Huhu, Henriette,
danke für Deine ausführlichen Kommentare! Als jemand, der prinzipiell
dafür zuständig ist, dafür zu sorgen, dass der Verein die Bedürfnisse
der Community wahrnimmt kann ich nicht umhin, mich von Deiner deutlichen
und konstruktiven Kritik angesprochen zu fühlen. Ich kann und will jetzt
nicht auf alle Einzelfragen eingehen, einmal weil so etwas schnell
ausufern kann, aber auch weil ich denke, dass das Grundsätzliche Deiner
Kritik verdient, angemessen gewürdigt zu werden und nicht in lauter
Details unterzugehen. Deshalb entschuldige bitte Streichungen und
Kürzungen weiter unten:
Am 07.02.2012 04:30, schrieb Henriette Fiebig:
On 04.02.2012, at 18:23, Pavel Richter wrote:
> Hallo Rainer,
>
> Was vermisst Du denn konkret? Was können wir besser machen?
[...]
Anlass von Rainers Mail war die Mail von Sebastian
Wallroth:
„Von der Nachvollziehbarkeit zusammen mit der Transparenz erwarte ich
mir, dass die Mitglieder mehr von der Vereinstätigkeit erfahren und
sich potenziell mehr daran beteiligen.”
Ok … mindestens den Willen zu "Nachvollziehbarkeit" und
"Transparenz"
finde ich als adressiertes Vereins-/Community-Mitglied in diesem
Blogpost an einigen Stellen. Allerdings erfahre ich nicht, welche
Community-Maßnahmen/Projekte für das Jahr 2012 konkret geplant sind
und wie ich helfen könnte.
Tatsächlich war es auch gar nicht Ziel des Kick-off-Workshops, eine
detaillierte Maßnamenplanung festzuklopfen. Das hätten wir an diesem
Wochenende gar nicht leisten können, es wäre aber auch nicht wirklich
sinnvoll gewesen. Gerade was die Förderung von Autoren und Community
betrifft. Hätten wir jetzt das ganze Jahr schon mit Maßnahmen zugeplant,
dann würden wir uns selbst den Gestaltungsspielraum rauben - Spielraum,
den wir gerade dazu brauchen, auf die Bedürfnisse der Community
einzugehen. Für uns alle ist der jetzige Planungsprozess etwas neues.
Wir haben keinen perfekten Masterplan, sondern wir stecken mitten in
einem lebendigen, offenen Prozess. Trotzdem wird es natürlich auch eine
genauere Planung zu den einzelnen Zielen geben, wie im Blog
angekündigt, nur konnte das nicht an dem Wochenende geleistet werden
sondern ist Teil der Hausaufgaben, an denen wir jetzt alle sitzen.
[...]
Bei Zedler durfte die Community Vorschläge für
Artikel, Projekte und
Personen machen und ein paar Leute wählen. Das wars dann. Ich will
nicht unken – tus natürlich trotzdem :) Ich sehe noch nicht a) was
aus der Veranstaltung für die Community herausspringt und b) sehe ich
keine Möglicheit, wie man sich in die Orga produktiv einbringen kann.
Das liegt natürlich in der Natur der Sache: Viele Aufgaben können nur
von der GS gemacht und gesteuert werden und viel ist auch
Spezialokram, den man schon mal gemacht haben muß, um eine echte Hilfe
zu sein und nicht nur Klotz am Bein (weiß ich alles, hab' schon ein
paar Veranstaltungen organisiert). Ich glaube kaum, daß da mehr Jobs
oder Aufgaben als Kaffee kochen, Tische schleppen oder Schilder an die
Wand kleben für die $Interessenten herausspringen (können) – wenig
attraktiv das.
Soweit ich sehe ist der Zedler-Preis doch komplett umgekrempelt worden.
Das Konzept ist mit der Community erarbeitet worden wozu es soweit ich
weiß diverse Treffen gab, die Jury ist von der Community besetzt worden
und die Nominierungen sind ebenfalls Sache der Community. Und dass es
eine solche Neukonzeption gab, liegt nach meiner Wahrnehmung genau an
dem Feedback zur Vorgängerversion. Das heißt, Zedler wäre für mich
gerade ein Beispiel dafür, dass auf Kritik bezüglich Community-Ferne
reagiert worden ist. Wenn Du tolle Ideen hast, wie das noch verbessert
werden kann, wird sich Nicole mindestens ein Bein abfreuen, wenn Du sie
ihr mitteilst..
Wieso steht da die WikiCon? Die wird in diesem Jahr
von WM-AT
ausgerichtet und die letzte WikiCon wurde weitestgehend in Eigenregie
der Community gewuppt. WMDE hat 'ne Stange Geld investiert (war gut
und großartig so. Nochmal vielen, vielen Dank!), hat aber mit der Con
angenehm wenig zu tun gehabt (außer Miss Ebber, die den ganzen
bürokratischen Mulch zwischen WikiCon und Dienstleistern extremst
flauschig abgewickelt hat! Danke zum -zigsten Mal :))
WikiData: Darunter kann ich mir noch wenig bis nix vorstellen, aber
soweit ich mich entsinne stellt ihr eine ganze Menge Leute dafür ein.
