26.07.2009 - 09.08.2009
Liebe Zielgruppe,
hier kommt mit Verspätung mein Wochenbericht. Ich danke allen, die auf meinen letzten Bericht hin Vorschläge geliefert haben, wie und in welcher Form ich über meine Arbeit berichten kann. Ich bleibe vorerst bei der zweiwöchigen Erscheinungsweise (mehr oder weniger) und werde überlegen, ob und wie nicht doch ein Blog für so ein Thema gefüllt werden könnte.
=== 1. GLAM-WIKI Konferenz in Canberra ===
Es gibt Konferenzen, auf die man geht, "weil man muss". Es gibt Konferenzen, bei denen man nachher eine Liste von schönen und weniger schönen Erinnerungen hat. Und dann gibt es Konferenzen, bei denen alles stimmt und nachher fast alle Teilnehmer elektrisiert wieder zurückgehen in ihre Institutionen, die sie vertreten haben. Zu dieser kleinen Gruppe zählt die Konferenz "GLAM-WIKI" in Canberra am 6. und 7. August (http://wikimedia.org.au/wiki/GLAM). Wikimedia Australia und die australischen Wikipedianer (allen voran Liam Wyatt) haben es geschafft, 170 Vertreter des kulturellen Sektors aus Ozenanien unter ein Dach zu bekommen. Die imposante Liste der vertretenen Institutionen steht unter http://www.wittylama.com/2009/07/246/.
Die Wikimedia Foundation als Mitunterstützerin der Konferenz hat mir dankenswerterweise auch die Teilnahme ermöglicht. Meine Rolle auf der Konferenz war, über die Zusammenarbeit mit GLAM (Gallerien, Bibliotheken, Archiven und Museen) in Deutschland vorzustellen, ich habe hier meinen Schwerpunkt auf Bundesarchiv und Deutsche Nationalbibliothek gesetzt. Letztere Arbeit als (IMHO) den Grund, warum die Arbeit mit dem Bundesarchiv überhaupt möglich war.
Von allen Gründen für so eine Konferenz muss man einen ganz besonders herausstellen: Sie verhindern Prozesshanseleien, wie wir sie gerade im Vereinigten Königreich mit der National Portrait Gallery erleben. Apropos NPG: das letzte öffentliche Lebenszeichen war die unwidersprochene Mitteilung, dass NPG und Wikimedia Foundation nun über eine einvernehmliche Lösung verhandeln.
=== 2. Best Practices in Content Liberation ===
Die Wikimedia Foundation hat vor einigen Wochen eine "public outreach"-Gruppe gegründet. Outreach ist eines dieser Worte, für die ich bisher keine vernünftige Übersetzung gefunden habe. Als Teil dieser Arbeit sollen "best practices" dokumentiert und aufgeschrieben werden.
Die aktuelle Vorabversion findet sich unter http://meta.wikimedia.org/wiki/Building_a_content_partnership_with_a_cultura... und kann ergänzt, kommentiert, umgeschrieben und sonstwie bearbeitet werden. GerardM, der Commons neulich eine größere Contentspende des Tropenmuseums (http://www.facebook.com/note.php?note_id=246860230223&ref=mf) organisiert hat, hat mir dazu bereits Feedback gegeben, sein Ansatz unterscheidet sich ein wenig - und das ist gut so.
=== 3. Nachrichtenjournalismus und Wikipedia ===
In den nächsten Tagen wird auf http://www.niemanlab.org/category/themes/ap-plan/ ein Strategiepaper von Associated Press seziert werden, in dem auch Wikipedia vorkommt. Ausgangspunkt der Überlegungen von AP zu Wikipedia ist die Art der Nutzung von echtzeitenzyklopädischen Inhalten als Ersatzform für das, was AP produziert: Nachrichtentexte. Als der KingOfPop starb, ging, das nimmt auch AP wahr, ein großer Teil der Netznutzer zu Wikipedia für neueste Entwicklungen. http://infodisiac.com/blog/2009/07/michael-jackson/ liefert Daten. Auch Google News integriert Wikipedia-Artikel inzwischen in sein Angebot. Wie ich finde, ist das sehr hübsch gemacht (aktuelles Beispiel: http://en.wikipedia.org/wiki/MV_Arctic_Sea)
AP will dieser Tendenz durch Themenseiten beikommen, also das, was auch New York Times und andere Nachrichtenseiten machen. http://topics.newsweek.com/people/politics/obama-administration/barack-obama... ist noch so ein Beispiel. Für Wikipedia ist das in mehrfacher Hinsicht eine Chance: Dort entstehen de facto enzyklopädische Texte, die Zeitungen selbst werden nur in Ausnahmefällen die Kapazität haben, Seiten wirklich zu pflegen und gehen dann eher in Richtung Wikipedia-Weiternutzung. Damit diese Seiten wirklich funktionieren, ist ein intelligentes Verlinken zwischen klassischen Nachrichtentexten und Themenlexikonseite nötig. Schöne Stellen, um anzukoppeln und ggf. auch Content loszueisen. Ich schrieb darüber schon einmal in einem früheren Wochenbericht bezüglich New York Times. Von dort ist man derzeit noch nicht in der Lage, Daten zu liefern. In related news: Wenigstens ist die finanzielle Talfahrt der NYT Co. für eine Weile aufgehoben (http://online.wsj.com/article/SB124835509346675725.html). Die Firma hat nun erstmals offen zugegeben, dass sie an einem Verkauf des "Boston Globe" interessiert ist. Ebenfalls zur NYTCo. zählt übrigens about.com, die eigentlich für alle Arten von "landing" und "topic" page geeignet wären.
