Oooch Ziko - wir hätten mal am Wochenende über die DDR sprechen sollen. Ich bin ja auch der Meinung, daß alles weniger aufgeregt gesehen werden sollte. Aber bei deinen Interpretationen ist einiges sehr - Interpretativ. Die SED wies kaum mal Jemanden ab. Und was du Einladungen nennst, nannten andere Versuche sie in die Partei zu zwingen. Wer Karriere machen wollte mußte in die SED. Und die wollte eben alle Kandidaten für Elite-Positionen bei sich haben.
Kurz gesagt - dein zweiter Abschnitt ist ebenso falsch, wie die dummen Vorwürfe der Stasiritis, die ihm jetzt allenthalben gemacht werden. Die Wahrheit liegt dazwischen. Er ist weder Teufel, noch Heiliger oder Opfer.
Grüße
Marcus
Dass das Verhalten von Lutz Heilmann sehr kritisch zu hinterfragen ist, dürfte gerade unter Wikipedianern unstrittig sein. Die öffentliche Unterstützung für unsere Freie Enzyklopädie tut uns allen sicherlich gut. Um die Kritik aber auf eine gemäßigte Bahn zu bringen, hier ein Versuch, der Person und dem Fall gerecht zu werden.
Lutz Heilmann schloss sich als junger Mensch, mit zwanzig Jahren, der SED an. Dies ist man nicht einfach so geworden, sondern man wurde von der Partei eingeladen, und da die SED nicht jeden nahm, sondern auf Intelligenz und Talent achtete, konnte Heilmann die Einladung als sehr schmeichelhaft empfinden. Außerdem ist man als junger Mensch auf der Suche nach einem Beruf, und anscheinend hat sich während seines Wehrdienstes - den in der DDR fast jeder ableistete, da das Regime die Alternative Bausoldat sehr unangenehm gestaltete - die Möglichkeit ergeben, eine Elite-Karriere beim MfS zu beginnen. Das Regime ist für seine menschenverachtende Haltung und seine Methoden bekannt, und der MfS-Personenschutz ist nicht mit einer entsprechenden Aufgabe in einem Rechtsstaat zu vergleichen. Dennoch gilt für Heilmann wie für jeden anderen die Unschuldsvermutung, solange die Forschung oder die Staatsanwaltschaft nichts weiteres über seine damaligen Handlungen findet.
Berichten zufolge scheint Heilmann politisch voll hinter seiner Partei gestanden zu haben; es muss offen bleiben, inwieweit hier und später in seinem Leben Opportunismus eine Rolle gespielt hat. Jedenfalls wurde seine Arbeit beim MfS erst mit der Auflösung dieses Terrorapparates beendet, und erst 1992 trat er aus der in PDS umbenannten SED aus. 2001 trat er wieder ein, sein Leben in der DDR scheint also nicht so unangenehm gewesen zu sein, um ihn davon abzuhalten.
Es ist selbstverständlich, dass ein Mensch nicht gern von sich aus etwas preisgibt, das von vielen anderen Menschen als verwerflich angesehen wird. Wie ehemalige Nationalsozialisten und NS-Verbrecher haben auch Täter der SED-Diktatur gewisse Stellen ihrer Biografie zu verheimlichen versucht. Zu kritisieren ist es vor allem, wenn sie dabei nicht bei der Wahrheit bleiben, so wie Heilmann, der seine Tätigkeit als Berufssoldat nachträglich als verlängerten Wehrdienst darstellte und behauptete, er habe schon im Oktober 1989 um seine Entlassung ersucht. Nachdem er 2005 in den Bundestag eingezogen war, wurde ihm zurecht vorgeworfen, seine sensible Vergangenheit nur einem sehr kleinen Kreis mitgeteilt zu haben.
Aus den Presseberichten kristallisiert sich heraus, dass Heilmann eine irgendwie geartete Beziehung zu einem anderen Menschen hatte; er selbst meint, sie sei so kurz gewesen, dass sie nicht als Beziehung zu bewerten sei. Im Streit verlaufende Beziehungen sind für jeden Menschen unangenehm, vielleicht gibt es bei (bekennenden) Homosexuellen wie Heilmann eine zusätzliche Komponente, der öffentlichen Meinung wegen. Hier gelten bei der Berichterstattung die Bestimmungen zum Persönlichkeitsrecht, wenngleich, bei Prominenten, nicht so strikt wie bei Normalbürgern.
Der Wikipedia-Artikel ist etwa seit Oktober 2008 ein wenig umkämpft gewesen. Eine genauere Untersuchung müsste ergeben, ob unwahre oder unbelegte Behauptungen gemacht worden sind. Ob ein Wikipedianer das wiedergegeben hat, was er in der Presse gelesen hat, oder ob er spekuliert hat. Im letzteren Fall ist zu fragen, ob ein Wikipedianer das böswillig gemacht hat - wenn Heilmann trotz seiner SED-Vergangenheit der Meinung ist, er sei moralisch geeignet für den Bundestag, dann sollte er auch bei Wikipedianern nur die besten Absichten vermuten.