Wo ist da der Platz für Community-/Vereinsmitglieder-Beteiligung?
Ich kann mir zwar
selbst auch noch nicht wirklich vorstellen, wie das
Ergebnis aussieht, wenn WikiData da ist, aber im Prinzip geht es darum,
eine Art Commons für strukturierte Daten zu schaffen. Die Einwohnerzahl
von Rio de Janeiro wird man dann irgendwann nicht mehr händisch in jeder
Sprachversion aktualisieren müssen, sondern man wird sie aus einer
zentralen Datenquelle beziehen können (vollständig freiwillig. Wikis,
die das nicht wollen, können auch weitermachen wie bisher).
Bei WikiData wird die Interaktion zwischen Community und Projekt-Team
enorm wichtig werden, sobald es real was zum Testen gibt. Ich habe mich
vor einigen Tagen mit dem Projektleiter unterhalten. Es ist ganz klar,
dass das Team für die Community entwickelt und dass dementsprechend der
Austausch mit der Community ein essenzieller Teil des Prozesses sein
wird. Momentan ist das Projekt noch ganz am Anfang, sodass es einfach
noch nichts zum Testen gibt.
[...]
Pressemaßnahmen: Wie, außer Artikel für Wikimedium schreiben, kann
sich denn $Interessent da beteiligen? Ihr habt doch außerdem mind. 2
Leute (Catrin, Michael), die alles andere machen, oder?
Ich finde eigentlich nicht, dass das Verfassen von Artikeln, für Blog,
Wikimedia oder andere Publikationen ein Hilfsarbeiterjob ist. Klar ist
natürlich, dass die Pressearbeit des Vereins trotzdem überwiegend von
den Hauptamtlichen gemacht wird. Das ist ja schließlich ihre Aufgabe.
Aber diese gehen auch immer wieder auf die Community zu. Aktuell zum
Beispiel hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Berlin#Presseanfrage
(wo Du Dich ja auch als Interessentin eingetragen hast.) Eine weitere
Aktivität, wo man sich sehr schön einbringen kann ist die Reihe von
Lesungen aus dem Wikipedia-Buch (Für Leipzig werden aktuell Mitwirkende
dringend gesucht!).
[...]
Fazit: Es gibt nur eine Aktivität bei der man sich
als
Community-/Vereinsmitglied wirklich locker und problemlos einbringen
kann: Die WikiCon. Und die wird per Definition nicht von WMDE
organisiert, sondern von der Community. Alles andere läuft auf
Wasserträgerjobs und Hilfstätigkeiten hínaus. Alles aus Gründen,
teilweise guten sogar. Aber das sollte dann auch so gesagt und
kommuniziert werden und nicht als „hier brauchen und wollen wir Dich
Community-/Vereinsmitglied!!” verkauft werden (ja sorry, das
unterstelle ich jetzt; explizit gesagt habt ihr das nicht. Okokok!).
Sorry, aber
meine Wahrnehmung ist anders, nicht nur beim Zedler-Preis
(s.o.) beim Referentennetzwerk (Referenten sind schwerlich
"Wasserträger", sondern ziemlich genau das Gegenteil) oder beim CPB.
Gut, ich bin noch nicht allzu lange dabei. Du hast mir viele Jahre an
WMDE-Erfahrung voraus, aber ehrlich gesagt habe ich noch überhaupt keine
Situation erlebt, in der wir Community-Mitglieder zu irgendwelchen
Hilfsdiensten eingespannt hätten. So ganz generell denke ich, dass es
bei jeder Aktivität und jedem Förderprogramm die Möglichkeit gibt, sich
gestaltend einzubringen. Wenn ich an meine geschätzten Kolleginnen und
Kollegen denke, meine ich dass sich so ziemlich jeder darüber freuen
würde, zu den eigenen Aktivitäten aus der Community Feedback und
Kooperation zu bekommen.
Nebenbei: Irgendwo zwischen White-Bag-Movement und
SOPA-Protest hatte
ich einen echt ketzerischen Gedanken: Ich habe mich nämlich gefragt,
was die Anwanzerei (sorry, istn donaldistischer Begriff) von WMDE an
die Community soll. Ihr habt einen Haufen bezahlter Mitarbeiter, ihr
stellt sogar regelmäßig neue ein. Aber immer wieder kommt ihr an und
wollt, daß wir (= Community) unsere Meinung sagen, uns beteiligen, uns
einbringen, euch beraten etc. Und dann passieren solche Klöpse wie bei
der Mailadressen-Situation (siehe Pulp Fiction zu ”Situation”) wo über
die Köpfe der Berater und Meinungssager hinweg entschieden wurde.
