Liebe Zielgruppe,
hier kommt nun mit Verspätung der Wochenbericht zu meinem Arbeitsfeld "Contentbefreiung". Ihr habt es also mit einer Doppelausgabe zu tun, enjoy.
1. Video
Seit einiger Zeit ist das Hochladen von Videos auf Wikimedia Commons (und damit die Einbindung in Wikipedia-Artikel möglich. Wikimedia Commons erlaubt nur das Hochladen von Videos im Format Ogg Theora, das ohne Lizenzzahlungen eingesetzt werden kann. Theora [1] ist der visuelle Bruder von Vorbis, einem freien Audio-Codec. Wichtig ist dies, weil in den kommenden Tagen/Wochen/Monaten (ich habe mich jetzt mit Vorhersagen schon so oft in die Nesseln gesetzt, da wird man vorsichtig) die neue Version des Webbrowsers Mozilla Firefox erscheinen wird, 3.5 (ehemals 3.1) [2]. Firefox 3.5 wird ohne weitere Plugins das Abspielen von ogg Theora-Videos erlauben, bis zum Ende des Jahres ist also eine Marktabdeckung von 40% mit Theora-fähigen Browsern in Deutschland nicht unrealistisch. In der Entwicklerversion von Google Chrome (das wird später mal version 3.0 werden [3]) arbeitet man ebenfalls an <video>-Unterstützung, hoffentlich auch mit Ogg Theora. Der Minderheitenbrowser Opera forciert dieses Format ebenfalls [4]. Für Browser ohne eingebaute Theora-Unterstützung gibt es ein intelligentes Tool auf Commons, das es meist erfolgreich schafft, die Videos irgendwie abzuspielen [5]. Soviel zur Technik - bleiben die Inhalte. Videos unter freien Lizenzen zu bekommen, ist mitunter schwerer als eine Bürgschaft der Bundesregierung für ein gegen die Wand gefahrenes Geschäftsmodell aus vergangenen Tagen. Drei Gründe könnte man hier ins Feld führen:
a) Kollaboration bei Videos klappt (noch) so gut wie gar nicht. Einen Stub-Artikel kann jeder ausbessern, aktualisieren, übersetzen und sonstwie glätten. Ein verwackeltes Video in grober Auflösung und uninteressanten Themen wird nicht dadurch exzellent, dass zwanzig Autoren Hand anlegen. An dieser Stelle wird uns wohl Kaltura ein wenig unter die Arme greifen. In ein paar Zeiteinheiten (Nesseln, sie wissen schon) wird Kaltura zusammen mit der Wikimedia Foundation eine Software veröffentlichen, die die Bearbeitung von Videos im Browser ermöglichen wird. Man darf gespannt sein [6].
b) Partizipationskosten. Um bei Wikipedia Texte schreiben zu können, braucht man einen Browser. Fast jeder Rechner der letzten 15 Jahre wird dafür mehr oder weniger ausreichen, sowas steht inzwischen auch in Bibliotheken, Schulen und Seniorenheimen herum. Um Videos herstellen zu können, bedarf es einer Videokamera (dank Plastik, China und Firmen wie Aiptek ist das nicht mehr ganz so teuer) und eines Rechners, der mit den Datenmengen etwas anfangen kann, dazu Schneidesoftware und diverse Codecs. Ja, so etwas ist machbar, aber ungleich aufwändiger. Es ist gut möglich, dass das Feld bald von unten aufgerollt wird, wenn zunehmend Handykameras mit ansehnlicheren Videofunktionen in den Markt kommen.
c) Lizenzwirrwarr. Es gibt bei Filmen sehr selten eine konkrete einzelne (juristische) Person, die über genügend Rechte verfügt, ein Video unter eine freie Lizenz stellen zu können (also das räumlich und zeitlich unbeschränkte Recht, alles mit dem Video anstellen zu dürfen). Am ehesten wäre dies noch mit "Footage" möglich, also ungeschnittenem Rohmaterial von einem Ereignis.
Contentbefreiung in diesem Bereich wird sich mit der Vereinfachung des Uploads und des Bearbeitens von Videos in Wikimedia Commons vermutlich nicht einfacher gestalten als heute schon, primär wegen C). Eine Ausnahme sind Videos, die bei den demokratischen Institutionen anfallen, also beispielsweise Deutscher Bundestag oder in den diversen Landtagen. Dazu später mehr.
[1] http://www.theora.org/ [2] http://www.mozilla.com/en-US/firefox/all-rc.html [3] http://dev.chromium.org/getting-involved/dev-channel [4] http://people.opera.com/howcome/2007/video/ [5] http://www.flumotion.net/cortado/ [6] http://metavid.org/wiki/Sequence:Test und http://sandbox.kaltura.com/testwiki/index.php/Sequence:Test
2. Biographien-Portal
Am 6. Juli startet unter http://www.biographie-portal.eu/ ein Gesamtregister aus mehreren biographischen Werken, darunter ADB [7], NDB [8] und den .at- [9] und .ch-Äquivalenten [10]. Ich habe angefragt, wie es dort mit der Integration der PND aussieht und eine positive Rückmeldung bekommen. Bis Ende 2009 werden alle ADB und NDB-Personen einen PND-Datensatz haben, Österreich und Schweiz haben sich mit ihren Werken noch nicht ausgekäst. Wir bleiben in Kontakt.
