Hallo Jürgen, Hallo Michael, hallo Liste,
2013/6/12 Juergen Fenn juergen.fenn@gmx.de:
Die Marke ist egal, aber die Inhalte sind interessant. Wie wäre es mit einer kollektiven Befreiung des Brockhauses? Warum sollte der Brockhaus an irgendeine weitere Firma gehen, die ihn dann irgendwie verzweifelt versucht weiter zu betreiben oder zu verramschen? Eine Stiftung wäre sicherlich der bessere Weg. Wie wäre es, wenn etwa die Wikimedia Foundation oder der deutsche Verein mit einer Spendenkampagne genügend Geld sammeln, um die Rechte zu kaufen und das Lexikon unter eine freie Lizenz zu stellen? Eine derartige Kampagne dürfte auf einiges Interesse stoßen. Oder wie wäre es, wenn eine andere Stiftung oder Kulturorganisation mal unauffällig bei unserer Regierung nachfragt, ob man irgendwelche Finanztöpfe anzapfen kann? Mehr als ein paar Kilometer Autobahn, eine halbe Eurohawk-Drohne oder die monatlichen Betriebskosten einer Flughafenbaustelle nahe Berlin sollte auch der Brockhaus nicht kosten – und kulturell sinnvoller als demnächst von der Elbe überflutete Philharamoniebaustellen ist das eh. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um das bis zur Wikipedia wichtigste deutsche Lexikon zu befreien.
http://schmalenstroer.net/blog/2013/06/der-brockhaus-ist-am-ende-befreien-wi...
als die Meldung über das (dritte?) Ende von Brockhaus innerhalb von 5 Jahren gestern über dpa lief, haben via twitter sofort einige gleich nachgefragt, ob es nicht zu einer Freigabe der Inhalte kommen könnte.
Wir hatten eine ähnliche Diskussion vor vielen Jahren, als Microsoft das Ende der Encarta bekanntgab. Unsere Frage nach Redmont war, ob man bereit sei in welcher form auch immer Nutzungs- und/oder Markenrechte an Texten, Bildmaterial und Software der Encarta freizugeben. Microsoft hat nach einiger Bedenkzeit dann mitgeteilt, dass man diese Option nicht ins Auge fasse, unter anderem aus Haftungsgründen. Es kam also noch nicht einmal zu Verhandlungen zur Frage, wie viel Geld oder sonstige Leistungen gefordert und geboten werden.
Ich halte Bertelsmann hier für deutlich pragmatischer.
Die Frage ist, was genau gewünscht wird:
Denkbar wäre, sich auf den enzyklopädischen Teil von Brockhaus zu konzentrieren (oder zumindest den lexikalischen Teil) und die Produkte wie "Brockhaus perspektiv – Vorsicht Höchstspannung! "http://www.brockhaus.de/buecher/erwachsene/sachbuecher/index.php?we_objectID... zu ignorieren. Geht es um die Nutzungsrechte der Texte (und Bilder?) der gedruckten 21. Auflage, dazu noch die Texte, die seit dem Druck durch die Redaktion in die Onlineausgabe eingeführt wurden? Will man zusätzlich die Software haben für den Betrieb von brockhaus-enzyklopaedie.de? Hier ist noch überhaupt nicht erfasst, was man damit machen möchte. Denkbar wäre der Versuch, den Stand der BE21 (und ggf. von Vorauflagen, von denen die meisten ja ebenfalls noch urheberrechtlich geschützt sind) im Netz zu behalten und den IST-Zustand dieser Enzyklopädie zu dokumentieren. Wichtiges Feature könnte die Freigabe unter einer (dann konsequenterweise auch freien) CC-Lizenz sein. Für den Fall, dass Brockhaus-Inhalte Aspekte abdecken, die von Wikipedia grundsätzlich als enzyklopädisch relevant anerkannt werden aber noch nicht erfasst sind, wäre eine Übernahme der Inhalte und die fortgesetzte Pflege der Inhalte denkbar. Ich erinnere daran, dass die deutschsprachige Wikipedia sich leidenschaftlich beim Meyers-Lexikon von 19-irgendwas und auch technischen Lexika des frühen 20. Jahrhunderts bedient hat, was zwar urheberrechtlich vertretbar, aber inhaltlich oft gewagt war.
Im Blog von Schmalenstroer fiel das Stichwort Stiftung. Eine solche "Stiftung enzyklopädisches Erbe" (ihr alle kennt mit Sicherheit schönere Begriffe) könnte je nach finanzieller Kraft deutschland-, germanophonie- oder weltweit Nutzungsrechte von erloschenen Enzyklopädieprojekten aufkaufen und ggf. dazu Nachlass aus den Verlagsarchiven, z.B. Entwürfe, Redaktionsanweisungen, Autorenkorrespondenz, etc und all diese Inhalte dann der Nachwelt erhalten und - bevorzugt online - zum Ansehen und Nachnutzen bereitstellen. Auch das Meyers Konversationslexikon bzw. Meyers enzyklopädisches Lexikon, die (again) Encarta, auch ältere und gemeinfreie Lexika könnten darunter fallen. Das ist dann ab er schnell eine große Aufgabe, die von ihrem Bedarf an Ressourcen weit über das ginge, was von Vereinen wie Wikimedia Deutschland gestemmt werden könnte. Und ob so etwas an einer Akademie der Wissenschaft als Langzeitforschungsprojekt angesiedelt werden könnte, kann ich ohne Recherche nicht beantworten.
Wenn man die "Minimallösung" von oben sich anschaut, ist es auch hier schwer zu sagen, welches Preisschild an so einem Projekt hinge und welche Geldforderungen Bertelsmann hat. Das ist zum Teil auch davon abhängig, wie viele andere Firmen sich um die Marken- und Nutzungsrechte von Brockhaus reissen werden und ob deren Pläne sich überschneiden oder beissen mit dem, was hier vorgestellt wird. Grob ins Blaue geschätzt reden wir eher von 10.000€ als von 1 Million, aber da ist ein riesiger Unsicherheitsfaktor dran. Die genannten Zahlenregionen von Michael halte ich für deutlich zu hoch gegriffen. Es ist ausdrücklich kein Kriterium, wie viel Geld in der Vergangenheit z.B. in die BE21 gesteckt wurde oder wie viele Verluste die Sparte bei wissenmedia/Inmedia[One eingefahren hat.
Meiner Meinung nach wäre es mehr als schade, wenn die sehr wechselvolle Geschichte von Brockhaus jetzt einfach so endete, ohne dass zumindest das Erreichte der Nachwelt erhalten bliebe.
Mathias
Weiterführende Literatur zum Kontext: * http://blog.wikimedia.de/2009/03/24/das-gastspiel-unfreier-inhalte-im-netz/