lb Sebastian, was du hier beschreibst ist juristisch gesehen kein
Beweismittel sondern ein Hinweis auf einen Verfahrensmangel, den ein
Richter im Zuge eines Beweisverfahrens würdigen kann oder nicht.
Nach Durchsicht des Artikels ist die Argumentation nicht falsch.
In WP ist nur zusammengefasst, dass unter bestimmten Umständgen eben
dieses Verfahren nicht angewendet werden darf, weil die verwendeten
Mittel eben bislang nicht der Trinkwasserschutzverordnung entsprechen.
Mehr nicht. Wie es sich gehört, stellt Wikipedia Wissen dar, hat aber
keines selbst erzeugt.
h.
Am 13.01.2012 07:51, schrieb Sebastian Wallroth:
Tatsächlich sollten wir uns dafür einsetzen, die
Heranziehung der Wikipedia als Beweismittel zu unterbinden!
http://www.intern.de/internet-news/10048-bweismittel-wikipedia.html
Beweismittel Wikipedia
12. Januar 2012
Eigentlich ist Wikipedia dazu dazu da, Fakten zu erfassen. Manchmal aber kann die
Online-Enzyklopädie auch Fakten schaffen, wie ein Urteil (201 C 546/10) des AG Köln vom
20. April 2011 zeigt. Das Urteil wird vom Newsletter "Vermieter-Telegramm" als
erstes Mietrechtsurteil bezeichnet, "das Wikipedia fällte".
Es handelte sich dabei zunächst einmal um einen Rechtsstreit zwischen Mieter und
Vermieter, bei dem sich Einiges "angesammelt" hatte. Der Mieter einer
Erdgeschosswohnung in Köln hatte im Jahr 2007 erstmals die Miete um 30 Euro gekürzt, weil
die Warmwasserversorgung seiner Wohnung einen Tag lang ausgefallen war. Zwei Monate später
kürzte er die Miete, weil er sich durch Gerüstarbeiten belästigt fühlte. Einen Monat
danach, im Dezember, blieb er die Miete vollständig schuldig und im Januar 2008 zahlte er
von der Mietschuld in Höhe von 938 Euro gerade 177 Euro. Im Februar kürzte er die Miete
wieder um 386 Euro - bei 694 Euro Kaltmiete ein stolzer Betrag, den die Vermieterin für
überzogen hielt und einen Rechtsstreit anstrengte.
Aufgabe des Gerichts war es nun, die Begründung der Minderungen jeweils einzeln zu
überprüfen. Der Ausfall der Warmwasserversorgung wurde beispielsweise auf eine 15%ige
Kürzung für einen Miettag reduziert, was die berechtigte Minderung auf gerade 4,71 Euro
senkte. Ein Großteil der anderen eigenmächtig vorgenommenen Minderungen wurde vom Gericht
ebenfalls nicht anerkannt.
Doch ein spezieller Vortrag des Mieters fand Gehör: Die Vermieterin - die Eigentümerin
des Wohnparks - hatte die Wasserleitungen mit einem Verfahren der Rohrinnensanierung
behandeln lassen, womit die bestehenden Leitungen erhalten bleiben konnten und es zu
keinen größeren Behinderungen der Mietparteien kam.
Dieses Verfahren beanstandete aber der Mieter und trug vor, was er bei Wikipedia
vermutlich gerade erst über das dabei benutzte Epoxidharz (Wikipedia) gelesen hatte. Im
Urteil wurde die Berechtigung der Mietminderung entsprechend begründet:
"Der Beklagte schuldete für die genannten Monate gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB
lediglich eine herabgesetzte Miete, da die Rohrinnensanierung, die im November 2007
durchgeführt worden ist, unstreitig mit Hilfe des Baustoffs Epoxidharz vorgenommen wurde.