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Deutsche_Biographie [8] http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Deutsche_Biographie [9] http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichisches_Biographisches_Lexikon_18... [10] http://de.wikipedia.org/wiki/Historisches_Lexikon_der_Schweiz
3. Bundestag
Ich habe im Februar 2009 beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nachgefragt, ob man sich dort vorstellen könne, die produzierten Texte unter freien Lizenzen herauszugeben. Hier kam nach einer ganzen Weile eine Rückmeldung, man sei eh in solchen Überlegungen und freue sich um Input. Gibt es denn in der Leserschaft Interesse daran, einmal kollaborativ ein Proposal diesbezüglich zu schreiben und dann an den Bundestag bzw. seine Verwaltung zu schicken? Rückmeldungen gerne an mich, ich mache dann ein diesbezügliches Dokument auf.
4. Geld
Content-Befreiung kostet Geld. Ein Teil meiner Arbeit ist der Frage gewidmet, welche Quellen für diese Kosten nutzbar gemacht werden können. Langfristig besteht die Hoffnung, dass wir diese Kosten durch geförderte Projekte decken können, der Vorlauf und der logitische Aufwand, um eine Projektförderung aus öffentlichen Mitteln zu erreichen, ist jedoch beträchtlich. Wir arbeiten darum außerdem daran, die Möglichkeit einer zielgerichteten Spende für das Projekt Content Liberation auszuloten und die geleistete und kommende Arbeit besser für die potenziellen Spender aufzubereiten. Auch hier ist Input (Ideen, Mithilfe, Geld) immer gerne gesehen.
5. Zugang zu Wissen, in allen Sprachen dieser Welt
Ich möchte euch auf das Google Translate Toolkit [11] aufmerksam machen, ein nettes feines Werkzeug, um alleine oder mit Freunden und mit maschineller Übersetzung im Rücken Texte von einer in eine andere Sprache zu übersetzen. Maschinelle Übersetzung hat in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte gemacht, unter anderem, weil durch das Internet nun große Mengen Text für die Analyse verfügbar sind, Rechenkraft günstiger wird und eine große Armee hin und wieder Länder besetzt, deren Bevölkerung nicht englisch spricht. Auch Revolutionen oder zumindest Unruhen sorgen für den Bedarf an [12] maschineller Übersetzung und damit für die Entwicklung neuer Werkzeuge. Das Toolkit hat eine eingebaute Funktion für das Übersetzen von Wikipedia-Artikeln und die Vereinfachung des Uploads, im Google-Announcement findet sich ein kleines Lehrvideo zu diesem Thema [13]. Auch wenn maschinelle Übersetzung derzeit noch nicht die Qualität hat, um ohne Menschenarbeit wirklich angenehm lesbare Texte zu produzieren (die über das pure grobe Verständnis des behandelten Themas hinausgehen); der Gebrauchswert ist inzwischen mitunter erstaunlich hoch und kann vielleicht in ein paar Jahren mithelfen, die 251-fache Redundanz in Wikipedia zu überwinden, wie sie im Moment zelebriert wird. Ich reche nicht damit, dass diese Ansicht derzeit konsensfähig ist.
[11] http://translate.google.com/toolkit/list#translations/active [12] http://googleblog.blogspot.com/2009/06/google-translates-persian.html [13] http://googleblog.blogspot.com/2009/06/translating-worlds-information-with.h...
6. Stand Fotothek und Bundesarchiv
Ich fasse hier kurz zusammen, was in FzW und anderen Seiten bereits angesprochen wurde: Bei der SLUB wird es demnächst einen neuen Upload geben. Es gibt eine eher große Lücke zum letzten Upload, da die SLUB auch auf meinen Wunsch hin sicherstellen will, dass nur Datenbanken freigegeben werden, deren Bilder aus urheberrechtlicher Sicht geklärt sind. Danke an dieser Stelle an jene, die bei den bereits hochgeladenen Bildern nachschauen und ggf. eine Klärung anstoßen. Unter http://toolserver.org/~apper/fotothek ist das Tool für das Personendatenmatchen weiterhin verfügbar und Feedback ist gerne gesehen.
Am Ende (für all diejenigen, die bis hierher durchgehalten haben), das Thema Kommunikation:
Ich bin über folgende Kanäle erreichbar (in der Reihenfolge der Erreichbarkeit):
* Jabber/Gtalk: mathias.schindler@gmail.com * Skype: mathias-schindler * Email: mathias.schindler@wikimedia.de / mathias.schindler@gmail.com
Bis zum nächsten Bericht, Mathias
PS: ich bin im Moment unsicher, ob es in 7 oder in 14 Tagen sein wird, habt ihr dazu eine Präferenz?
- Bundestag
Ich habe im Februar 2009 beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nachgefragt, ... Gibt es denn in der Leserschaft Interesse daran, einmal kollaborativ ein Proposal diesbezüglich zu schreiben und dann an den Bundestag bzw. seine Verwaltung zu schicken?
Ja.
PS: ich bin im Moment unsicher, ob es in 7 oder in 14 Tagen sein wird, habt ihr dazu eine Präferenz?
Erstens mal eh ein ganz großes Lob für die Berichte. Meine persönliche Präferenz ist natürlich täglich, meine wesentlich wichtigere Präferenz allerdings, dass die Berichte nicht irgendwann anfangen zu tröpfeln und dann ganz ausbleiben,
angesichts eines effizientes Ressourceneinsatzes und mit Rücksicht auf deine Zeit halte ich zwei Wochen durchaus für ausreichend. Unsicher bin ich mir aber, was nachhaltiger ist: die etwas geringere Arbeitsbelastung alle 14-Tage oder die regelmäßige Routine eines festen wöchentlichen Termins.
lg sp
vereinde-l@lists.wikimedia.org