Heilmannns Vorgehen gegen die Wikimedia Deutschland ist sicher in jeder Hinsicht zu kritisieren. Er hätte auf das Wiki-Prinzip der Selbstreinigung und Neutralität vertrauen und Behauptungen in der Versionsgeschichte ignorieren können. Er hätte mit Wikipedianern (den Autoren) Kontakt aufnehmen können. Er hätte mit dem Verein länger reden müssen. Er hätte sich über das Gefüge in der Wikimedia-Welt besser informieren müssen. Die Einstweilige Verfügung war unverhältnismäßig, und man wundert sich, warum die Richterin dem Antrag stattgegeben hat. Heilmanns spätere Erklärungen lassen keine wirkliche Einsicht in diese Fehler erkennen.
Manche Kritik an Heilmann ihrerseits war jedoch überzogen, auch bei einigen kommentierenden Spendern, über deren finanzielle und moralische Unterstützung wir uns natürlich sehr freuen. Heilmanns Unmut über die Wikipedia gab und gibt es auch bei vielen anderen Prominenten, nicht nur ehemaligen SED-Mitgliedern. Es wäre falsch, ihm "Stasi-Methoden" vorzuwerfen, der Schutz des Rechtstaats gilt auch für jemanden, zu dessen Vergangenheit der Schutz eines Unrechtsstaats gehört hat.
Der Verein ist wesentlich glimpflicher aus der Sache gekommen als Heilmann, dessen politische Karriere spätestens jetzt zerstört sein dürfte.Wir haben aber keinen Grund zum allzu fröhlichen Triumphgefühl, denn nicht nur Heilmanns Biografie wurde verstärkt diskutiert, sondern auch das offene Wikiprinzip. Die Gesichteten Versionen waren jedenfalls ein Schritt in eine richtige Richtung, gerade um uns die Offenheit langfristig bewahren zu können.
Ziko
-- Ziko van Dijk NL-Silvolde _______________________________________________ VereinDE-l mailing list VereinDE-l@lists.wikimedia.org https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/vereinde-l
Marce, si tacuisses, philosophus mansuisses... (du bist ja bekennender Althistoriker). Ziko
Am 18. November 2008 13:36 schrieb Marcus Cyron kenwilliams-1@web.de:
Oooch Ziko - wir hätten mal am Wochenende über die DDR sprechen sollen. Ich bin ja auch der Meinung, daß alles weniger aufgeregt gesehen werden sollte. Aber bei deinen Interpretationen ist einiges sehr - Interpretativ. Die SED wies kaum mal Jemanden ab. Und was du Einladungen nennst, nannten andere Versuche sie in die Partei zu zwingen. Wer Karriere machen wollte mußte in die SED. Und die wollte eben alle Kandidaten für Elite-Positionen bei sich haben.
Kurz gesagt - dein zweiter Abschnitt ist ebenso falsch, wie die dummen Vorwürfe der Stasiritis, die ihm jetzt allenthalben gemacht werden. Die Wahrheit liegt dazwischen. Er ist weder Teufel, noch Heiliger oder Opfer.
Grüße
Marcus
Dass das Verhalten von Lutz Heilmann sehr kritisch zu hinterfragen ist, dürfte gerade unter Wikipedianern unstrittig sein. Die öffentliche Unterstützung für unsere Freie Enzyklopädie tut uns allen sicherlich gut.
Um
die Kritik aber auf eine gemäßigte Bahn zu bringen, hier ein Versuch, der Person und dem Fall gerecht zu werden.
Lutz Heilmann schloss sich als junger Mensch, mit zwanzig Jahren, der SED an. Dies ist man nicht einfach so geworden, sondern man wurde von der
Partei
eingeladen, und da die SED nicht jeden nahm, sondern auf Intelligenz und Talent achtete, konnte Heilmann die Einladung als sehr schmeichelhaft empfinden. Außerdem ist man als junger Mensch auf der Suche nach einem Beruf, und anscheinend hat sich während seines Wehrdienstes - den in der
DDR
fast jeder ableistete, da das Regime die Alternative Bausoldat sehr unangenehm gestaltete - die Möglichkeit ergeben, eine Elite-Karriere beim MfS zu beginnen. Das Regime ist für seine menschenverachtende Haltung und seine Methoden bekannt, und der MfS-Personenschutz ist nicht mit einer entsprechenden Aufgabe in einem Rechtsstaat zu vergleichen. Dennoch gilt
für
Heilmann wie für jeden anderen die Unschuldsvermutung, solange die
Forschung
oder die Staatsanwaltschaft nichts weiteres über seine damaligen
Handlungen
findet.