Es ist dabei gerichtsbekannt, dass Epoxidharz Komponenten enthält, die
gesundheitsschädlich sind. Dabei bezieht sich das Gericht auf den Artikel der freien
Enzyklopädie Wikipedia zum Thema Epoxidharz. Danach besteht die Harzkomponente aus den
Stoffen Bisphenol A und Epichlorhydrin. Bisfinol A wird als endokriner Disruptor
verdächtigt, das bedeutet, dass dieser Stoff wie ein Hormon wirken und so das empfindliche
Gleichgewicht des Hormonsystems des Menschen stören kann. Gerichtsbekannt ist ferner, dass
solche endokrinen Disruptoren schon in geringsten Mengen zu Störungen im endokrinen System
führen können. Der Stoff Epichlorhydrin ist laut Wikipedia weiterhin bekannt als giftig
und im Tierversuch krebserzeugend. Daher steht zu
r Überzeugung des Gerichts fest,
dass das Wasser in der Wohnung des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum als
Trinkwasser nicht geeignet war und zur Körperhygiene nur bedingt geeignet war. Dies
rechtfertigt eine Mietminderung von 20 % monatlich".
Etwas irritierend ist daran vielleicht schon, dass ein in Deutschland und im europäischen
Ausland regelmäßig eingesetztes Verfahren in einer Kölner Wohnung das Wasser so vergiftet,
dass es schon für die Körperpflege kaum zu gebrauchen ist. Das scheint dann doch ein wenig
übertrieben.
Für die Vermieterin jedenfalls bedeutet diese Einschätzung, dass sie auf 20% der Miete
verzichten muss, solange das Epoxidharz in den Leitungen ist. Sie muss daher zwangsläufig
auch die sanierten Wasserleitungen zurückbauen und durch neue Leitungen ersetzen, da sonst
die Mietminderung dauerhaft begründet bleibt und auch von den anderen Mietern beansprucht
werden kann.
Wegen des Urteils hat - ebenfalls laut Wikipedia - die Mainova AG "für die Städte
Frankfurt am Main und Hanau alle Rohrinnensanierungen mit Epoxydharzprodukten
verboten". Obwohl der Erfinder des LSE-Verfahrens, ein schweizerisches Unternehmen,
durch Untersuchungen und Qualitätssicherungsverfahren die Unbedenklichkeit der
Rohrinnensanierung mit ihrem speziell entwickelten Epoxidharzgemisch zu belegen versucht.
Den Wikipedia-Darstellungen wird dabei teilweise deutlich widersprochen. Eine Schädigung
der Geschäfte kann dennoch kaum ausgeschlossen werden.
Doch es ist schwer, angesichts möglicher Gesundheitsschädigungen eine eindeutige Aussgage
zu treffen. Weshalb das Umweltbundesamt auch sehr vorsichtig mit einer
Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Verfahren ist. Das Verfahren wird zwar nicht
verboten, doch es wird auch nicht erlaubt. Alte Leitungssysteme aus Bleirohren, wie sie
vielleicht noch in Mietwohnungen zum Einsatz kommen, sind zwar vermutlich weit giftiger.
Doch sie genießen Bestandsschutz und sie können - nebenbei bemerkt - mit Epoxidharz auch
nicht saniert werden.
Die Frage, ob das Verfahren nun giftig ist, bleibt damit eigentlich ungeklärt. Dennoch
hat das Amtsgericht hier klar Position bezogen. Und die von Wikipedia als
"gerichtsbekannt" übernommene Argumentation wird viele weitere
Einzelentscheidungen beeinflussen.
Da kann man nur hoffen, dass sich das nicht zur Praxis an deutschen Gerichten entwickelt.
Denn so nützlich Wikipedia für die private Nutzung auch sein kann, für die Nutzung als
Beweismittel wurde die Mitmach-Enzyklopädie nicht gedacht und ist sie auch nicht geeignet.
Sonst ist in einem Rechtsstreit immer der im Vorteil, wer die Enzyklopädie am Besten nach
eigenen Vorstellungen gestalten kann.
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