum mit Wachstum. Das viele
Personal braucht jetzt ein Mittleres Management (Stabsstellen) und mehr
Eigenverwaltung (Gehalts- und Finanzbuchhaltung, Administration).
Eine Frage hatte ich oben gestellt, nun eine andere, bzw. zwei Teilfragen:
1) Wie hoch schätzt du das langfristige realistische Potenzial zur
Mitteleinwerbung beim Verein ein? Anders ausgedrückt: wieviel, denkst
du, wird Wikimedia Deutschland langfristig betrachtet realistischerweise
an jährlichen Mitteln zur Verfügung stehen? Zum Vergleich: für 2012
beläuft sich diese Zahl auf etwa 3,5 Mio. Euro.
2) Wieviele hauptamtliche Mitarbeiter würdest du für den Verein
langfristig für angemessen halten? Zum Vergleich: für 2012 sind etwa 32
Vollzeitäquivalente geplant.
Diese Fragen kann jeder wohl nur subjektiv beantworten, ich sicher auch.
Aber bevor ich schreibe, wie ich diese Fragen beantworten würde, würde
ich mich freuen, wenn einige Mitglieder dieser Mailingliste ihre eigene
Meinung veröffentlichen könnten. Vielleicht kommen wir damit den
eigentlichen Ursachen dieses Streitthemas, das ja nun mindestens schon
so alt ist wie die Entscheidung einen Geschäftsführer anzustellen, etwas
näher.
Beste Grüße
Sebastian Moleski
Erster Vorsitzender
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