(Inzwischen bin ich sogar so paranoid zu glauben, daß die
Rahmenbedingungen schon lange feststanden und die ganze Diskussion bis
zur Ankündigung, daß es die Mailadressen gibt, nur ein bedauerliches
Mißverständnis war).
Bei diesem "Klops" muss ich mich ganz besonders
angesprochen fühlen,
weil ich es war, der das Projekt [[WP:@]] damals so relativ schnell
'rausgehauen hat, ohne die Tragweite richtig einzuschätzen, einfach weil
es schon sehr lange auf dem Stapel lag und endlich raus sollte.
Allerdings habe ich vom ersten Tag an gesagt, dass das Kleingedruckte an
dieser Sache vorläufig ist. Ich würde mich immer noch über
Alternativvorschläge unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Wikimedia_Deutschland_e.V./F%C3%B6rd…
freuen. Gleichzeitig sind die erregten Diskussionen dazu an uns wirklich
nicht spurlos vorüber gegangen - ich habe in der Zwischenzeit mehrfach
Formulierungen entschärft und ich habe auf der ToDo-List, dazu eine sehr
viel liberalere Regelung als ursprünglich ins Auge gefasst zu entwerfen
- am liebsten mit ganz viel Beteiligung der Betroffenen, aber dass die
kommt, kann ich nicht erzwingen.
Aber vielleicht noch ein allgemeines Wort zu der ganzen Problematik: Ich
habe eigentlich mein gesamtes bisheriges Berufsleben bei gemeinnützigen
Organisation verbracht und war auch selbst oft genug Ehrenamtler. Das
Verhältnis zwischen Haupt- und Ehrenamtlern hat es immer in sich.
Vereine wie WMDE sind aus ehrenamtlichem Engagement hervorgegangen und
hängen von diesem ab, aber gleichzeitig braucht es ab einer bestimmten
Größe auch Menschen, die den ganzen Tag dafür haben, sich um dessen
Anliegen zu kümmern, ohne sich Sorgen machen zu müssen, wie sie ihre
Familie ernähren.
Damit ergibt sich die Situation, wo die einen für ihr Engagement für
eine Sache bezahlt werden und die anderen nicht, wo die einen den ganzen
Arbeitstag zur Verfügung haben, sich einer Sache zu widmen und die
anderen dies nur in ihrer Freizeit machen können. Ich habe noch keine
Organisation kennengelernt, in der das Verhältnis von Haupt- und
Ehrenamtlern nur harmonisch und spannungsfrei gewesen wäre. Und ich habe
auch noch keine perfekte Lösung für dieses Problem kennengelernt. Bei
einer Organisation, für die ich gearbeitet habe, wurde irgendwann
diskutiert, auf Mitglieder und Lokalgruppen einfach zu verzichten. Ich
habe damals immer massiv dagegen argumentiert, weil ich fürchtete, das
wir, wenn wir auf unsere Basis verzichten, auch unserer Bodenhaftung
verlieren. Deshalb bin ich auch froh und dankbar, dass so etwas bei WMDE
prinzipiell nicht möglich ist, weil der Verein ohne die Community gar
nicht Bestand haben könnte. Aber der Preis dafür ist eben, dass das
Verhältnis zueinander immer wieder neu ausverhandelt werden muss und es
solche Auseinandersetzungen wie diese hier immer wieder geben wird.
[...]
Nehmt es bitte aber auch als ein „die Fiebig motzt über Formalismen
und darüber das ihre naiven Weltverbesserungs-Ideen nicht
berücksichtigt werden” :)
Henriette, bitte nimms mir nicht übel, aber ich kann hier
nur
zurückfragen: Welche Weltverbesserungsideen genau werden nicht
berücksichtigt? In dieser Mail hast Du v.a. sehr pointiert Deine Kritik
formuliert, aber Ideen dazu, wie wir es grundsätzlich besser machen
können, habe ich bei Dir eigentlich nicht gelesen.
Wie ich oben geschrieben habe - ich denke dass Du hier an einem sehr
grundsätzlichen Problem rührst - der unterschiedlichen Perspektive von
Haupt- und Ehrenamtlichen. Solltest Du tatsächlich eine "naive
Weltverbesserungsidee" haben, die das grundsätzlich löst, wäre das
nobelpreiswürdig.
Aber auch so: Kritik wie Deine ist für uns als Korrektiv und
"Wake-up-Call" unerlässlich! Bitte mehr davon! Wie gesagt: Der Prozess,
in dem wir momentan als Team stecken ist für uns alle neu, und ich bin
sehr gespannt, was uns dieses Jahr noch bringen wird. Wir werden
bestimmt noch den einen oder anderen Fehler machen, aber so wie ich
meine Kolleginnen und Kollegen kennengelernt habe, sind wir alle froh
und stolz, einer Community dienen zu dürfen, die in wenigen Jahren etwas
nie dagewesenes zustande gebracht hat.
Liebe Grüße,
Johannes
--
Johannes Rohr
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