In der letzten Woche gab es einen Seitenast der Debatte um zu besuchende Orte, der mich nachdenklich stimmte:
Die Leipziger Messer besuche man (so las ich da) nicht, da sich dort erfahrungsgemäß keine Neu-Autoren gewinnen lassen.
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Ich denke, wir sollten irgendwann unser gesamtes Ziel neudefinieren: Wir haben in der Tat (wie Frank feststellt: insbesondere in den Geisteswissenschaften) Schwachstellen. Wir sind jedoch längst schon nicht mehr das Lexikon, bei dem jeder mitmachen kann.
Von meinen 200 Studenten pro Jahrgang können zehn sich auf das Niveau einlassen, das derzeit bei WP erfordert ist. Von diesen 10 lassen sich bestens drei gewinnen, da sie auch noch Engegement haben. Und diese drei könnten auch weit vor dem Abi bei uns schon anfangen. Sie zeichnen sich auch gar nicht durch den Abschluss Abi oder Magister aus, auf den können sie verzichten, sondern dadurch aus, dass sie sich auf die Qualitätsanforderung einlassen. Ich will mit dieser Post also keineswegs Wikipedia (die zukünftige) auf Nachwuchswissenschaftler beschränken, allerdings klar machen, dass wir interne Anforderungen haben, die in den letzten Jahren extrem wuchsen.
Wohin entwickelt sich Wikipedia? Zu einer Quelle, die sich an Studenten und Fachinteressierte ausrichtet. Der Oma-Test ist längst problematisch.
Wir sollten darüber nachdenken, langfristig unsere Artikel zu teilen, (vielleicht bereits im Layout, ähnlich wie die Britannica es tat) in einen Allgemein-Teil, der sich an einem Lexikon, wie den Taschenmeyer 24 Bde. orientiert, und einen fachlich versierten Teil. (Den Allgemeinteil darf Bertelsmann dann jedes Jahr abdrucken.)
Wir werden (zweitens) wohl nachdenken müssen, wie wir Fachleute kriegen für die Lücken - und zwar gezielt die Fachleute, die wir für die bestehenden Lücken brauchen (wer schreibt uns den besseren Artikel über Karl XII von Schweden). Wir werden drittens eine Community brauchen, die mit diesen Fachleuten konstruktiv umgeht, die dafür sorgt, dass deren Artikel verständnlich bleiben, Wissen für den Vorspann extrahiert etc. (falls man Artikel teilt in einen Oma-Teil und einen Fachleute-Teil).
Um Fachleute zu gewinnen, werden wir weder auf dem Kirchentag noch in Leipzig viel Glück haben, selbst wenn wir anschreiben, wird das sie nicht gewinnen. Ich dachte Frank gegenüber bereits einmal offener darüber nach: Fachleute können wir als Allgemein-Lexikon überhaupt nur sehr bedingt für uns gewinnen. Das Lexikonformat ist hier bereist prekär und Wikipedia-Arbeit potentiell rufschädigend (ich erzähle Euche gerne eine Anekdote dazu, wie mir ein WP-Artikel meiner Hand einen sehr interessanten Auftrag verdarb).
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Nehmen wir also Anstand davon, den Erfolg einer Veranstaltung an der Menge der Neuautoren zu messen. Der Neuautor, der bei uns auf der Messe den Account aufmacht und dann bei seinem ersten Edit revertiert wird, ist ein Problem für uns und für sich selbst. Unseren Nachwuchs kriegen wir aus der Gruppe der spannenden Benutzer, die mit 14, 15 Jahren anfangen, uns zu konsultieren und denken "wow, das will ich auch können, an den Diskussionen will ich mich beteiligen und Standing beweisen". Diese Leute kriegen wir nicht über Schulprojekte per Gieskannenbewässerung, ganz im Gegenteil: die liefern Mist, wenn ihr Lehrer sie auf Wikipedia bringt. (Und sie liefern geniale Arbeit, wenn sie bei uns das tun, was sie in der Schule kaum können: sich entfalten). Und ich kriege diese Leute auch nicht unter meinen Studenten - ich darf sie nicht bitten, sie müssen selbst den Ehrgeiz kriegen an ihrem Wissen zu arbeiten. Wir kriegen sie als Internetfans, die unabhängig denken.
Die Fachleute bleiben ein Problem und hier vermisse ich eine Initiative. (Die Zedler-Medaille ist keine).
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Bleibt die Frage, was wir auf Buchmessen oder auf Kirchentagen tun sollen? Auftauchen, Engagement zeigen!
Wir tragen gesellschaftliche Verantwortung: Wir produzieren das Lexikon, das an allen Schulen und Unis benutzt wird. Dieser Verantwortung müssen wir durch Medien-Präsenz gerecht werden.
Der Erfolg eines Standes auf einer Buchmesse liegt in der gesellschaftlichen Präsenz die wir zeigen; er liegt darin, dass wir uns Diskussionen stellen, darin, dass wir Einblicke geben, darin, dass wir Verantwortung wahrnehmen, indem wir auf Fragen antworten. Ich denke, wir sollten aufhören, unsere Qualität nach Account-Menge zu bemessen. Unsere Qualität bemisst sich in der Menge der User, die bei uns jede Minute nachschlagen, weil wir besser sind als andere Internetquellen, verlässlicher, härter durchdiskutiert - und das müssen wir bewerben.
Das mit den interessanten Neu-Benutzern wird ein sehr viel anderes Nachdenken erfordern...
Gruß, Olaf
vereinde-l@lists.wikimedia.org