Das komplette PDF von AP findet sich unter http://www.scribd.com/doc/18555024/Protect-Point-Pay-An-Associated-Press-Pla...
Wenn Nachrichten und Wikipedia als Stichworte fallen, liegt auch Wikinews nicht fern. Zumindest die englischsprachige Ausgabe (nach den eher unzuverlässigen Zahlen von alexa.com für 75% des Traffics verantwortlich) ist hier derzeit in der Lage, kontinuierlich neue Beiträge zu liefern und zumindest formal die Anforderungen an ein Nachrichtenportal zu erfüllen (http://en.wikinews.org/wiki/Template:Latest_News). Größere Popularitätssprünge wurden bei Alexa in den letzten 12 Monaten nicht verzeichnet (http://traffic.alexa.com/graph?&w=1000&h=420&o=f&c=1&y=t...). Das könnte sich möglicherweise dann ändern, wenn die üblichen anderen Nachrichtenportale anfangen würden, Geld für journalistische Texte zu verlangen, genauso wie Britannicas und Brockhausens Bezahlfantasien damals der Wikipedia einen ungeheuren Schub verpassten. Davon ist bislang aber nicht auszugehen.
Als Randnotiz: Seit einigen Tagen bekommen wir ein Probeabo meines lokalen Käseblattes, ich wollte wissen, was ich verpasse. Nicht nur, dass ich nichts verpasse, ich habe den Großteil meines Respekts vor dem real existierenden Lokaljournalismus verloren. Kollaborativ erstellte, frei lizenzierte Lokalnachrichten wären hier wirklich schick, vermutlich ist die größere Hürde nicht ihre Erstellung, sondern die Verbreitung in alle Haushalte.
=== 4. Europeana ===
Entgegen aller Gerüchte arbeiten tatsächlich noch Leute an der Weiterentwicklung von "Europeana", was wahlweise als Killer für Google insgesamt, Google Book Search, Facebook oder sonst irgendwas großes gehandelt wird. Vermittelt über die Foundation reden Europeana und WM-DE über mögliche Formen der Zusammenarbeit, leider ohne besondere Fortschritte. Ein Grund, und das ist von Anfang an der Showstopper, ist die Rolle von Europeana als Metasuchmaschine über die Inhalte Dritter, ohne über eigene - weiterreichbare - Nutzungsrechte zu verfügen.
=== 5. Markenrecht als Bad Excuse ===
Wenn Proteste zu Bildern auf Wikipedia per Email aufschlagen, ist manchmal etwas Dechiffrierarbeit nötig. So beschwerte sich ein Logistikdienstleister über ein Abbild eines Containers und mahnte die Verletzung von Markenrechten an. Da Wikipedia diese Marke gar nicht führt, war dieser Vorwurf erstmal etwas harmloses und die daraus abgeleitete Aufforderung zur Löschung hinfällig. Nach Kontaktaufnahme mit der Firma kommt der eigentliche Grund raus: Der Container war schmutzig, das Bild gefällt ihnen nicht. Wir bemühen uns jetzt um das Loseisen von Content zusätzlich zum "schmutzigen" Container.
===6. Wikimania ===
Großereignis in den nächsten zwei Wochen ist die Wikimania-Konferenz, ich freue mich auf die Vorträge dort und bin auf das Feedback auf meine Beiträge gespannt. http://wikimania2009.wikimedia.org/wiki/Schedule