On 11.04.2010 22:49, Marcus Cyron wrote:
was bei mir bei dieser Diskussion in den Kopf kommt ist eine Grundsätzliche Frage: kann man - und wenn ja wieviel - Aufwand und Einsatz von Personen eines Freiwilligkeitsprojekts erwarten, die eine (verntwortungsvolle) Aufgabe übernommen haben. Muß man einfach damit rechnen, daß es, weil es eben nebenher zum eigentlichen Leben läuft, Dinge eben nicht passieren oder nicht fertig werden. Oder kann und muß man erwarten können, daß Personen, die eine solche Sache übernehmen das auch machen müssen und (nicht persönlich aber ideell) dafür "gerade stehen" müssen? Ich für meinen Teil weiß es schlichtweg nicht.
Beides, meiner Meinung nach. Einerseits muss man akzeptieren, dass nicht alles so passiert, wie man sich das wünscht, und auch nicht alles so und dann fertig wird. Das ist übrigens kein Problem, das nur ehrenamtliche Arbeit betrifft. Es ist auch im bezahlten Erwerbsleben eher normal, dass Fristen nicht eingehalten oder Projekte nicht wie geplant durchgeführt werden, wenn die Arbeit oder das Umfeld der Arbeit komplexer Natur ist. Mit "komplex" meine ich hier, dass die Arbeit von mehreren Faktoren (Menschen zum Beispiel) abhängig ist, die nicht zentral gesteuert werden können. Damit klar zu kommen und dafür zu sorgen, dass solche komplexe Arbeit trotzdem noch zu sinnvollen Ergebnisse führt, ist, worum es bei Management letztlich geht.
Andererseits muss man Handelnde auch für ihre Erfolge und Misserfolge verantwortlich machen können, egal ob haupt- oder ehrenamtlich beschäftigt. Die Frage, die man sich jetzt aber stellen muss: wieviel muss geschafft und erreicht werden, damit man zufrieden ist? Wenn 90% einer Aufgabe erfüllt werden, ist das ausreichend oder nicht? Bist du dann eher zufrieden, dass die 90% erreicht werden oder enttäuscht, dass die 10% unerledigt blieben? Wenn sich der Vorstand am Anfang einer Amtszeit 20 Dinge vornimmt und davon 15 Dinge realisiert werden, ist das zufriedenstellend oder nicht? Meiner Meinung nach liegt genau hier der Knackpunkt: die Erwartungen, die jedes Mitglied an den Vorstand stellt, unterscheiden sich. Manchmal sind sie so niedrig, dass sie ohne Probleme erfüllt werden können. Manchmal sind sie so hoch, dass eine Erfüllung faktisch unmöglich (und die Enttäuschung sehr hoch) ist.
Dazu kommt noch etwas, dass es auch nicht nur bei Wikimedia Deutschland sondern eigentlich überall da gibt, wo der eine verantwortlich dafür gemacht wird, die Erwartungen des anderen zu erfüllen: dass Erwartungen nicht klar gestellt werden. Die Mitgliederversammlung hat es bei uns bisher versäumt festzulegen, was sie vom Vorstand eigentlich erwartet. Es gibt ein wenig in der Satzung dazu und es gibt nun erstmals eine Geschäftsordnung, die auch ein paar Erwartungen formuliert. Aber was die Mitglieder gemeinsam vom Vorstand erwarten, kann bisher nur aus persönlichen Gesprächen und der einen oder anderen Meinungsäußerung hier auf der Liste, im Blog oder verschiedenen Wikis "erraten" werden. Bevor sich jemand über "versäumt" ärgert: damit meine ich nicht, dass man es vergessen hätte. Ich glaube eher, dass es gar nicht so einfach ist, seine Erwartungen als Mitglied klar zu formulieren. Dazu muss man sich erst einmal darauf einigen, was die Erwartungen eigentlich sind.
Und, eins muss man dann leider auch akzeptieren: sind Erwartungen erst einmal klar kommuniziert, gelten sie für beide Seiten. Genauso wie der Vorstand es akzeptieren muss, für die Erfüllung dieser Erwartungen dann auch verantwortlich gemacht zu werden, müssen auch die Mitglieder akzeptieren, dass sie den Vorstand nur für die Erfüllung vorher kommunizierter Erwartungen verantwortlich machen können.
Für mich stellt sich jetzt aber die Frage, was erwarten wir in der Zukunft von etwa einem Vorstandsmitglied. Sebastian etwa sagte, wenn ich mich recht erinnere, daß er wöchentlich acht Stunden (?) für Vereinsarbeit aufwendet. Ich halte das in meiner Vorstellung für recht wenig, kann aber auch aus eigener Erfahrung nicht sagen, ob es nur wenig auf mich wirkt oder ist, oder ob es vielleicht sogar viel ist.
Ich weiß nicht, wie ich dein "viel" hier interpretieren soll. Meinst du, dass man pro Woche mehr als 8 Stunden für die Vorstandstätigkeit spenden, also man mehr Einsatz zeigen sollte? Oder meinst du, dass die Arbeit eigentlich so umfassend ist, dass 8 Stunden pro Woche nicht genug sind?
Soweit ich es sehe gibt es keine Aufgaben mehr im Verein, die mal einfach so nebenbei laufen. Die Verantwortung ist groß. Die Ansprüche sind gewachsen. Auch meine. Darum auch meine Enttäuschung über diese Wahlperiode.
Deine Ansprüche sind gewachsen. Hast du vor der Wahl klar gesagt, welche Ansprüche du stellst? Viel zu oft geht man den Weg der "Selbstverständlichkeit", dass ja selbstverständlich wäre, dass X oder Y zu machen sei. Fakt ist aber: in einer Gruppe von Leuten mit sehr unterschiedlichen Hintergründen, Motivationen und Werten, wie es die Mitglieder des Vereins sind, gibt es nur sehr wenige Erwartungen, die man als selbstverständlich bezeichnen kann. Das kann man bedauern, hilft aber auch nicht weiter.
Also: schreib doch mal deine Erwartungen zusammen, veröffentliche sie und frag die Kandidaten, ob sie sie erfüllen möchten.
Ich halte mittlerweile ein paar Änderungen in der Grundstruktur des Vereins für nötig. ...
Keine Strukturänderung der Welt wird das oben besprochene Problem unklarer und unterschiedlicher Erwartungen lösen. Dazu ist der gemeinsame Willen notwendig, diese gemeinsam festzulegen und sie auch klar zu kommunizieren. Das geht in der aktuellen Struktur genauso wie in der von dir vorgeschlagenen. Es muss nur jemand einen Anfang machen.
Beste Grüße Sebastian Moleski Erster Vorsitzender ------------------------------------- Wikimedia Deutschland e. V. Eisenacher Straße 2 10777 Berlin
Telefon 030 - 219 158 26-0 www.wikimedia.de
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der jeder Mensch an der Menge allen Wissens frei teilhaben kann. Helfen Sie uns dabei! http://spenden.wikimedia.de/
Wikimedia Deutschland - Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V. Eingetragen im Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg unter der Nummer 23855 Nz. Als gemeinnützig anerkannt durch das Finanzamt für Körperschaften I Berlin, Steuernummer 27/681/51985.