Berichten zufolge scheint Heilmann politisch voll hinter seiner Partei gestanden zu haben; es muss offen bleiben, inwieweit hier und später in seinem Leben Opportunismus eine Rolle gespielt hat. Jedenfalls wurde
seine
Arbeit beim MfS erst mit der Auflösung dieses Terrorapparates beendet,
und
erst 1992 trat er aus der in PDS umbenannten SED aus. 2001 trat er wieder ein, sein Leben in der DDR scheint also nicht so unangenehm gewesen zu
sein,
um ihn davon abzuhalten.
Es ist selbstverständlich, dass ein Mensch nicht gern von sich aus etwas preisgibt, das von vielen anderen Menschen als verwerflich angesehen
wird.
Wie ehemalige Nationalsozialisten und NS-Verbrecher haben auch Täter der SED-Diktatur gewisse Stellen ihrer Biografie zu verheimlichen versucht.
Zu
kritisieren ist es vor allem, wenn sie dabei nicht bei der Wahrheit
bleiben,
so wie Heilmann, der seine Tätigkeit als Berufssoldat nachträglich als verlängerten Wehrdienst darstellte und behauptete, er habe schon im
Oktober
1989 um seine Entlassung ersucht. Nachdem er 2005 in den Bundestag eingezogen war, wurde ihm zurecht vorgeworfen, seine sensible
Vergangenheit
nur einem sehr kleinen Kreis mitgeteilt zu haben.
Aus den Presseberichten kristallisiert sich heraus, dass Heilmann eine irgendwie geartete Beziehung zu einem anderen Menschen hatte; er selbst meint, sie sei so kurz gewesen, dass sie nicht als Beziehung zu bewerten sei. Im Streit verlaufende Beziehungen sind für jeden Menschen
unangenehm,
vielleicht gibt es bei (bekennenden) Homosexuellen wie Heilmann eine zusätzliche Komponente, der öffentlichen Meinung wegen. Hier gelten bei
der
Berichterstattung die Bestimmungen zum Persönlichkeitsrecht, wenngleich,
bei
Prominenten, nicht so strikt wie bei Normalbürgern.
Der Wikipedia-Artikel ist etwa seit Oktober 2008 ein wenig umkämpft
gewesen.
Eine genauere Untersuchung müsste ergeben, ob unwahre oder unbelegte Behauptungen gemacht worden sind. Ob ein Wikipedianer das wiedergegeben
hat,
was er in der Presse gelesen hat, oder ob er spekuliert hat. Im letzteren Fall ist zu fragen, ob ein Wikipedianer das böswillig gemacht hat - wenn Heilmann trotz seiner SED-Vergangenheit der Meinung ist, er sei moralisch geeignet für den Bundestag, dann sollte er auch bei Wikipedianern nur die besten Absichten vermuten.
Heilmannns Vorgehen gegen die Wikimedia Deutschland ist sicher in jeder Hinsicht zu kritisieren. Er hätte auf das Wiki-Prinzip der
Selbstreinigung
und Neutralität vertrauen und Behauptungen in der Versionsgeschichte ignorieren können. Er hätte mit Wikipedianern (den Autoren) Kontakt aufnehmen können. Er hätte mit dem Verein länger reden müssen. Er hätte
sich
über das Gefüge in der Wikimedia-Welt besser informieren müssen. Die Einstweilige Verfügung war unverhältnismäßig, und man wundert sich, warum die Richterin dem Antrag stattgegeben hat. Heilmanns spätere Erklärungen lassen keine wirkliche Einsicht in diese Fehler erkennen.
Manche Kritik an Heilmann ihrerseits war jedoch überzogen, auch bei
einigen
kommentierenden Spendern, über deren finanzielle und moralische Unterstützung wir uns natürlich sehr freuen. Heilmanns Unmut über die Wikipedia gab und gibt es auch bei vielen anderen Prominenten, nicht nur ehemaligen SED-Mitgliedern. Es wäre falsch, ihm "Stasi-Methoden" vorzuwerfen, der Schutz des Rechtstaats gilt auch für jemanden, zu dessen Vergangenheit der Schutz eines Unrechtsstaats gehört hat.
Der Verein ist wesentlich glimpflicher aus der Sache gekommen als
Heilmann,
dessen politische Karriere spätestens jetzt zerstört sein dürfte.Wir
haben
aber keinen Grund zum allzu fröhlichen Triumphgefühl, denn nicht nur Heilmanns Biografie wurde verstärkt diskutiert, sondern auch das offene Wikiprinzip. Die Gesichteten Versionen waren jedenfalls ein Schritt in
eine
richtige Richtung, gerade um uns die Offenheit langfristig bewahren zu können.
Ziko
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