Sehr geehrter Herr Heiser,
privater Meinungsaustausch gilt in Mailinglisten bekanntlich als eher unerwünscht. Trotzdem wende ich mich an Sie persönlich, denn weder die Debatte in dieser Liste noch Ihr Posting an Herrn Jansson wurden privatissime geäußert.
Sie sind freier Journalist und gelegentlich Mitarbeiter der Wikipedia. Ich bin einfaches Mitglied der Wikimedia e.V. und ebenfalls Gelegenheits-Artikelschreiber der Wikipedia.
Während der Mitgliederversammlung am 25. Februar 2006 kamen u.a. drei kostenintensive Punkte zur Sprache, die nicht nur im laufenden Jahr relevant sind, sondern auch in den folgenden Jahren zu Buche schlagen werden:
- Hardware - Veranstaltungen - Einstellung eines Geschäftsführers
Des Weiteren wurde darüber berichtet, dass der längst vorgesehene Mitteltransfer an die Wikimedia Foundation leider noch nicht durchgeführt werden konnte, weil über das zuständige Finanzamt noch keine Rechtssicherheit hergestellt werden konnte. Nur wer sich noch nie mit einem Juristen oder Steuerberater über die Komplexität des deutschen Vereins- und Steuerrechtes unterhalten hatte, konnte sich über diesen unerquicklichen Status ernsthaft wundern.
Der Vereinsvorstand hat an dieser Stelle und - wie ich den vorangegangenen Postings entnehme - Ihnen gegenüber in einem oder mehreren Interviews (?) zu den oben genannten Punkten Stellung bezogen.
Ich frage mich allerdings in der Tat, wie dieser journalistische Kontakt ausgesehen haben mag. Eine sorgfältige Recherche vermisse ich jedenfalls.
Nichts gegen wohlformulierte Polemiken, sofern sie der Aufklärung über die kleinen uns großen Durchstechereien, die alltäglichen und weniger alltäglichen Vorteilsnahmen im gesellschaftlichen Miteinander, kurzum der Beleuchtung von Mißständen dienen.
Wenn der inkriminierte Mißstand jedoch der Mittelübertrag eines gemeinnützigen Vereins ist, der dadurch zustandekommt, dass Mittel jetzt noch nicht, aber doch in sehr absehbarer Zukunft verausgabt werden können (korrekter: "müssen") und der von Ihnen in einem aufgeregten Ton rapportiert wird, als ginge es z.B. um die "Münchner CSU-Affäre" (zu der ich mich mit einem Ihrer festangestellten Münchner Kollegen letztes Jahr durchaus gewinnbringend für Wikipedia unterhalten habe), dann ist da etwas aus den Fugen geraten.
Nein, Herr Heiser, meines Erachtens (und ich spreche natürlich nur für mich und nicht für den Wikimedia-Verein) haben Sie der von mir ansonsten sehr geschätzten Süddeutschen Zeitung zwar einen freien, aber überhaupt keinen guten Dienst erwiesen.
Wenn man zu Auslassungen und Verdrehungen greifen muss, um einen "Enthüllungsbericht" zusammenzubasteln (keine Frage: das ist natürlich keiner!), dann passt das zu einigen anderen Blättern, aber eigentlich gar nicht zur SZ.
Mit freundlichem Gruß Rüdiger Pfeil
vereinde-l@lists.wikimedia.org