Zuallererst: Es ist kein Italien II
Interessant dabei ist die Tatsache - und das Urteil muss zwischen den Zeilen gelesen werden - dass der BGH nicht auf das Problem der (wahrscheinlichen) Anonymität des Bloggers eingeht. Eigentlich recht realitätsnah.
Im Prinzip ist das Urteil für uns gut, denn es bestätigt im Grunde unsere bereits bestehende Struktur und Vorgehensweise.
1. Die vom BGH inkriminierten Textpassagen beziehen sich ausdrücklich auf die Meinung des Bloggers, dem Blogbetreiber wird nur die Prüfung auf einfacher Ebene übergeben. Eintragungen bei uns beziehen sich bestenfalls auf Blogeinträge (was ja eh durch unsere Quellenregelung ausgeschlossen ist). Das Urteil leitet das Problem an den Betreiber weiter, der soll mal "vorerheben".
2. Unser Verbot der Theoriefindung lässt dieses Problem aus meiner Sicht gar nicht erst aufkommen. Auch haben Meinungen bei uns nichts verloren. Tatsachenbehauptungen sowieso immer bequellt.
3. Wir beschreiben dass etwas stattgefunden hat, beziehen uns aber immer auf externe Quellen. Was nicht bequellt ist, wird ja sowieso rausgekickt. Wenn zB jedoch ein Betroffener erreicht, dass die Quelle, auf die wir uns beziehen, gelöscht wird, dann werden wir aber durch das Urteil gezwungen, auch diesen Eintrag zu löschen (in so einem Fall wie ich meine auch eine Versionslöschung), soferne der Einsteller keine entsprechenden anderen, glaubwürdigen Quellen beibringt. Ein Hilfskonstrukt für uns ist aber der Hinweis, dass das Abrufdatum Teil der Referenz ist, allerdings nur bis zum Zeitpunkt der Anzeige. Dann müssten wir jeden dieser Quellen nachgehen, ob sie überhaupt noch erreichbar sind. Eine Verschärfung der Situation ergibt sich im Gegenteil sogar für den Kläger, der eine bestimmte Stelle gestrichen haben möchte. Diesem wird aufgetragen, entsprechende Beweise für die Begründung seines Anliegens vorzubringen. Es reicht nicht zu sagen: Das ist falsch.
Zitat aus dem Urteil: Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert (sic!) in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Zitat Ende.
Das ist Neu! Und auch gut für uns! Im Prinzip schafft der Kläger damit sogar Inhalte für uns.
4. Wikipedia hat mit OTRS hier sogar eine eigene Anlaufstelle geschaffen, welche jedem die Möglichkeit gibt, sein Anliegen darzulegen. Der bisherige Umgang ist weit restriktiver, als es der BGH im gegenständlichen Urteil gefordert hat.
5. Die für mich einzige offene Frage ist, was passiert mit den diversen Streits um Geburtsdaten einzelner Personen (die üblicherweise bei uns nicht bequellt sind, jedoch im Streitfall dann doch), welche dieses nicht genannt haben möchten. Hier gilt jedoch auch das BGH-Urteil welches besagt, das ein Einschreiten des Blogbetreibers dann nicht nötig ist, wenn der Eintragende (der oder die Wikipedianer) substantiell und glaubwürdig nachweisen kann, dass diese Information an anderer Quelle ebenso vorhanden ist. In diesem Fall wird eben auf eine andere Seite/Quelle verwiesen (IMDB), das reicht.
Ein einziger Unterschied zur bisherigen Praxis bleibt und das ist enorm wichtig:
Das BGH hat die Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestätigt, für uns unklar ist jedoch, wer wird im Zweifel dann als Wikipediabetreiber vom Gericht anerkannt? Der Verein? Die substantielle Nähe der handelnden Personen des Vereins zu Wikipedia, die zwar immer wieder bestrittene Zuständigkeit für Inhalte werden meiner Meinung nach auf Dauer nicht die Zuständigkeit des Vereins verneinen lassen. Im Zweifel werden sich die Gerichte nicht nach Eigendefinitionen des Vereins richten, sondern nach den Fakten. Und hier wird das Faktum, dass Wikimedia Deutschland Geld sammelt und für den Betrieb der Server mitverwaltet, aber auch für die Gestaltung von Wikipedia selbst, der ausschlaggebende Punkt sein.
Allerdings sehe ich darin kein Problem, weil zwar die Zuständigkeit für deutsche Gerichte geklärt wurde, aber gleichermaßen auch die Art und Weise des Umgangs mit beanstandeten Inhalten geregelt wurde. Die eben unsere bisherige Praxis bestätigt.
Das Urteil spricht für uns, könnte fast von unserer Vorgehensweise und Praxis mit ähnlichen Problemen abgeschrieben worden sein.
h.
Am 25.10.2011 13:07, schrieb Raimond Spekking:
Am 25.10.2011 12:46, schrieb Raimond Spekking:
Ich sehe hier keinen gravierenden Unterschied zur bisherigen Praxis. Der BGH sagt jetzt (ganz verkürzt):
a) A kann sich bei B beschweren b) B kann löschen oder Beweise einfordern c) A muss ggfs. Beweise liefern d) Wenn B die Beweise nicht anerkennt, bleibt A nur die Möglichkeit zur Klage
Heise hat das Thema auch soeben aufgegriffen: http://heise.de/-1366234
Vielleicht hatte ich das bisher falsch gelesen, denn Heise schreibt zu meinem Punkt b): "Auf jeden Fall sei "zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für das Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten". "
Das wäre bei uns "der Wikipedianer"...
Raimond.
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